Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.07 vom 29.03.2001, Seite 11

Erwerbslose in Europa

Vorhaben für 2001

Das auf der Europäischen Erwerbslosenversammlung in Paris gebildete Sekretariat ist Mitte Februar erstmals zusammengetreten und hat sich für das Jahr 2001 auf folgende Arbeitsschwerpunkte verständigt:

1. Die Grundrechtecharta

Sie wurde nicht in den Vertrag von Nizza aufgenommen, aber es ist auch kein Verfahren vorgesehen, ihren Inhalt nachzubessern. Dafür werden alle Hebel in Gang gesetzt, sie zur Präambel einer europäischen Verfassung zu machen. In Laeken/Brüssel soll darüber entschieden werden.
Die Erwerbslosenversammlung möge mit folgenden Forderungen im Dezember in Brüssel anlässlich des EU-Gipfels auftreten:

1. Der Rat soll feststellen:
das Recht auf soziale Leistungen, das in den nationalenGesetzgebungen enthalten ist, wurde nicht in die Grundrechtecharta aufgenommen;
dies kann bedeuten, dass dieses Recht verschwindet;
dies ist ein Risiko, das sich die EU im neuen Wettbewerbsrahmen der Eurozone nicht erlauben kann.
Deshalb muss ein Prozess in Gang gesetzt werden, der solche Rechte in die Charta integriert, damit die vorhersehbaren Risiken einer beschleunigten Armutsspirale vermieden werden.

2. Die Präambel einer europäischen Verfassung muss zuallererst den "Grundsatz der Verbesserung der Lebens- undArbeitsverhältnisse und deren Angleichung nach oben" enthalten. Dieser Grundsatz aus den Römischen Verträgen (Art.117) ist von der Forderung nach Wettbewerbsfähigkeit in der Einheitsakte (1986) und dem Vertrag von Maastricht (1992), sowie denVerträgen von Amsterdam und Nizza verdrängt worden.
Nur auf der Grundlage der klaren und uneingeschränkten Bekräftigung dieses Grundsatzes kann die Forderung des Netzwerks der Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und Ausgrenzung nach einem europaweiten garantierten, existenzsichernden Mindesteinkommen berücksichtigt werden, das in Abhängigkeit von dem in jedem Land erwirtschafteten Reichtum eine untere Einkommensgrenze fixiert, unter die niemand fallen darf. Die Europäischen Märsche haben diese Einkommensgrenze auf 50% des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf festgelegt.

2. Der Euro

In weniger als einem Jahr stellen 12 von 15 Ländern der EU ihre Landeswährung auf den Euro um. Für die Erwerbslosen und prekär Beschäftigten bedeutet das: Wenn man am Rand des Existenzminimums lebt, kann der kleinste Umrechnungsfehler fatale Folgen haben.
Der Euro ist nicht mehr aufzuhalten. Aber die Umstellung "im Schweinsgalopp" (innerhalb von nur zwei Monaten) muss zumAnlass genommen werden, die hinter der EU von Maastricht, Amsterdam und Nizza stehende neoliberale Logik aufzuzeigen. Der Übergang zum Euro wird dutzenden Millionen Menschen bewusst machen, was die EU wirklich ist. Gerade jetzt kommt es darauf an aufzuzeigen, dass ein anderes Europa möglich ist. Deshalb sollen u.a. die Vorbereitungen zu einer europäischen Verfassung aus nächster Nähe verfolgt und alles getan werden, damit die Forderung nach einem sozialen und demokratischen Europa sich in der Debatte darum Gehör verschaffen kann.

3. Ungeschützte Beschäftigung

Während die Regierungschefs der EU Erfolge in der Zurückdrängung der Massenerwerbslosigkeit behaupten — Erfolge, die durchaus widersprüchlich und anfechtbar sind — nehmen die Billigjobs überall massiv zu. In Lutterbach wurde eine Arbeitsmethode entwickelt, die erlauben soll, eine Übersicht über die ungeschützte Beschäftigung in Europa (mindestens in den Ländern, in denen wir präsent sind) zu erreichen. Dafür sollen bestehende Studien (von Regierungen, Gewerkschaften, Verbänden, Wissenschaftlern...) zusammentragen und entlang eines Fragekatalogs ausgewertet werden. Das Ziel ist, bis Ende November in allen Sprachen der Erwerbslosenversammlung ein Dokument vorzulegen, das der Vorbereitung derVersammlung dient.
Die nächste Erwerbslosenversammlung ist für den 12. und 13.Dezember in Brüssel vorgesehen; angestrebt sind 400 Teilnehmende. Europäische Gewerkschaften und Netzwerke sollen eingeladen werden.
Anlässlich des Gipfeltreffens in Gent und Lüttich am 18. und 19.Oktober wird erwogen, einen weiteren europäischen Aktionstag durchzuführen, zumal er mit dem Weltarmutstag am 17.Oktober zusammenfallen würde.

Angela Klein

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