Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 15.03.2001, Seite 1

NATO-Überfall auf Jugoslawien

Die Wahrheit offenlegen

Am 24.März 1999 starten im italienischen Piacenza deutsche Kampfjets gegen Jugoslawien. Es ist der erste Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg — ein Tabubruch. Kanzler Schröder erklärt im Fernsehen: "Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen."
Von Anfang an schlug die NATO auch eine große Propagandaschlacht. Der deutsche Bundeskanzler, sein Außenminister Fischer und "Verteidigungs"minister Scharping erwiesen sich als Meister auf diesem Feld. Natürlich war es ein Krieg, den die NATO 78 Tage lang gegen Jugoslawien führte, und keine humanitäre Intervention oder begrenzte Luftoperationen, wie es beruhigend in offiziellen Verlautbarungen hieß.
Und es war ein schmutziger Krieg. Teil der Kriegsführung war der Einsatz von sog. DU- Munition. Erst am 21.3.2000 gab die NATO zu, 31000 solcher urangehärteten Projektile mit rund 10 Tonnen abgereichertem Uran im Krieg gegen Jugoslawien verschossen zu haben. Inzwischen wurde bekannt, dass die Munition außerdem mit dem hochgiftigen Plutonium verseucht war. Bei den eingesetzten NATO- Soldaten gibt es bereits zahlreiche Krankheits- und Todesfälle. Über den Schutz der Menschen im Kosovo, in Serbien und Montenegro wird gar nicht geredet.
Große Mengen nicht explodierter Geschosse wurden bei tausenden von NATO-Angriffen im ganzen Land zurückgelassen, die die Zivilbevölkerung noch viele Jahre bedrohen werden. Experten sprechen allein von 30000 Kassettenbomben, die bei Berührung rasiermesserscharfe Metallsplitter freisetzen und in einem Umkreis von 11 Metern jedes menschliche Leben auslöschen.
Die NATO hat zielgerichtet praktisch die gesamte Industrie Jugoslawiens zerbombt. 18 Eisenbahn- und 41 Straßenbrücken wurden zerstört. Die Bombardierung von Elektrizitätswerken und Transformatoren, von Chemiefabriken und Öltanks hat unzählige Giftstoffe in die Luft geblasen, die Flüsse mit Öl und Chemikalien verseucht. Die Zerstörung von Wasserwerken, Pumpstationen und Aufbereitungsanlagen hat zu einer Wasserknappheit in jugoslawischen Städten geführt. Die NATO hat bei ihrem Zerstörungswerk ganze Arbeit geleistet. Jugoslawien wurde um Jahrzehnte zurückgebombt.
Gerechtfertigt wurde all das mit der "notwendigen Abwehr einer humanitären Katastrophe". Aber gab es diese Katastrophe wirklich schon vor dem Angriff der NATO? In der WDR-Dokumentation "Es begann mit einer Lüge" erklärte Norma Brown, enge Mitarbeiterin von OSZE-Chef William Walker: "Die humanitäre Katastrophe im Kosovo gab es erst durch die NATO-Luftangriffe. Dass diese die Katastrophe auslösen würden, wussten alle bei der NATO, der OSZE und bei unserer Beobachtergruppe."
Als Begründung für die Zustimmung zum NATO-Krieg diente deutschen Politikern v.a. das angebliche serbische Massaker in Racak. Der Expertenbericht einer finnischen Expertenkommission, die im Frühjahr 1999 von der EU eingesetzt wurde, kommt nun zum Ergebnis: Die Beweise für eine Massenhinrichtung albanischer Zivilisten durch serbische Sicherheitskräfte gibt es nicht (Berliner Zeitung, 17.1.2001).
Der ehemalige General der Bundeswehr Heinz Loquai war als militärischer Berater bei der OSZE in Wien. In seinem Buch Der Kosovo-Konflikt. Wege in einen vermeidbaren Krieg entlarvt er eine zentrale Kriegslüge aus dem Hause Scharping. Mit der Präsentation des sog. Hufeisenplans wollte der Verteidigungsminister beweisen, dass die systematische Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo bereits im Dezember 1998 in Belgrad geplant worden sei. Nur: der Plan existierte gar nicht. Er wurde erst in den Büros des deutschen "Verteidigungs"ministeriums fabriziert.
Rudolf Scharping war es, der sich immer wieder als besonderer Scharfmacher bei der Begründung des NATO-Kriegs entpuppte. Gleich zu Beginn des Krieges verbreitete er die Legende von tausenden Menschen, die im Stadion von Prishtina von serbischen Militärs gefangengehalten wurden. Er nannte es ein Konzentrationslager und fügte hinzu: "Ich sage bewusst KZ." Aber er hat auch damit gelogen: Es gab kein KZ in Prishtina.
Von Schröder, Scharping und Fischer liegt bis heute keine Entschuldigung für ihre damaligen haarsträubenden Lügen vor. Und die breite Öffentlichkeit scheint längst zur Normalität zurückgekehrt zu sein. Alles nur Schnee von gestern?
Nein! In einem Vortrag hat der inzwischen gefeuerte Bundeswehr-General Loquai erklärt: "Die These, die Wahrheit sei das erste Opfer im Krieg, ist falsch. Die Wahrheit wird schon vor dem Krieg umgebracht, sonst würde es gar nicht zum Krieg kommen. Die Wahrheit wird auch nach dem Krieg gemeuchelt, um ihn zu rechtfertigen. Kriege für die Zukunft schwieriger zu machen, die Schwelle für den Eintritt in einen Krieg höher zu setzen, erfordert, die Wahrheit über die Entwicklung zum Krieg offen zu legen."
Zu diesen unbequemen Wahrheiten gehört auch, dass westliche Militärs und Politiker alles daran setzen, ihre Armeen noch besser für künftige Kriege nach dem Schema des Aggressionskriegs gegen Jugoslawien umzurüsten.
Im Frühjahr 1999 hat sich die NATO zum Interventionsbündnis erklärt, das künftig auch ohne Zustimmung der UNO dort militärisch zuschlagen will, wo eigene Interessen, z.B. Rohstoffquellen und Handelswege, bedroht scheinen. Die Europäische Union wird zum Militärbündnis ausgebaut, das gegebenenfalls auch ohne die NATO in Europa, in Nordafrika oder im Nahen Osten Krieg führen soll.
Und die Bundeswehr wird mit Zustimmung von SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP zur weltweiten Eingreiftruppe umgebaut, die künftig zwar kleiner, aber mobil und mit Hightechwaffen ausgerüstet, als "hochwirksames Instrument der Außenpolitik" (Generalinspekteur Kujat) dienen soll.
Wir wissen, dass Kriege nicht einfach ausbrechen, sondern systematisch geplant und vorbereitet werden. Daher wenden wir uns gegen die Militarisierung der EU, gegen das Interventionsbündnis NATO und gegen den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweiten Eingreiftruppe.
Der Militarisierung der Gesellschaft muss Einhalt geboten werden. Deshalb sind wir gegen die Instrumentalisierung des zivilen Gesundheitswesens im Interesse der Bundeswehr. Die sog. "Einsatzkräfte" müssen aufgelöst werden. Das gilt insbesondere für das "Kommando Spezialkräfte" in Calw.
Und nicht zuletzt muss die ganze Wahrheit über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien endlich auf den Tisch. Die Verantwortlichen für diesen Völkerrechtsbruch — auch in der deutschen Regierung — müssen zur Verantwortung gezogen werden.

Friedensbündnis Karlsruhe

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