Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 23.05.2001, Seite 2

CDU-Spendenaffäre

Kieps Kuckucksei

von Paul Kleiser

Was ist der Unterschied zwischen Günther Jauch und der CDU?", spottete neulich Harald Schmidt — "Bei der CDU kommt zuerst die Million und dann die Fragen." Mit der Überweisung von einer Million Mark, die "möglicherweise" der CDU gehören, hat Walter Leisler Kiep der neuen CDU-Führung ein schönes Kuckucksei ins Nest gesetzt. Indirekt hat er gezeigt, dass der Skandal mitnichten aufgeklärt ist. Dabei sind seine Motive ziemlich leicht zu durchschauen: Offenbar hat der distinguierte Großbürger, dessen Vermögen auf zwischen 50 und 100 Millionen Mark taxiert wird, mit den Geheimkonten der CDU und den fortwährenden Geldverschiebungen über die Schweiz und Liechtenstein selbst einen kräftigen Reibach gemacht. Doch nun sitzt ihm die Steuerfahndung im Nacken und bei der genannten Größenordnung von Hinterziehung könnten für den "ehrenwerten Herrn" leicht ein, zwei Jährchen herausspringen, sofern das "Beziehungsgeflecht" ihn nicht mehr tragen — also vor Strafe bewahren — sollte.
Sicherlich kann man nur spekulieren, woher die Million letztlich gekommen ist: Laut Aussagen von Lüthje, der zusammen mit Kiep und Weyrauch zum engsten Geldbeschafferkreis der CDU gehörte, sollen bei der Auflösung der Liechtensteiner Norfolk- Stiftung noch 1,5 Millionen Franken übrig gewesen sein, die die drei Herren unter sich aufteilten. Möglich wäre auch, dass Kiep die in St.Margareten am Bodensee von Schreiber empfangene Million nicht oder nicht ganz an die CDU weitergeleitet hat. Der heißeste Tipp dürfte aber mit Siemens in Zusammenhang stehen: Der Münchner Konzern hat in den 80er Jahren wohl jährlich eine Million Mark an die CDU fließen lassen, die in der Schweiz bar übergeben wurden. In den Unterlagen der CDU tauchen entsprechende Buchungen nicht auf. Insgesamt fehlen laut Prüfbericht der Wirtschaftskanzlei sowieso für mindestens 10 Millionen Mark die Unterlagen.
Die Millionen-Überweisung hat nun die latente Führungskrise der Union erneut offensichtlich werden lassen. Nach dem relativ guten Abschneiden bei den Wahlen in Baden-Württemberg konnten die drei Ms — Merkel, Merz und Mayer — hoffen, dass die Wirkung des Spendenskandals mit dem nachlassenden Interesse der Medien und dem kurzen Gedächtnis vieler Wähler auslaufen würde. Sie hofften, sich mit ihren Beteuerungen "Wir haben doch alles aufgeklärt" und "Jetzt machen wir Sachpolitik" profilieren zu können — obwohl im Untersuchungsausschuss alle Register der Verschleierung gezogen werden. Doch die Kiep-Million hat nicht nur gezeigt, dass die alten Kohl-Seilschaften in der Partei nach wie vor über erheblichen Einfluss verfügen, sondern auch, dass die drei Ms eine Führung auf Abruf darstellen. "Schlechtes Krisenmanagement" — also unzureichende Fähigkeiten zum Vertuschen — lautet der Hauptvorwurf.

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