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Mary Robinson, die Menschenrechtskommissarin der UNO, blickt voller Hoffnung auf die im Spätsommer geplante
"Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz". Die vom 31.8. bis 7.9.
geplante Großveranstaltung im südafrikanischen Durban habe "das Potenzial, eine der bedeutendsten Versammlungen zu Beginn dieses Jahrhunderts zu
werden".
Vor allem die Empfehlungen des afrikanischen Regionaltreffens in Dakar zur Vorbereitung der
Weltkonferenz haben bereits Wirbel verursacht: Obwohl der gastgebende Präsident Abdoulaye Wade in seiner Eröffnungsrede gemahnt hatte, bei der
"Untersuchung der Probleme Afrikas nicht nur die Geschichte" zu bemühen, forderten die mehreren hundert Teilnehmer aus allen afrikanischen Staaten,
darunter 40 Regierungsdelegationen, Wissenschaftler, Vertreter der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und weiterer Nichtregierungsorganisationen,
einstimmig Entschädigung für Kolonialisierung und Sklaverei. Damit liegt im Genfer Hauptsitz der UNO ein Resolutionsentwurf für die Weltkonferenz
auf dem Tisch, der auch die historische Dimension von Rassismus und Ungleichheit zur Sprache bringt.
Das Papier beziffert zwar keine genaue Summe, schlägt aber als konkreten Schritt einen
Wiedergutmachungsfonds vor, der von Staaten und Firmen gefüllt werden soll, die direkt oder indirekt vom Rassismus profitiert haben. Sie verlangen auch eine
formale Anerkennung der vergangenen Ungerechtigkeit und warnen ausdrücklich davor, dass diese Anerkennung "bedeutungslos" sei, wenn sie nicht mit
einer "expliziten Entschuldigung der ehemaligen Kolonialmächte und ihren Nachfolgern für die Schändungen" einher gehe.
Ablehnung im Westen
Die Forderungen der Afrikaner orientieren sich an der Entschädigung, die Deutschland für jüdische Opfer des Nazi-Regimes und für
ehemalige Zwangsarbeiter zahlen soll. Nach Angaben der Frankfurter Rundschau sehen deshalb deutsche Diplomaten den kommenden Diskussionen in der UN-
Menschenrechtskommission mit "einiger Nervosität entgegen". Eine eindeutige Ablehnung der Ansprüche, so wird befürchtet, könnte
zu Anschuldigungen führen, die Bundesregierung benachteilige die Afrikaner gegenüber Juden und Osteuropäern. Die Antwort aus den USA ist hingegen
deutlich: Man wolle keinen Cent Wiedergutmachung für die Sklaverei zahlen, lediglich eine formale Entschuldigung sei möglich.
Die afrikanischen Delegationen berufen sich mit ihren Forderungen auf die Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte. Die Weltkonferenz sei eine "historische Gelegenheit", die dort verkündeten Werte "zu stärken und
wiederzubeleben". Trotz Überwindung des südafrikanischen Apartheidsystems und den beiden vorhergehenden Konferenzen gegen Rassismus 1978 und
1983 seien die dort formulierten grundlegenden Ziele nicht erreicht worden. Noch immer gebe es Millionen Opfer von unterschiedlichen und weiterentwickelten Formen des
zeitgenössischen Rassismus.
Der Resolutionsentwurf der Dakar-Delegierten umfasst auch die ethnischen Diskriminierungen und
Menschenrechtsverletzungen in Afrika, die u.a. von fehlenden demokratischen Strukturen verursacht seien. Doch die bedeutendsten Faktoren für die Verbreitung von
Konflikten und Instabilität in Afrika seien externe Eingriffe: Ausbeutung der Rohstoffe, Waffenhandel, die ungünstigen internationalen Wirtschaftsbeziehungen
und die Auslandsverschuldung. Die Menschenrechtskommissarin ist ebenfalls der Ansicht, dass sich "der Rassismus u.a. in den Handelsbedingungen und dem
Austausch von Gütern und Dienstleistungen ausdrückt".
