Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 23.05.2001, Seite 5

Rentenreform

Solidarität mit den Gewinnen

Nach der erfolgreichen Taktik der Bundesregierung im Vermittlungsausschuss ist nunmehr die Rentenreform beschlossen Sache. Kurz darauf erschien in den Zeitungen ein Anzeige mit einem strahlenden Walter Riester und dem Satz "Solidarität mit Gewinn!"
Besuche und Telefonanrufe von Vertretern aller Versicherungen, die schnell noch ein Stück vom 20- Milliarden-Kuchen der Zukunft ergattern wollen, sind schon signifikant angestiegen. Da nützen auch alle warnenden Aufrufe des Ministers nichts, mit dem Abschluss der Verträge zu warten, bis ab 1.Januar 2002 mit der Förderung begonnen wird, sich vorher genau zu informieren und abzuwarten, bis die Genehmigungsbehörde ihre Zulassungen erteilt. Ein großer Versicherer meldete bereits einen Zuwachs von 28% in den ersten Monaten bei Neuabschlüssen. Bei Versicherungszeiten von bis zu sechzig Jahren — von der ersten Einzahlung bis zur letzten Auszahlung — ein lohnendes Geschäft.
Man kann es nur noch einmal wiederholen: mit der Lüge, dass kapitalgedeckte Rentenversicherungen bei dem zukünftigen Wandel der Altersstruktur der Bevölkerung sicherer wären, wurde eine ganze Nation von Beitragszahlern die Sicherheit bei den Renten vorgegaukelt.
Mit der Deckelung der Arbeitgeberanteile an der Rentenversicherung wird zudem die Umverteilung von unten nach oben beschleunigt. Mit dem Aufbau eines Kapitalstocks werden die jungen BeitragszahlerInnen doppelt belastet, während den RentnerInnen die Renten gekürzt werden. Die "Riester-Rente" ist ein Geschenk an die Finanzkonzerne, deren Anlagen mit staatlichen Zuschüssen gefördert werden.
Insofern muss es statt "Solidarität mit Gewinn" in Wirklichkeit "Solidarität mit Gewinnen" heißen: es geht nicht mehr um Solidarität der Beitragszahler untereinander und mit den jetzigen RentnerInnen, und die ihrer Kinder mit den zukünftigen RentnerInnen, sondern um Solidarität mit den "Gewinnern" aus dem Kapitalstock — das werden im Wesentlichen nicht die Frauen, Arbeitslosen und prekär Beschäftigten sein, und nur zum kleinen Teil die in traditionellen Arbeitsverhältnissen Lebenden, sondern die Versicherungskonzerne, Banken sowie Fonds und ihre Verwaltungen.
Mit der Abkehr von der "paritätischen Finanzierung", der Kürzung der Sozialrenten und der Einführung der Privatrente auf Kapitalbasis ist der rot-grünen Regierung mit einem ehemaligen stellvertretenden IG-Metall-Vorsitzenden als Minister ein Systembruch gelungen, wie er vorher mit der schwarz-gelben Regierung nicht zu verwirklichen gewesen wäre.
Die Einbindung der Gewerkschaftsvorsitzenden in dieses Konzept gelang offenbar mit Versprechungen, die sogenannten Pensionsfonds über tarifliche Regelungen einzubeziehen. Die Gewerkschaftsbosse Schmoldt, Zwickel und Bsirske rechnen nun mit zusätzlichen Anreizen für sich und ihre Beschäftigten bei der Einrichtung und Verwaltung von Tariffonds.
Dabei hat es nie eine "paritätische Finanzierung" im eigentlichen Sinne gegeben: die Arbeitgeber bezahlten die Rentenbeiträge für die Beschäftigten schließlich nicht aus der eigenen Tasche, sondern das waren Lohnbestandteile, die auf den Bruttolohn gezahlt wurden.
Mit der Deckelung dieser Lohnbestandteile und der Zahlung der Beiträge an die Privatversicherung aus dem Bruttolohn erfolgt eine direkte Lohnkürzung. Direkte Folge ist eine Kürzung für die Renten, deren Erhöhungen jeweils aus den Nettolöhnen errechnet werden. Unmittelbare Folge ist eine weitere Umverteilung von der Lohn- zur Gewinnquote.
Langfristig wird damit das Gesamtrentenniveau aus der sozialen Rentenversicherung von 70 auf 64% des Durchschnittsverdienstes, die sogenannte Eckrente (nach 45 Versicherungsjahren mit Durchschnittseinkommen) um rund 10% gesenkt. Die Beiträge zu den Sozialversicherungen sinken ebenfalls, weil die Löhne um den Eigenanteil der Versicherten zur Privatversicherung sinken. Noch stärker sinken die Hinterbliebenenrenten — Witwen bekommen nur noch 55% der Versichertenrente.
