Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.10 vom 10.05.2001, Seite 11

Wahlen in Italien

Welche Rechte hätten S‘ denn gern?

Am 13.Mai werden in Italien die beiden Kammern des Parlaments, das Abgeordnetenhaus und der Senat, neu gewählt. Die Rechte, vereint um den Finanzmogul und Unternehmer Silvio Berlusconi, ist sich sicher, die Wahlen zu gewinnen.
Am Vorabend der Wahlkampferöffnung verkündete der Unternehmerverband Confindustria seine Forderungen an die neue Regierung: Sie lesen sich wie ein ultraliberales Manifest gegen die Arbeiter; sie sollen in die Koalitionsverhandlungen eingehen und Handlungsgrundlage der neuen Regierung werden.
Die wichtigsten Punkte daraus sind: die weitere Liberalisierung des Arbeitsmarkts, insbesondere die Abschaffung des Kündigungsschutzes; die Abschaffung des gesetzlichen Rentensystems; die Abkehr vom Kollektivvertragssystem (individuelle Arbeitsverträge); die Einschränkung der gewerkschaftlichen Rechte; neue Privatisierungen (Italien ist nach Großbritannien das Land, in dem am meisten privatisiert wurde); neue und drastische Steuersenkungen für Unternehmer.
Diese Maßnahmen sollen dazu dienen, die Lohnkosten noch weiter zu senken, obwohl sie schon zu den niedrigsten in Europa gehören, um die italienische Wirtschaft auf dem Weltmarkt noch wettbewerbsfähiger zu machen...
Berlusconi, der Führer der Mitte-Rechts-Koalition, hat erklärt, die Forderungen der Unternehmer seien eine Grundlage für seine Regierung. Francesco Rutelli und Pietro Fassino, die Kandidaten des Mitte-Links-Bündnisses für den Posten des Premierministers und seines Stellvertreters, haben gleichfalls beteuert, die Sorgen der Unternehmer zu teilen.
Die ausgehende Mitte-Links-Regierung hat in ihrer Legislaturperiode auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet eine Politik der vollständigen Anpassung an liberale Positionenbetrieben: Sie führte die ungeschützte Beschäftigung ein, hat mit der Privatisierung der Renten begonnen, ebenso mit der Privatisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens, hat ein Gesetz erlassen, das die universelle Geltung der sozialen Sicherungssysteme in Frage stellt, hat eine Steuerpolitik zugunsten der Unternehmen und der hohen Einkommen betrieben.
Sie hat mit der Rechten um die beste Verwirklichung liberaler Forderungen gewetteifert und immer mit ihr den Konsens gesucht. Damit hat sie weite Teile der Bevölkerung demoralisiert.
In dieser Orientierung wurde sie von den Gewerkschaftsvorständen unterstützt, die mit den Unternehmerverbänden paktiert haben. In den letzten Jahren sind die Löhne um 4,5% gesunken, während die Profite um 45% gestiegen sind. In letzter Zeit haben einige isolierte, aber wichtige Kämpfe von Arbeitern, prekär Beschäftigten, LehrerInnen und Studierenden stattgefunden, die zeigen, dass es einen Willen zum Widerstand gegen neoliberale Politik gibt.

Rechte vereint

Die Mitte-Rechts-Koalition führt ihren Wahlkampf mit der Arroganz dessen, der sicher ist, haushoch zu gewinnen, und mit viel Geld. Aus einem Grund kann sie auf den Sieg zählen: Sie hat es geschafft, die Parteien der Rechten zu vereinheitlichen und im "Haus der Freiheiten" zusammenzuführen. Forza Italia, die Partei von Berlusconi, hat sich zu einer wirklichen politischen Kraft gemausert und Teile der alten Parteien der Mitte für sich gewinnen können.
Neben ihr hat die Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini (die aus der faschistischen MSI hervorgegangen ist) ihren Einfluss in den einfachen Bevölkerungsschichten Mittel- und Süditaliens ausbauen können.
Die Lega Nord schließlich ist nach Jahren bitterer Polemik in den Schoß der Koalition zurückgekehrt; sie behält ihren Einfluss im Norden, mit einer reaktionären, fremdenfeindlichen und rassistischen Orientierung.
Zwei weitere Parteien, die aus der früheren Christdemokratie (DC) hervorgegangen sind, ergänzen das Bild; hinzu kommen kleinere reaktionäre Kräfte, zu denen auch die Radikale Partei mit der Spitzenkandidatin Emma Bonino und eine faschistische Liste (siehe Kasten) zu zählen sind.

