Sozialistische Zeitung |
Das Treffen hätte auch Thema einer der täglichen TV-Talkshows sein können: Ehemaliger
Straßenkämpfer und Vietnamkriegsgegner trifft ehemaligen Vietnam-Kommandeur. Doch als sich letzte Woche zwei solcher Veteranen in Washington
trafen Colin Powell und Joseph Fischer, beide Außenminister ihres Landes war von Talkshow-Atmosphäre nichts zu spüren. Man
gab sich professionell und diplomatisch, erörterte die Lage, bekräftigte den Willen zu guter Zusammenarbeit und trat Befürchtungen entgegen.
Trotzdem verursachte die Begegnung in Deutschland einigen Wirbel: "Wir haben die USA nicht zu kritisieren", hatte Fischer der US-Regierung in Bezug
auf die neuerliche Bombardierung des Irak gesagt. Doch damit traf er die Stimmung in Deutschland, diplomatisch gesprochen, nur teilweise: "Militärische
Alleingänge wie der vom letzten Freitag nähren nur den Verdacht, die USA wollten ohne neue politische Konzepte nur als einzig
verbliebene Weltmacht Stärke und Entschlossenheit demonstrieren. Und mit dem Irak möglicherweise ein letztes Bedrohungspotenzial am Leben
erhalten, um die einseitige Entwicklung eines Raketenabwehrschirms zu rechtfertigen."
Das hatte niemand anderes als der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel
geäußert und die Hoffnung ausgedrückt, dass Fischer in Washington das den amerikanischen Partnern auch sagen werde. Doch vergeblich: Fischer
hat Kinkel längst rechts überholt. In der grünen Parteizentrale liefen die Telefone heiß. Trotz Kosovokrieg und EU-Aufrüstung sehen
sich viele Grüne noch immer als, wenn auch nicht pazifistisch, so doch irgendwie friedliebend. Deshalb sind sie gegen Krieg jedenfalls gegen den Krieg
der anderen.
Mal nüchtern betrachtet und alle moralische Empörung beiseite gelassen zeigen sich an
Fischers Politik und der Kritik daran, der parteiinternen wie der von Union und FDP, zwei Seiten der gleichen imperialistischen Politik. Die eine
Richtung, diesmal vertreten von Fischer, aber auch Volker Rühe, um einen Unionspolitiker zu nennen, will, dass Deutschlands Macht und Einfluss
größer wird, und setzt deshalb auf die Europäische Union, da sie weiß, dass ein deutscher Alleingang keine Chancen auf Erfolg hätte.
In einer Angelegenheit aber, in der die USA sich engagieren und Europa nicht, also etwa im Fall Irak, ziehen sie es vor, sich nicht einzumischen und unnötigen
Streit zu vermeiden. Die andere Richtung, zu der viele der jetzt ach so empörten Grünen gehören, will ebenfalls Deutschlands Macht und Einfluss
mehren, versichert aber ständig, dass das deshalb nötig sei, damit die "guten" Deutschen oder Europäer die "bösen"
USA bremsen können.
Beide Positionen treten in unterschiedlichen Variationen auf, so bei der Diskussion um den atomaren
Erstschlag der NATO, um die Uranmunition oder die amerikanische Raketenabwehr, und dürften dem Publikum noch eine Weile erhalten bleiben. Virtuose
Spieler wie Fischer nehmen dabei mal die eine, mal die andere Rolle ein. Dabei hat Fischer einige seiner ParteifreundInnen diesmal überfordert. Machtpolitik
ohne moralische Absicherung, kein Gut gegen Böse, kein Auschwitz zu verhindern... das sind die Grünen noch nicht gewohnt.
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