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Was ist eigentlich aus den PDS- und DKP-Stadtverordneten geworden, die 2000 in Nordrhein-Westfalen gewählt wurden? Man
erinnert sich: in NRW gilt bei Kommunalwahlen die 5%-Klausel nicht mehr. Das half nicht nur der FDP, sondern erlaubte u.a. der DKP in Bochum die
Rückkehr in den Stadtrat. Zugleich gewann die PDS in mehreren Gemeinden Mandate.
Zu einer Stunde der Wahrheit wird eine solche fast geschenkte Chance deshalb, weil
die Linken dann zeigen können, wie viel sie ohne äußere Behinderung (auf die man sich ja oft gern herausredet) zustande bringen.
In Hessen wird am 18.März gewählt, wieder ohne 5%-Klausel. PDS und DKP
kandidieren in mehreren Orten, aber es handelt sich insgesamt um Ausnahmen. Sie sind in der Fläche nicht präsent. Die Schwäche der Linken
jenseits von SPD und Grünen wird so sichtbar. Eine zu erwartende stärkere Vertretung in Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen
verdankt sich nur dem geänderten Wahlrecht, sie wird keine Verbesserung des realen Kräfteverhältnisses spiegeln.
Die Aufhebung der 5%-Klausel enthält sogar eine Gefahr. An dieser Hürde ist bisher
kaum einmal einen Wahlvorschlag gescheitert, auf den mehr als 4% entfallen waren. Meist blieben linke Listen, wenn sie überhaupt aufgestellt wurden, weit
darunter. Jetzt kann man oft mit ca. 1,5% bereits ein Mandat erhalten. Das heißt, Gruppierungen, die real sehr wenig Gewicht haben, werden gleichsam in die
"offizielle" Politik aufgenommen, haben aber in Wirklichkeit nichts zu bestellen.
Für außerparlamentarisches Handeln werden sie wahrscheinlich nicht mehr Ressourcen
haben, sondern weniger. Sie werden nämlich in der Regel nur ganz wenige Personen in die gewählten Körperschaften entsenden können,
und die Gefahr ist groß, dass sie dort einfach absorbiert werden. Deshalb meine Eingangsfrage nach den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen.
In Hessen gab es in den 70er und 80er Jahren einige "Hochburgen" der DKP: Ahnatal,
Dietzenbach, Gersfeld, Langenselbold, Marburg, Mörfelden, Neuberg, Reinheim. Von ihnen sind nur Mörfelden und Reinheim übrig geblieben. In
Marburg sind die ehemaligen DKP-Stimmen 1997 an die PDS gegangen, die dort 6,2% erzielte. Mörfelden hat noch eine starke kommunistische Fraktion; sie
kooperiert eng mit der PDS. Die DKP-Fraktion in Reinheim zeigt, zumindest aus der Ferne gesehen, noch nicht diese Tendenz.
Neu ist 2001, dass sich das Verhältnis zwischen DKP und PDS im kommunalen Bereich
entspannt hat. 2000 gab es noch ein arges Gezerre. Dass in Marburg auf Platz 4 der PDS-Stadtverordentenliste ein Kommunist gewählt wurde, sorgte für
ein kleines bundesweites Aufsehen. Heute sind diese Kämpfe wohl ausgestanden. Die DKP-Kreisvorsitzende von Frankfurt am Main steht auf Platz 4 des PDS-
Stadtverordnetenvorschlags. In Marburg führt ein Kommunist die Kreistagsliste an. In Gießen kandidieren DKP-Mitglieder bei der PDS. In Darmstadt gar
gibt es einen Wahlvorschlag "PDS-DKP/Offene Liste". Im Frankfurter Fall ist noch ein bisschen Presselärm und PDS-interner Ärger erzeugt
worden, im Übrigen aber scheint das Problem ausgestanden.
Dafür gibt es mehrere Gründe.
Erstens sind die DKP-Mitglieder auf PDS-Listen selbst dort, wo sie vorn stehen, nicht dominant. Die
Partei des Demokratischen Sozialismus hat in den Orten, die sie jetzt zu "Schwerpunkten" in ihrem Kommunalwahlkampf erklärt hat
Frankfurt am Main, Marburg , in den vergangenen vier Jahren gemeindepolitisch kompetente Mitglieder gewonnen und auch eine ansehnliche Zahl von
örtlich bekannten Parteilosen aufgestellt. Neben ihnen spielen die Kommunist(innen) keine außerordentliche Rolle mehr.
Insbesondere in Frankfurt am Main ist eine hochinteressante Mischung entstanden. Hier sind
ehemalige linke Sozialdemokraten und Genossen aus dem früheren Sozialistischen Büro (z.B. Heiner Halberstadt) für die PDS aktiv.
Zweitens ist das Kräftemessen zwischen beiden Parteien im Westen inzwischen zugunsten der
PDS entschieden. Weichenstellungen gab es schon bei der Kommunalwahl 2000. In Gießen erzielte damals eine organisatorisch gefestigte und
gemeindepolitisch aktive DKP nur 0,4% der Stimmen, während die PDS-Gruppe, die damals (anders als heute) fast nur auf dem Papier bestand, auf Anhieb
1,7% erreichte. Vor vier Jahren hatte die DKP in den sog. alten Bundesländern mehr als zweieinhalbmal so viel Mitglieder (6000) wie die PDS (2500). Heute
stehen beide pari bei etwa 4000, wobei die PDS, anders als die weiter abnehmende DKP, eine Tendenz auf Zunahme hat.
