Sozialistische Zeitung |
Ende April veröffentlichte die Regierung in Berlin den ersten regierungsamtlichen "Armuts- und Reichtumsbericht"
für Deutschland. Seit Jahren schon fordern insbesondere Sozialverbände und Kirchen, die selber schon mehrmals Armutsberichte vorgelegt haben, eine
Einbeziehung des Reichtums in die Untersuchungen zur Armut. Die "rot-grüne" Regierung hatte dies zu Beginn ihrer Tätigkeit zugesagt. Arbeits-
und Sozialminister Walter Riester legte nun einen Bericht vor, der allerdings nur die Verhältnisse bis 1998 betrachtet also ohne die Regierungszeit von
Schröder.
Dem Bericht zufolge bezieht fast jeder dritte Haushalt ein Einkommen, das geringer ist als die Hälfte
des Durchschnittseinkommens: Erst durch staatliche Maßnahmen, sog. Transfereinkommen wie Sozialhilfe oder Arbeitslosenunterstützung, erreicht ein Teil
dieser Haushalte eine höhere Einkommensgruppe. Arbeitslosigkeit und Kinderreichtum: Armutsrisiken erster Klasse in einem reichen Land.
Gleichzeitig gab es 1995 in Deutschland rund 13000 Einkommensmillionäre. Die
"Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen" sind in den letzten neun Jahren allein um rund 40% gestiegen, deren Nettoeinkommen
sogar noch stärker um 43%. Die Einkommen der Arbeitnehmer stiegen dagegen brutto um 25%, netto nur um 12,5% eine Folge der Steuer- und
Abgabenbelastung der abhängig Beschäftigten und eine Folge der Umverteilung durch steuerpolitische Maßnahmen der Kohl-Regierung.
Natürlich ist nicht alles nur eine Verteilungsfrage, die sich durch eine stetige Neuverteilung
z.B. über Besteuerung und Transfer ändern ließe. Wenn über Einkommen und Vermögen geredet wird, sollte über die
Produktion des Reichtums wer ihn erarbeitet, woher die Zinsen und Geldvermögen stammen nicht geschwiegen werden. Darüber ist aber in
dem Bericht nicht die Rede die Regierung Schröder hat im Gegenteil das Vorwort als Lobhudelei auf ihre Politik angelegt.
Wenn Riesters Bericht hauptsächlich die Regierungszeit Kohls umfasst, lässt sich daran
zeigen, wie Steuerpolitik und Wirtschaftspolitik die Einkommens- und Vermögensverteilung beeinflussen. Sinkenden Steuer- und Abgabensätzen bei
Unternehmen stehen höhere Abgaben der abhängig Beschäftigten gegenüber, die Übernahme der DDR gehört ebenfalls in die
Bereicherungsgeschichte.
Die Umverteilung von unten nach oben wird durch eine Senkung der direkten Steuern auf Einkommen und
Vermögen hin zu indirekten Steuern auf den Konsum gefördert. Und die Schulden der öffentlichen Hände, die zu steigenden Zinseinnahmen der
Privaten (dazu gehören natürlich auch Banken und Unternehmer) führen, dürfen ebenfalls nicht vergessen werden.
Im Gegensatz zu den Ankündigungen der Regierung im Vorwort der Studie gibt es seit 1998 keinen
Politikwechsel, wie ihn Rot-Grün vor den Wahlen an die Wand gemalt hat. Zu den schärfsten Kritikern des Regierungskurses gehört unter anderem die
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (Memo-Gruppe), die in ihrem Alternativen Wirtschaftsgutachten von Ende April mit der Fortsetzung der neoliberalen Politik
durch die Schröder-Regierung abrechnet.
Insbesondere an der Steuerreform wie an der Rentenreform äußern sie zu Recht deutliche
Kritik. Unter der Überschrift "Geschenke an die Finanzkonzerne" schreiben die alternativen Wirtschaftswissenschaftler: "Auf den ersten Blick
scheint sie eine gleichmäßig kräftige Entlastung aller Einkommensschichten zu bringen . Bei genauerer Betrachtung erweist sich die Steuerreform
jedoch vor allem als Projekt, das in besonderer Weise die Reichen und die Unternehmen bevorzugt und somit den Kurs der Umverteilung von unten nach oben fortsetzt.
Denn insbesondere für die unteren Einkommensgruppen werden die steuerlichen Entlastungen weitgehend kompensiert oder sogar überkompensiert durch
verschärften Sozialabbau . Dauerhaft entlastet . werden dagegen die oberen Einkommensgruppen sowie Kapitalgesellschaften . Damit wird die Tendenz zu
wachsender Ungleichheit bei der Einkommens- und noch stärker der Vermögensverteilung nicht gestoppt oder gar korrigiert, sondern fortgesetzt."
Insbesondere die Senkung der Körperschaftsteuer von 45 auf 25% hat "den ruinösen
internationalen Steuerwettbewerb weiter angeheizt", und damit "wurde die Erosion der Steuerbasis und die Verschiebung der Steuerlasten zu Ungunsten der
ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen beschleunigt".
Die Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften führt ab
2002 zu einem Einnahmeausfall des Staates von mehr als 10 Mrd. Mark. Eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist überhaupt nicht vorgesehen.
Die Frankfurter Rundschau schreibt, dass Arbeitsminister Riester auf entsprechende Fragen "ins Schwimmen" kam die naheliegendste Reaktion auf den
Armut-Reichtum-Bericht soll dringend vermieden werden.
Natürlich ist eine andere Verteilungs- und Steuerpolitik nicht die Lösung der Armutsfrage. Das
behaupten auch die alternativen Wirtschaftswissenschaftler nicht, und eine Kritik an der Schröder-Regierung darf nicht dabei enden. Aber erneut wird der Nachweis
durch das Memorandum erbracht, dass zumindest eine andere Politik möglich wäre, die eine fortschrittlichere Regierung betreiben könnte. Die
Besteuerung des Reichtums stünde dann an erster Stelle, nicht das Pflasterkleben bei den Armen.
Rolf Euler
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