Auch im historischen Rückblick erkennen die Konferenzteilnehmer den Zusammenhang zwischen
wirtschaftlichen Interessen und Menschenrechtsverletzungen, welche die afrikanische Bevölkerung heute und gestern auf dem afrikanischen Kontinent und in der
"Diaspora" erfahren habe. "Sklavenhandel, Kolonialismus und Apartheid waren im wesentlichen von wirtschaftlichen Motiven und der Konkurrenz
zwischen den Kolonialmächten geleitet", lautet die Anklage. Gleichzeitig stellten sie "eine der schwersten institutionalisierten Form der
Menschenrechtsverletzungen dar".
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen sind auch Regionalkonferenzen in Lateinamerika und Asien
gekommen. Nur in Europa sei man nicht "so klar und deutlich" gewesen, erklärt Teferra Shiawl-Kidanekal, eine UN-Sprecherin aus Genf, die mit der
Vorbereitung der Konferenz beschäftigt ist.
Tiefe Spuren
In Afrika hat die Kolonialisierung tiefe Spuren hinterlassen: Das beste Agrarland ist vielfach immer noch im Besitz der Europäer. Die Industrieentwicklung
wurde mit einer rigiden Zollpolitik, manchmal auch mit offenen politischen und militärischen Eingriffen, verhindert, während Agrarprodukte von weißen
Farmern und Rohstoffe für den Export gefördert wurden. Der "Zivilisationsprozess" hat den Handel und die Fähigkeiten der indigenen
Landwirtschaft unterbunden und einen Großteil der Bevölkerung als eine Klasse von Analphabeten hinterlassen.
Die durch Krieg, Hunger und ökologische Krisen ausgelösten Massenmigrationen in Afrika
werden größtenteils von Nachbarländern aufgefangen, die selbst kaum über die notwendigen Ressourcen verfügen, um die Grundversorgung
ihrer eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Die Feindseligkeit gegenüber den Flüchtlingen und Migranten nimmt auch dort beständig zu. Ebenso
wie die wenigen Afrikaner, denen es gelingt, nach Europa oder in die USA zu gelangen, sind die Flüchtlinge und Migranten vielfach auch in den
Nachbarländern institutionalisierten Formen der rassistischen Diskriminierung ausgesetzt: Arbeitsverbote, Familienmitgliedern wird der Nachzug verwehrt, Zugang zu
Wohnungen und Gesundheitssystemen etc.
Die Unterstützung der "internationalen Gemeinschaft" für die innerafrikanischen
Fluchtbewegungen ist nach Ansicht von Experten völlig unzureichend. Die Delegierten in Afrika fordern deshalb auch "zusätzliche
Unterstützung" aus den reichen Ländern, um eine halbwegs angemessene Versorgung der Flüchtlinge gewährleisten zu können.
Den Rassimusbegriff fassen die Konferenzteilnehmer sehr weit und sprechen auch vom
"ökologischen Rassismus". In vielen Ländern Afrikas werde toxischer Abfall deponiert und umweltgefährdende Methoden angewandt, um
natürliche Ressourcen auszubeuten.
Der bisherige Umgang mit Resolutionen und Beschlüssen, die von UN-Weltkonferenzen
verabschiedet wurden, hat vor allem eins deutlich gemacht: auch wenn die Vertreter der anwesenden Länder ihre Unterschrift leisteten hieß das noch lange
nicht, dass der Inhalt dieser Papiere auch umgesetzt wird. Die Beschlüsse sind weder bindend, noch gibt es irgendwelche Durchsetzungsmechanismen.
"Heute", so die beiden UN-Experten Richard Wilkins und Bradley Roylance, "wird die
Unterschrift eines Regierungsbeauftragten unter die Deklaration einer UN-Konferenz nicht als ein klares Bekenntnis dafür angesehen, dass der Staat die dort
enthaltenen Prinzipien auch akzeptiert. Tatsächlich geht bei diesen nicht-bindenden Zugeständnissen möglicherweise nur darum, einen Konsens zu
erzielen und die öffentliche Meinung zu beschwichtigen".
