Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.06 vom 15.03.2001, Seite 6

Bündnis für Arbeit

2:0 für die Unternehmer

Als am 4.März abends die Presseerklärungen des Bündnisses für Arbeit rausgingen, stellten die Unternehmer einen "2:0-Sieg" für sich fest. Schröder mochte die Gewerkschaften nicht so deutlich abwatschen und wollte den Erfolg für alle, vor allem aber für die Regierungspolitik beanspruchen. Das Ergebnis ist derart, dass sich Kritiker der Bündnis-Gespräche erneut bestätigt fühlen müssen. Leider bewahrheiten sich alle Warnungen der Linken, dass hier die eigentlich Betroffenen, nämlich die Erwerbslosen und abhängig Beschäftigten, für die sozialdemokratische Variante der neoliberalen Politik über den Tisch gezogen werden.
Das leidige Spiel mit verteilten Rollen begann im Winter, als IG-Metall-Chef Zwickel merkte, dass die Unruhe unter seinen Mitgliedern wegen der erfolglosen Debatten zunahm. Die Arbeitgeber hätten den Wirtschaftsaufschwung und die moderate Lohnpolitik der IGM nicht zu mehr Einstellungen und damit zum Abbau der Arbeitslosigkeit genutzt, polterte er. Da müsse bei den nächsten Bündnisgesprächen Klartext geredet werden.
Deshalb legte die IGM nochmal nach und redete von einer reinen Lohnrunde für das nächste Jahr, die endlich wieder die Einkommen der Beschäftigten massiv erhöhen müsse, wenn Arbeitsplätze nicht geschaffen würden.
Im Gegensatz zu Zwickel eröffnete IGBCE-Chef Schmoldt eine andere Front: Seiner Meinung nach stand als Wichtigstes die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen auf der Tagesordnung, hieran erweise sich die "Glaubwürdigkeit" der Gewerkschaften.
Beide Gewerkschaften wollten allerdings auf der Basis der Rentenreform die zusätzliche betriebliche Alterssicherung zum Thema im Bündnis machen. Hier verfolgen die Gewerkschaften insbesondere Pläne, sich an Rentenfonds aktiv zu beteiligen. Der Volkswagen-Konzern war bei dieser Umstellung der betrieblichen Altersversorgung vorgeprescht.
Inzwischen waren auch die neuen Überstundenzahlen bekannt geworden: hier wurde ein Höchststand der letzten Jahre erreicht. Die Zahl der Erwerbslosen hingegen hat vor allem in den neuen Ländern wieder zugenommen, während gleichzeitig die Produktivität gestiegen ist. Die IG Metall verlangte deshalb, konkrete Ziele beim Abbau der Überstunden und der Umwandlung in neue Arbeitsplätze zu vereinbaren; das stieß allerdings auf den scharfen Widerspruch der Unternehmer.
Regierung und Arbeitgeber hingegen wollten in erster Linie über "Qualifizierung" diskutieren, wobei hier die Weiterbildung älterer Beschäftigter gemeint war. Der Widerspruch, dass einerseits "Greencards" ausgestellt, andererseits Ingenieure und IT-Fachleute über vierzig als arbeitslos geführt werden, konnte nicht ignoriert werden.
Weil es schon im Vorfeld Streit zwischen Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften darum gab, ob die Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BVG) ebenfalls auf den Tisch des Bündnis für Arbeit gehört, machte sich Unmut in den Gewerkschaften breit. Schließlich konnte der Riester-Entwurf für ein neues Betriebsverfassungsgesetz nur verwässert werden, wenn er erst einmal in den Bündnisgesprächen verhandelt wurde.
Hinzu kam, dass trotz massiver Propaganda in den Gewerkschaftszeitungen nicht alle Betroffenen die Verschlechterungen bei der Rentenversicherung als vernünftige "Reform" bejubeln wollten.
Somit stand ein bunter Strauss von widersprüchlichen Vorstellungen auf der Tagesordnung. Aber die Niederlage der Beschäftigten bei der Rentenreform und bei den BVG-Änderungen konnten sowieso nicht mehr rückgängig gemacht werden, selbst wenn der DGB das überhaupt gewollt hätte. Das Einknicken insbesondere von Schulte, Schmoldt und Zwickel bei der Abschaffung der paritätisch finanzierten Alterssicherung warf ein beunruhigendes Licht auf die kommenden Gespräche im Bündnis für Arbeit.
Das Ergebnis ist eine klare Niederlage. Die Arbeitgeber behaupten, sie hätten "2:0" gesiegt, und das Ergebnis sieht auch so aus. In der wichtigen Frage des Abbaus der Überstunden — auf diesem Wege könnten unmittelbar Erwerbslose eingestellt werden — gab es keine Festlegung. Eine gesetzliche Regelung wird es nicht geben.
Das andere Tor schossen die Unternehmen in der Sache der kommenden Tarifrunde. Die Frage der Qualifizierung und die Regelungen für Betriebsrenten sollen hier mit eingebunden werden. Die Forderungen nach höheren Löhnen werden auf diese Weise mit vielen anderen Punkten verbunden mit der Folge, dass erneut Prozente für andere Zwecke als für Lohnerhöhungen angerechnet werden. Auch die Frage der Überstunden soll damit verbunden werden.
Die Arbeitgeberseite erreichte damit, dass die Gewerkschaften in dieser Runde keines ihrer erklärten Ziele erreicht haben. Im Gegenteil: Die kommende Tarifrunde ist erneut mit allen Themen aufgeladen, so dass die Kolleginnen und Kollegen kaum wissen können, für was die Gewerkschaft nun streitet.
Hinzu kommt, dass die Frage der Überstunden mithilfe von Arbeitszeitkorridoren, Jahresarbeitszeiten und der Schaffung von Langzeit- oder sogar Lebensarbeitszeitkonten geregelt werden soll. Damit ist der weiteren Flexibilisierung ein zusätzliches Tor geöffnet worden. Völlig zu Recht merkte IGM-Chef Zwickel an, dass auf diese Art Überstunden nicht vermieden, sondern nur besser verteilt werden.
Schröder sammelte alle Pluspunkte für sich ein — der Abbau der Arbeitslosigkeit sei auf die Politik der Regierung, aber auch auf die Wirkung des Bündnisses für Arbeit zurückzuführen. Die zurückhaltende Lohnpolitik der Gewerkschaften lobte er dabei auch. Dass er einen Tag später seine Prognose von "unter 3 Millionen Arbeitslosen" von 2002 auf das Jahr 2005 verschob, tat seiner Einschätzung offenbar keinen Abbruch — er sei missverstanden worden, behauptete er hinterher. Das Entscheidende kann man nur zwischen den Zeilen lesen: In der nächsten Legislaturperiode sollen die Bündnis-Gespräche einen Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung in Richtung auf einen höheren privaten Anteil der Beschäftigten auf den Weg bringen, wie es bei der Rentenreform schon gelungen ist. Das sind genau die Gründe, warum die Gewerkschaften diese Veranstaltung schnellstens verlassen sollten.

Rolf Euler

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