Einige Zugeständnisse an die politischen Parteien wurden noch eingebaut, damit möglichst viele Landesregierungen im Bundesrat zustimmen konnten: kein Einfrieren der Anrechnungsbeträge der eigenen Einkommen von Witwen, Einbau von Wohneigentum in das Privatrentenmodell. Das letztere auf Forderung der FDP — und mit einem Modell, von dem schon heute klar ist, dass die wenigsten durchblicken und es sich leisten können.
Die Zustimmung der PDS, die wegen der Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern fast zum Zünglein an der Waage geworden wäre, sollte durch ein stundenlanges Gespräch zwischen Schröder und Claus und Holter errungen werden. Zugeständnisse bei der Finanzierung von PDS-Vorhaben im Osten schienen eine Rolle zu spielen. Letztlich entschied die reine Machttaktik von Schröder und Ringstorff — wenn Ringstorffs "Ja" auch nicht mehr nötig zur Mehrheit war, dann doch, um der PDS zu zeigen, wo der Hammer hängt…
Ebenfalls sollte klar sein, dass die von Riester gelobte staatliche Unterstützung der Beiträge zur Privatrente schließlich auch aus den Taschen der Beschäftigten bezahlt wird. In zunehmendem Maße wird das Steueraufkommen aus Lohnsteuern und Mehrwertsteuer gespeist, bei gleichzeitigem Rückgang der Körperschaftssteuern. Auch hier hat schon länger eine Umverteilung von unten nach oben eingesetzt, welche die Regierung Schröder ebenfalls nicht umkehren will.
Auch die steuerliche Förderung — die für die Betroffenen bei der Belastung sicher eine Unterstützung ist — bedeutet eine direkte steuerliche Subvention zugunsten der Finanzkonzerne, da sie damit rechnen können, dass viele Menschen eine Rentenversicherung abschließen, um in den Genuss dieser Steuerbefreiung bzw. der Zuschüsse zu kommen.
Ein weiteres dunkles Kapitel der Rentenreform ist der Eifer, mit dem die Gewerkschaften nun auf tariflich einzurichtende Pensionsfonds setzen. Hier soll den Beschäftigten zum Beispiel der Metallindustrie angeboten werden, die Beiträge zur Privatrente in einen Fonds zu zahlen, der branchenweit tarifvertraglich geregelt sein könnte. Damit könnten die bisherigen Betriebsrenten abgelöst werden.
Die Kosten dieser Fonds sollen angeblich nur 10% gegenüber einem Viertel bei freien Fonds ausmachen. Wie weit es gelingt, die Unternehmen zur Beteiligung an den Fonds zu "gewinnen", ist völlig offen. Klar ist nur, dass dann auch die jeweiligen Einzahlungen bei Tarifverhandlungen in die zu verteilende Gesamtmasse eingehen, und so die realen Lohnerhöhungen senken werden.
Noch schädlicher ist aber das gesamtwirtschaftliche Wirken solcher Fonds. Um die geplanten Renditen zu erwirtschaften, müssen größere Teile der Beiträge in Aktien und Wertpapieren angelegt werden. Die von den Fonds massiv unterstützte "Shareholder-Value-Politik" zur Wertsteigerung der Aktienpakete führt dazu, dass die Interessen der Anteilseigner in diametralem Gegensatz zu dem der Beschäftigten stehen: Arbeitsplatzabbau steigerte bisher noch immer den Unternehmenswert.
Beim Tariffonds stehen sich diese Interessen aber in der gleichen Person gegenüber — ein unlösbarer Widerspruch, über den das beste Gerede der Gewerkschaftsvertreter von der "Beteiligung" nicht hinweg täuschen kann. Auch hier ist also eher die "Solidarität mit den Gewinnen" gefragt, und auch hier ist schon klar, wer Gewinner und wer Zahler sein soll.
Hier gelang der Kapitalseite mit Hilfe von Riester die Einführung eines "trojanischen Pferdes" in die Gewerkschaftsbewegung, an dem die jetzigen Beitragszahlenden und zukünftigen Rentnerinnen und Rentner schwer zu tragen haben werden.

Rolf Euler

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