Das gilt nicht nur für die westlichen Regierungen. Ebenso wie der senegalesische Präsident
Abdoulaye Wade gibt es einige Regierungschefs in Afrika, die es mit Blick auf finanzielle Entwicklungshilfe und ausländische Investoren nach Möglichkeit
vermeiden, Regierungen in Nordamerkia oder der EU zu brüskieren. Die UN-Resolution könnte also ein bequemes Vehikel sein, das die keimende
Unzufriedenheit der afrikanischen Bevölkerung angesichts der Weltlage kanalisiert und dennoch unverbindlich bleibt.
Doch immerhin ist es den meisten Weltkonferenzen, z.B. der Frauenkonferenz in Peking oder der
Umweltkonferenz in Rio, gelungen, internationale Aufmerksamkeit zu erregen und in gewissem Maß die öffentliche Meinung nicht nur zu beschwichtigen,
sondern auch Diskussionen über die Lösung globaler Probleme zu beeinflussen.
Großzügige Mandate
Die Regierungsdelegationen der afrikanischen Staaten waren offensichtlich mit großzügigen Mandaten ausgestattet, denn das von ihnen ausgearbeitete
Aktionsprogramm der afrikanischen Vorbereitungskonferenz knüpft an die oben genannten Erfahrungen an. Sollte nicht der "notwendige politische Wille
vorhanden sein, Verantwortung für die historischen Ungerechtigkeiten, ihre zeitgenössischen Formen und Folgewirkungen zu übernehmen", liefen
die "Slogans und Massnahmen der Weltkonferenz" ins Leere und würden keine "tiefen Veränderungen" herbeiführen,
heißt es im Resolutionsentwurf aus Dakar.
Deshalb fordern die afrikanischen Delegierten auch geeignete internationale Mechanismen der
Rechtsprechung, die eine Umsetzung der Beschlüsse gewährleisten sollen. Laut Artikel 6 der internationalen "Konvention zur Eliminierung aller Formen
der rassistischen Diskriminierung" gibt es ein Recht auf Entschädigung für Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Sich darauf berufend wollen die
Afrikaner durchsetzen, dass allen Opfern, seien es Individuen oder Gesellschaften, angemessene Reparationen und die notwendige Rechtshilfe zur Verfügung stehen.
Die schwierigste Aufgabe der Weltkonferenz wird es sein, konkrete Zahlen und Modalitäten zur
Entschädigung zu benennen. Führende Wirtschaftsblätter wie die Financial Times halten solche Forderungen grundsätzlich für "Fehl
am Platze". Sie würden die "Büchse der Pandora für Beschwerden aller Art öffnen". Vielmehr sollten die
Entwicklungsländer "ihren Teil des Geschäfts" erfüllen, denn in der Vergangenheit seien vor allem in Afrika
Entwicklungsbemühungen "zu oft an wirtschaftlichem Missmanagement, institutionellen Fehlern und chronischer Korruption gescheitert".
Mit anderen Worten: "Reformschritte und Liberalisierung müssen beschleunigt werden".
Die Financial Times warnt vor einer "tragischen Verschwendung", wenn die Konferenz in Durban "zu einer sterilen und erbitterten Streiterei über
die Vergangenheit degenerieren" würde. "Wenn überhaupt sollten Reparationen nur an Individuen erfolgen . nicht aber an einem gesamten Staat,
der nicht einmal existierte als die Missetaten begangen wurden."
Westliche Diplomaten versuchen ihre afrikanischen Kollegen davon zu überzeugen, besser einen
generellen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen und den Blick in die Zukunft zu richten. Doch es dürfte ihnen schwer fallen, die Empfehlungen aus Dakar von der
Tagesordnung der Weltkonferenz zu entfernen. Sie werden von der Menschenrechtskommissarin Mary Robinson, die federführend an der Durchführung der
Konfernz in Durban beteiligt ist, grundsätzlich unterstützt. Die Themen Entschädigung und Wiedergutmachung "werden in Durban eine
signifikante Rolle spielen", sagt auch Shiawl-Kidanekal gegenüber der SoZ, denn "Fakten sollen und können nicht einfach aus der Geschichte
radiert werden".
Gerhard Klas
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