Sozialistische Zeitung |
Wieder einmal liefern sich in Südkorea streikende Arbeiter mit der Polizei Straßenschlachten. Den Anfang machte ein
Sturm von 4000 Bereitschaftspolizisten auf das Werksgelände von Daewoo Motors in der Hafenstadt Inchon, westlich der Hauptstadt Seoul. Schweres
Räumgerät wurde eingesetzt, um Mauern zu durchbrechen, und einmal auf dem Gelände, wurden zahlreiche Arbeiter brutal zusammengeschlagen.
Während der Auseinandersetzungen ging eines der Fließbänder in Flammen auf. 76 Gewerkschafter wurden festgenommen, gegen 7 ein Haftbefehl
erlassen. 27 weitere werden per Haftbefehl gesucht.
Das alles, um einen Sitzstreik von ca. 600 Arbeitern und ihren Angehörigen aufzulösen.
In den nachfolgenden Tagen antwortete ein Teil der betroffenen Daewoo-Arbeiter mit Demonstrationen auf den Überfall. Am Dienstag versuchten 2000 von
ihnen, sich mit Stahlrohren und Molotow-Cocktails den Weg zum Werk freizukämpfen. Zwei Polizeifahrzeuge brannten.
Ostasiatische Folklore in einer neoliberalen Welt, in der immer mehr einst kämpferische
Gewerkschaften ihren Frieden mit dem Kapital machen? Ja und nein. Wenn es sich um Folklore handeln sollte, dann zumindest um eine äußerst vitale,
keineswegs inhaltslose, die den Bezug zu Gegenwart und Zukunft noch nicht verloren hat.
Dennoch ist es ein Rückzugsgefecht, was die Arbeiter des Automobilherstellers Daewoo
Motors gerade ausfechten, und die Kämpfe sind Teil der Umbrüche, mit denen die südkoreanische demokratische Gewerkschaftsbewegung, die
einst den Sturz der Diktatur erkämpft hat, konfrontiert ist.
Zwei Dinge treffen derzeit bei Daewoo Motors zusammen: Auf der einen Seite die weltweit
nachlassende Autokonjunktur, die in den USA bereits zum massiven Abbau von Arbeitsplätzen, u.a. bei DaimlerChrysler, geführt hat und die in den
letzten Jahren aufgebauten Überkapazitäten offensichtlich werden lässt. Auf der anderen Seite die Umstrukturierung der südkoreanischen
Wirtschaft, der Abschied vom spezifischen Entwicklungsmodell des asiatischen Tigers, dessen Unternehmensstrukturen nach dem Willen der Regierung nun mit aller
Gewalt den Bedingungen des Weltmarktes angepasst werden sollen.
Bis zum Sommer 1999 gehörte Daewoo Motors zum zweitgrößten Chaebol
(Konglomerat) des Landes, zur Daewoo-Gruppe, die Ende der 60er aus einem Importhandel entstanden war und zwischenzeitlich mit massiver staatlicher Hilfe zu
einem Industriekonglomerat anwuchs, dass sich auf fast allen Gebieten engagierte. Im Sommer 1999 führte die massive Überschuldung, die weite Teile
der Wirtschaft plagt, zum Zusammenbruch der Gruppe. Wie später bekannt wurde, hatte auch eine ganz ordinäre Fälschung der Bücher nicht
unwesentlichen Anteil an der Implosion des Konzerns. Jahrelang waren Kredite unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eingeworben worden. Mehrere ehemalige
Vorstandsmitglieder sitzen deswegen inzwischen in Haft.
Daewoo Motors wurde seinerzeit ausgegliedert und international zum Verkauf angeboten, weil die
Automobilproduktion als rentabel galt. Den Gläubigerbanken sagte die Regierung Entschädigung aus dem Verkaufserlös zu. Zu den Bietern
gehörte im letzten Jahr alles, was in der Branche international Rang und Namen hat, u.a. auch DaimlerChrysler. In der zweiten Jahreshälfte 2000 gab es
exklusive Gespräche mit Ford, der die anderen Bieter aus dem Feld geschlagen hatte, dann jedoch im November einen Rückzieher machte. Wenige Tage
später brach der Automobilhersteller unter der Schuldenlast zusammen und musste Konkurs anmelden. Die 17000 inländischen Arbeiter waren zu diesem
Zeitpunkt bereits zwei Monate ohne Lohn.
Seit dem Konkurs befindet sich Daewoo Motors unter staatlicher Zwangsverwaltung und führt
wieder Gespräche mit General Motors und dessen italienischem Partner Fiat. Die scheinen allerdings eher schleppend voran zu gehen, auch wenn
südkoreanische Zeitungen zuletzt bemüht waren, Optimismus zu verbreiten.
Offensichtlich scheint man bei GM weniger daran interessiert, Produktionskapazitäten zu
übernehmen, als solche zu schließen. Angesichts der harten Konkurrenz und existierender Überkapazitäten dürfte für den
großen Amerikaner vor allem der Markenname von Bedeutung sein, der auf dem immer noch nationalistischsten aller Märkte von nicht geringem Wert
sein dürfte. Außerdem wäre Daewoo ein gute Basis für Expansion in einer aufstrebenden Region, nicht zuletzt im Hinblick auf das rasche
Wachstum in China.
Doch zunächst müssen dafür Belegschaften abgebaut werden, denn die sind nicht
nur teuer, sondern haben in Südkorea auch den entscheidenden Nachteil, dass sie gut organisiert und kampferfahren sind. Das ganze letzte Jahr über kam
es bei Daewoo Motors zu Streiks gegen den geplanten Verkauf an einen ausländischen Konzern. Mehrfach schlossen sich auch die Arbeiter anderer
Autohersteller den Aktionen an. Die Gewerkschaften, die dem kämpferischen Dachverband KCTU angehören, lehnen den Verkauf ins Ausland strikt ab,
nicht zu etzt, weil man davon ausgeht, dass die internationale Konkurrenz wenig Interesse am Erhalt der Standorte in Südkorea haben wird. Statt dessen wird
vielfach die Forderung nach Verstaatlichung vertreten.
Ende November, kurz nach dem Konkurs angemeldet worden war, gab die Betriebsgewerkschaft
schließlich dem massiven Druck nach und stimmte Verhandlungen über Arbeitsplatzabbau zu. Mehrere tausend Arbeiter haben sich seit dem abfinden
lassen.
Das Ende der Fahnenstange war für die Gewerkschafter allerdings erreicht, als die
Unternehmensleitung, der das alles offenbar nicht schnell genug ging, Anfang Februar zusätzlich 1700 Beschäftigte auf die Straße setzen wollte.
Die Auseinandersetzungen hielten bei Redaktionsschluss noch an.
Wolfgang Pomrehn
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