Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 23.05.2001, Seite 5

Höhere Erbschaftsteuer vom Tisch

Die Bundesrepublik hat, wie nicht nur im jüngsten Armuts-/Reichtumsbericht beschrieben, ein Verteilungsproblem. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Kann man etwas dagegen tun? Die Frage stellt sich für Gerhard Schröder nicht. Für den Kanzler lautete die Frage: Kann man so tun, als ob es "keine Alternative" zum Nichtstun gäbe?
Zum Beispiel Erbschaftsteuer. Diese Steuerart ist in der Tendenz darauf angelegt, über Besteuerung von Vermögen bei den Reichen (denn es gibt hohe Freibeträge) dem Staat Geld zuzuführen, das er zugunsten aller anderen wieder verteilt. Also Umverteilung. Sogar in der Tendenz von oben nach unten! Das ist ein Graus für die neue Mitte.
So sieht sich Schröder in der Pflicht, Richtlinienkompetenz zu zeigen. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor längerer Zeit geurteilt, dass die Erbschaftsregelung bei Haus- und Grundbesitz nicht verfassungskonform sei. Häuser werden nämlich mit einem viel niedrigeren Wert in der Erbmasse bewertet als anderes Vermögen — rund 50% des Wertes fallen unter den Tisch.
Daher hatten sich einige sozialdemokratisch regierte Länder aufgemacht, dieses Urteil in eine Gesetzesänderung zu gießen — wohl noch im 98er Eifer einer "anderen Politik". Die Neubewertung von vererbten Gebäuden hätte nach Berechnungen das Aufkommen der Erbschaftsteuer von jährlich rund 5 Mrd. Mark um gut 10% aufgestockt — was allein den Ländern zugute gekommen wäre.
"Omas kleines Häuschen" würde nicht unter die Steuer fallen, da wie gesagt die Freibeträge sehr hoch sind. Selbstgenutzte Häuser liegen in der Regel darunter, so dass nur wirklich Besserbesitzende die Erbschaftsteuer zahlen müssten. Außerdem würde nur nicht selbst erarbeitetes Vermögen besteuert, was sogar nach neoliberalen Gesichtspunkten sehr wohl versteuert werden sollte. Aber doch nicht mit Schröder! Eine Steuererhöhung! So wurde nach den Informationen der Frankfurter Rundschau bei einem Spitzentreffen Schröders mit den "roten" Ländern das ganze Unternehmen einvernehmlich vorerst beerdigt.
Wenn man bedenkt, dass die Länder in der Bildungs- und Schulpolitik auf leere Taschen verweisen, dass sie deswegen auch gegen die Erhöhung des Kindergeldes Einspruch einlegten, so erscheint der Vorgang in einem neuen Licht. Erneut sind die Sozialdemokraten auf Druck von Kanzler Schröder, der vor den nächsten Wahlen keine Steuerdiskussion will, eingeknickt und haben weder die Verfassungsmäßigkeit bei der Erbschaftsteuer noch ihre Länderinteressen konsequent verfolgt. Mal sehen, wie die anderen sozialpolitischen Entscheidungen des Verfassungsgerichts unterlaufen werden.

A.R.

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