Dass sie dies nicht dazu nutzt, Kommunisten auszugrenzen, dürfte darauf
zurückzuführen sein, dass sie mancherorts dadurch auf eine Unterstützung verzichten müsste, ohne die ihr insbesondere die Beinarbeit im
Wahlkampf teils schwer fiele, teils sogar unmöglich wäre.
Dass man sich im Karl-Liebknecht-Haus über die neuen Entwicklungen offenbar nicht mehr
sehr aufregt, könnte darauf hindeuten, dass man dort den Westen ohnehin für den Parteiaufbau verloren gegeben hat. Vielleicht stimmt das aber nicht,
sondern die neue Gelassenheit ist ein Zeichen von frisch erworbener Vernunft.
Nachdem die Formalien erledigt sind, gewinnen die kommunalpolitischen Inhalte die
Aufmerksamkeit, die ihnen zukommt.
Erfreulicherweise zeigt sich ein gewisses Maß an Koordination zwischen den zentralen
Forderungen der PDS-Wahlprogramme, insbesondere in den Schwerpunkten Frankfurt am Main und Marburg. Hier macht sich bemerkbar, dass der Spitzenkandidat
für den Römer, Eberhard Dähne (er kandidiert auch zum Oberbürgermeister), ein kommunalpolitisch sehr erfahrener Mensch ist.
19721978 war er Stadtverordneter in Marburg. Bei der Erstellung des dortigen Kreistagsprogramms für 2001 war er seit 2000 beratend tätig. Die
"PDS-DKP/Offene Liste" in Darmstadt nennt ihn als Referenten für eine Wahlkampfveranstaltung.
Eine Gemeinsamkeit der vorliegenden Programme besteht in dem Versucht, näher zu
bestimmen, worin eine linke kommunalpolitische Defensive angesichts der auch vor Ort wirksamen neoliberalen Offensive bestehen kann. Dafür drei Beispiele:
1. Der Hinweis, es bestehe ein Unterschied zwischen privatkapitalistischem Reichtum und
öffentlicher Armut, und außerdem seien Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden falsch verteilt er ist zwar
allemal richtig, aber operativ nicht wirksam. Zugleich müssen Bereiche genannt werden, die auf keinen Fall dem Spardiktat zum Opfer fallen dürfen.
Dazu gehören z.B. die dezentralen Grundschulen dort, wo sie noch bestehen und wo sie unter dem Hinweis auf sinkende Kinderzahl zur Disposition gestellt
werden sollen.
2. Dass der öffentliche Personennahverkehr gestärkt werden soll, ist gegenwärtig
eine ebenso zutreffende wie folgenlose Bemerkung. Die Investitionen, die übermorgen hier getätigt werden, könnten aber heute schon dadurch
vorbereitet (und erleichtert werden), dass der Ausverkauf von Gleiskörpern, die man künftig wieder braucht, verhindert wird.
3. Zurzeit ist die Auflösung oder Verkleinerung von Bundeswehrstandorten ein heißes
Thema. Eine pazifistische und sozialistische Partei muss sie keineswegs gutheißen; sie kann stattdessen klar machen, dass es sich dabei nicht um eine
Abrüstungs- oder Sparmaßnahme handelt, sondern um die Vorbereitung künftiger Angriffskriege durch Umrüstung.
Dies ist sozusagen das kommunalpolitische Eingemachte. Daneben gibt es Beiwerk.
Hierzu gehört ein vom Landesverband der hessischen PDS verbreitetes Flugblatt mit der
Forderung "Haschisch an die Schule". Wenn sich der Radau, den die Affäre verursachte, gelegt hat, wird sich zeigen, dass es sich im Kern
wenngleich medial aufgemotzt um das Konzept einer realistischen Drogenpolitik handelt, für die der sog. "Frankfurter Weg" ein Ansatz ist.
Und dann gibt es noch die Sache mit Jutta Ditfurth. Sie kandidiert in Frankfurt an der Spitze einer
Liste der "Ökologischen Linken" (Ökolinx), die auch eine eigene Oberbürgermeisterin-Kandidatin aufgestellt hat. Im Wahlkampf hat
man von ihr bisher nur Angriffe auf die PDS gehört, die sie als rassistisch bezeichnet. Auf Nachfragen wird behauptet, dass deren Frankfurter Kandidat(inn)en
sich von entsprechenden Erscheinungen in ostdeutschen Landesverbänden nicht ausreichend distanzierten.
Jetzt mag es ja sein, dass sich die derart Angegriffenen zur Zeit fast ausschließlich um
örtliche Probleme kümmern und ihnen deshalb der kritische Blick nach Sachsen und Brandenburg abhanden gekommen ist. Jutta Ditfurth hat aber das
umgekehrte Problem: in ihrem Versuch, die Heiden östlich der Elbe zu bekehren und Ketzer am Main zu entdecken, hat sie noch kein einziges Frankfurter
Kommunalproblem aufgegriffen.
In den Römer kommt sie wohl trotzdem, denn auch ihr wird der Wegfall der 5%-Klausel
nützen. In der Stadtverordnetenversammlung wird sie Eberhard Dähne treffen. Vielleicht raufen die beiden sich dort ja noch zusammen.
Georg Fülberth
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