Sozialistische Zeitung |
Für wen wohl? Für die natürlich, die schon einmal in der Weimarer Republik "mit ruhigem festen Tritt" als
SA marschieren durften. Die Polizei schloss um die Marschierenden ihre Reihen und versetzte Frankfurt am Main in eine Art Belagerungszustand, um zu verhindern, dass
Gegendemonstranten den marschierenden Neonazis etwas zu Leide tun konnten!
Es war der hessische Verwaltungsgerichtshof, der den Aufzug der Neofaschisten für
verfassungsgemäß erklärte. Etwa 800 kamen aus deutschen Landen in Ost und West. Rund 4000 Polizeikräfte wurden zu ihrem Schutz aufgeboten.
Ebenso viele hatten an diesem 1.Mai ihren Antifaschismus bekundet. Sichtbar trugen einige der Neonazis die 88 auf ihren Bomberjacken. Der 8.Buchstabe im Alphabet ist
ein H, und das zweifache H bedeutet "Heil Hitler". Sollte dies etwa in Deutschland nicht mehr schützenswert sein? Sie skandierten laut und deutlich:
"Deutsche Soldaten Heldentaten!" Das bekundete ihre Gemeinschaft im Geiste mit jener Armee, deren Gräueltaten Weltgeschichte machen
sollten. Die Gegenwehr, an der dies letzten Endes scheiterte, zwang auch Deutschland eine Demokratie auf.
In Berlin hatten Nazigegner keine Chance, den vom Oberverwaltungsgericht genehmigten NPD-Aufzug zu
verhindern. 900 Neonazis wurden von 2000 mit Wasserwerfern, Raumfahrzeugen und Schlagwerkzeugen hochgerüsteten Polizei gegen 300 Gegendemonstranten
geschützt. Das ehemalige RAF-Mitglied und jetzige Nazianwalt Horst Mahler marschierte schwarz gekleidet in ihren Reihen mit. Zwar hatte die Polizei bestimmte
Losungen und Lieder sowie das Tragen von Bomberjacken und Springerstiefeln als Uniform untersagt. Doch die Nazis kümmerten sich nicht um die Auflagen. Die
Polizei sah darüber hinweg. Wenn "Linke" das Vermummungsverbot missachteten, war die Polizei nicht so großzügig gewesen. Ihren
angestauten Frust konnte sie dann allerdings abreagieren, als sie tatkräftig gegen eine 1.Mai-Veranstaltung eingriff, an der 25000 vor allem Familien mit
Kindern teilnahmen!
In Mannheim, wo 3000 Menschen am Vormittag des 1.Mai gegen Neonazis demonstriert hatten, hielten
mehrere hundert Personen aus der autonomen Szene durch eine Sitzblockade den Zug von etwa 300 Faschisten auf. In Dresden trat rund 750 NPD-Anhängern ein
Häuflein von etwa 70 Antifaschisten entgegen. Für Augsburg hatte das Bundesverfassungsgericht (BVG) erst am Morgen des 1.Mai die Demonstration der
Neonazis genehmigt, an der sich 400 beteiligten, denen ebenso viele entgegentraten. Für Essen hoben die Karlsruher Verfassungsrichter ein Demonstrationsverbot
gegen die NPD ebenfalls auf. Das ermöglichte einem 72-jährigen Redner endlich frei seine Meinung zu äußern und zu erklären:
"Wenn Deutschland judenfrei ist, dann brauchen wir kein Auschwitz mehr."
In einer Diskussion der hessischen SPD-Fraktion sagte Verfassungsschutzpräsident Fromm, dass bei
Wahlen Rechtsaußenparteien nur "wenig Chancen" hätten. Allerdings hänge dies auch davon ab, ob erneut eine politische Diskussion
über Themen wie Asyl oder Staatsangehörigkeit angezettelt werde. "Solche Debatten spielen den Rechtsextremen in die Hände." Durch
provokative Aufmärsche wie am 1.Mai versuchten rechte Parteien und Neonaziorganisationen gezielt in die Schlagzeilen zu kommen und sich damit für
Sympathisanten interessant zu machen. Nachdem die NPD sich für Neonazis geöffnet habe, sei ein Verbot dieser Partei wichtig, "um den
Aufmarschveranstaltern die logistische Plattform zu nehmen".
Der SPD-Landtagsvize Gerhard Bökel berief sich auf Studien, nach denen rechtsextreme Straftaten
von bis zu 25% der Bevölkerung gutgeheißen werden. Dies sei auch eine Folge davon, dass das "Ausländerthema" meist unter dem Aspekt
der "Belastung" diskutiert werde.
Warum aber der Ruf nach einem Parteiverbot der NPD, wenn erstens unsicher ist, ob das BVG ihn
erhören wird, was der NPD erheblichen Auftrieb geben würde. Zweitens lassen sich immer neue Namen finden, unter denen die alte Partei wieder aufersteht,
falls sie verboten wird.
Hingegen würde es genügen unter Berufung auf den Artikel 18 Grundgesetz, der umschreibt,
dass derjenige seine Grundrechte verwirkt, der diese öffentlich missbraucht, Demonstrationen der Neonazis wie die vom 1.Mai aufzulösen. Wurde denn nicht
sogar beim KPD-Verbot der schöne Spruch heraufbeschworen, dass demokratische Rechte nur für Demokraten gelten?
Aber die KPD wäre als Regierungsstütze für eine "rechte Mitte" nicht in
Frage gekommen, was für eine rechtsextreme Partei durchaus möglich werden könnte. Das beweisen Haider in Österreich ebenso wie Berlusconi in
Italien. Das läge auch in der politischen Logik des BVG, das alle Demonstrationsverbote gegen die NPD für den 1.Mai aufgehoben hat.
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