Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.03 vom 31.01.2001, Seite 10

Residenzpflicht

Keine Kompromisse

Die in Deutschland lebenden Flüchtlinge bereiten sich auf einen neuen Schritt in ihrem Kampf für die Abschaffung der Residenzpflicht vor, die sie als einen Akt der Freiheitsberaubung betrachten.
Am 20. und 21.Januar tagte im Mehringhof in Berlin die Flüchtlingsbewegung The Voice zusammen mit antifaschistischen und antirassistischen Gruppen sowie VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen. Das gemeinsame Anliegen war die Vorbereitung eines "Marschs des Zorns" nach Berlin im kommenden April, weil Berlin Sitz der deutschen Legislative ist.
Am 17., 18. und 19.April werden mehrere tausend Flüchtlinge zu gewaltfreien, aber entschlossenen Demonstrationen erwartet. Wie es ein Vertreter der Flüchtlinge aus Brandenburg ausdrückte: eine Aktion "No retreat, no surrender", die sich an die Gesetzesverantwortlichen, also die Abgeordneten richtet.
Die Flüchtlinge sehen ihr Überleben und ihre Freiheit in Gefahr. Sie haben beschlossen, sich während der Demonstrationen aneinanderzuketten, um ihr Eingesperrtsein in Deutschland zu verdeutlichen.
Die Details über die Demonstrationen werden noch ausgearbeitet; Einigkeit bestand jedoch darüber, dass eine große Medienöffentlichkeit hergestellt werden muss, damit die deutsche Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft erreicht wird und sie sich mit dem Kampf der Flüchtlinge gegen die Residenzpflicht solidarisch erklärt.
Die Prozesse gegen solche Flüchtlinge, die den Mut gehabt haben, sich darüber hinwegzusetzen und ihre Freiheit zu behaupten, tragen sehr stark dazu bei, die Öffentlichkeit aufzurütteln. Am 6.Februar wird in Wolfsburg in erster Instanz der Prozess gegen Sunny Omwenyeke eröffnet, ein Flüchtling aus Nigeria und Mitglied von The Voice. Er sitzt dann neben Cornelius auf der Anklagebank. Das Gericht Worbis hat, überzeugt von der Schädlichkeit der Anklage, einen Kompromiss vorgeschlagen: Cornelius solle eine kleinere Strafe zahlen, damit soll die Sache abgegolten sein. Cornelius hat das abgelehnt; er will den Fall vor die nächsthöhere Instanz bringen, von der er sich Gerechtigkeit erhofft.
Diese beiden Fälle werden Mustercharakter bekommen, sowohl für die Behörden wie für die Flüchtlinge. Letztere sind aufgerufen zu massivem zivilem Ungehorsam. So wird sich die Anklagebank füllen und die Bundesregierung gezwungen zu reagieren.
Die Aktionen in Berlin werden auch Gelegenheit geben, die Resultate aus dem Flüchtlingskongress von Jena im April letzten Jahres Revue passieren zu lassen und Bilanz zu ziehen, wie weit die Beschlüsse umgesetzt werden konnten. Der Kampf geht also weiter.

Venant Adoville Saague

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