Linke zerstreut

Auf der Linken scheint die Niederlage für den "Olivenbaum", der von internen Konflikten durchzogen ist, unausweichlich. Er umfasst Parteien und kleinere Bündnisse. Die wichtigste Kraft darin sind die Linksdemokraten (DS), die derzeit ohne Führung scheinen.
Die "Volkspartei" (PP), die aus der DC hervorgegangen ist, steckt in der Krise; sie hat sich mit drei Parteien des Zentrums zusammengetan — darunter die "Demokraten", eine Gruppe um den Präsidenten der Europäischen Kommission, Romano Prodi — und bildet mit ihnen die "Margerite".
Die Grünen, die einen immer regierungsfreundlicheren Kurs einschlagen, haben mit einem Teil früherer "Sozialisten" die Liste "Sonnenblume" gebildet.
Die Partei der Italienischen Kommunisten (PdCI), die sich vor zweieinhalb Jahren von Rifondazione Comunista (PRC) abgespalten hat und von Cossutta angeführt wird, ist ebenfalls sehr regierungstreu; ihr werden heute etwa 1,1% der Stimmen gegeben.
Außerhalb dieser beiden Pole treten noch zwei weitere Parteien der Mitte bzw. der rechten Mitte an:
die Partei des Staatsanwalts und Senators Giuseppe Di Pietro, "Das Italien der Werte"; Di Pietro stand früher dem Olivenbaum nahe, tendiert jetzt aber zum Mitte-Rechts-Pol;
die "Europäische Demokratie" — eine Gründung des ehemaligen Vorsitzenden der christlichen Gewerkschaft und zweitgrößten Gewerkschaft Italiens CISL, D‘Antoni.
Diese Konstellation, die für die italienische Arbeiterbewegung wenig schmeichelhaft ist, erklärt die Haltung, zu der sich Rifondazione Comunista, die Partei der Kommunistischen Neugründung, entschlossen hat: Sie hält an einer linken Orientierung fest und schlägt ein Programm vor, das sich auf die Bedürfnisse der Lohnabhängigen stützt und versucht, ihnen einen politischen Ausdruck zu geben. Ein ehrgeiziges Ziel, in Anbetracht des negativen Kräfteverhältnisses für die Arbeiterbewegung.
Das Mitte-Links-Bündnis wird von einem massiven Druck zur "nützlichen Stimme" profitieren. Der politische Raum für eine Kraft der Opposition und der Alternative ist da, aber die Aktivistinnen und Aktivisten von Rifondazione haben eine harte Kampagne zu führen, für die ihnen überdies weit weniger Mittel und ein weit geringeres Presseecho zur Verfügung steht als den anderen Parteien.
Das italienische Wahlsystem ist Kräften außerhalb der beiden Pole, die alternativ zu ihnen stehen, nicht günstig. Für den Senat gibt es ein einfaches Mehrheitswahlrecht: es gewinnt der, der die meisten Stimmen hat. Für das Abgeordnetenhaus werden drei Viertel der Parlamentarier nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt, ein Viertel nach dem Verhältniswahlrecht, mit einer 4%-Klausel.

Die Haltung von Rifondazione Comunista

Rifondazione hat beschlossen, in allen Wahlkreisen zur Wahl für den Senat anzutreten; zur Wahl für das Abgeordnetenhaus nur dort, wo nach Verhältniswahlrecht gewählt wird. Sie verzichtet hier auf die Beteiligung an der Mehrheitswahl, weil sie keinen Sitz gewinnen kann und die Rechte nicht stärken will.
Die jüngsten Meinungsumfragen geben Rifondazione 6% der Stimmen. Ihre parlamentarische Vertretung wird, gemessen an diesem Stimmenanteil, lächerlich gering sein, zumal die beiden großen Wahlbündnisse zu allem Überfluss auch noch Scheinlisten aufgestellt haben, um die Stimmen zu zerstreuen und die WählerInnen zu täuschen.
Die zentralen Themen der Wahlkampagne von Rifondazione sind:
* die Wiederauflage der 35-Stunden-Woche ohne Lohneinbuße;
* der Kampf gegen ungeschützte Beschäftigung;
* Lohnerhöhungen;
* die Verteidigung der Rechte der Belegschaften in den Betrieben;
* garantierte Grundrechte für Beschäftigte mit prekären Arbeitsverträgen;
* ein Soziallohn von 1000 DM für Erwerbslose und arbeitssuchende Jugendliche;
* die Reform der sozialen Sicherungssysteme mit der Verteidigung des Rechts auf Bildung, Gesundheit und Pflege für alle;
* sofortige Anhebung der Mindestrente um 200 DM;
* Kampagne gegen die Steuerflucht mit Kontrollbefugnissen der Belegschaften;
* Asyl- und Gastrecht für Flüchtlinge ungeachtet der Fluchtgründe;
* die Auflösung der NATO und eine drastische Reduzierung der Rüstungsausgaben;
* eine Reform der Befugnisse der Europäischen Union;
* eine neue Energie- und Verkehrspolitik.

Franco Turigliatto

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