Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 07.06.2001, Seite 2

Fall Mumia Abu-Jamal

Neue Aussagen ignoriert

Am 27.Mai dieses Jahres wurde dem Radiojournalisten Mumia Abu-Jamal in Abwesenheit der Erich-Mühsam-Preis in Lübeck überreicht. Am 12.April beging der ehemalige Black-Panther-Aktivist seinen 47.Geburtstag in einer Todeszelle. Fast zwanzig Jahre seines Lebens verbringt er mittlerweile im Gefängnis. Ihm wird vorgeworfen, einen Polizisten ermordet zu haben. Die Tat ist bis heute nicht bewiesen.
In diesem Jahr überschlugen sich jedoch die Ereignisse: Im März stellte Mumia Abu-Jamal bei Gericht den Antrag, sein Anwaltsteam zu entlassen. Einer der Anwälte hatte in einer Buchveröffentlichung sehr detailliert die Prozessstrategie Mumias dargelegt, ohne dass dieser davon Kenntnis hatte. Anfang April gab Richter Yohn diesem Antrag statt und räumte Mumia Abu-Jamal einen Zeitraum von 30 Tagen ein, in dem er sich ein neues Anwaltsteam zusammenstellen konnte. Neben einer Anwältin aus Chicago gehören dem Team zwei Anwälte aus Los Angeles und Philadelphia und der international bekannte britische Strafverteidiger Nicholas Brown an.
Das Anwaltsteam um Leonard Weinglass hatte Mumia Abu-Jamal seit 1992 vertreten. Zu Beginn des Prozesses versuchte Abu-Jamal noch sich selbst zu verteidigen, hatte sich allerdings zum Tatvorwurf nicht geäußert, da er die meiste Zeit vom Verfahren ausgeschlossen war. Erst jetzt äußerte er sich zum Tatvorwurf und beteuerte seine Unschuld.
Am 3.März 1982 wurde Abu-Jamal zum Tode verurteilt. Vorsitzender des Gerichts war Richter Albert Sabo, der auch als der "Staatsanwalt in Richterrobe" berüchtigt ist. Also erst zehn Jahre später nahm das Team um Leonard Weinglass die Ermittlungen auf und fügte Mosaikstein aneinander, so dass sehr bald deutlich wurde, dass es sich bei dem Urteil um eine rassistische Verurteilung handelte, die einen unbequemen Kritiker aus dem Weg schaffen sollte. Bis zu diesem Urteil war es trotz wiederholter Versuche nicht gelungen, Abu-Jamal auch nur irgendeine Straftat anzuhängen.
Die Unterlagen machten sogar deutlich, dass das FBI schon einmal versucht hatte, eine Mordanklage zu konstruieren. Doch in diesem Fall war das Alibi Abu-Jamals zu eindeutig, als dass eine Verurteilung möglich gewesen wäre.
Die einzigen Zeugen, die ihn im Prozess belastet hatten, widerriefen nach und nach ihre Aussagen und die entlastenden Beweise häuften sich ebenso wie das Bekanntwerden von Vertuschungen seitens der ermittelnden Behörden. Gleichzeitig erhöhte sich der internationale Druck zur Aufnahme eines neuen Verfahrens. Dennoch wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens von der US-Justiz 1995 abgelehnt.
Seit Ende letzten Jahres steht nun die Entscheidung des Richters William Yohn aus, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, in der die entlastenden Beweise vorgetragen werden können. Dies ist die letzte gerichtliche Instanz in der dies nach US-Recht möglich ist.
Nach einer sehr kurzen Einarbeitungszeit präsentierte das neue Verteidigungsteam am 4.Mai nicht nur die Aussage von Abu-Jamal. Sie stellten, ebenfalls zum ersten Mal, die Aussage von William Cook, Mumias Bruder, der Öffentlichkeit vor. Auch er erklärt unter Eid: "Mumia hielt keine Waffe. Mumia intervenierte zu keinem Zeitpunkt in die Auseinandersetzung zwischen mir und dem Polizisten. Ich hatte nichts zu tun mit der Erschießung des Polizisten. Mein Bruder hatte nichts zu tun mit der Schießerei oder dem Mord an dem Polizisten."
Als eigentliche Überraschung dieser Pressekonferenz präsentierten die Anwältin und die Anwälte allerdings ein Geständnis des Berufskillers Arnold R. Beverly aus dem Jahre 1999. Er erklärt in diesem Geständnis, dass er Daniel Faulkner erschossen habe. Der Auftrag für diesen Mord sei aus Kreisen der Rauschgift-, Prostitutions- und Glücksspielszene gekommen, die Faulkner und seine Kollegen nicht mehr schmieren wollten.
Weiter erklärte Beverly: Auf Abu-Jamal habe ein anderer Polizist geschossen, nachdem er (Beverly) Faulkner bereits aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen hätte. Zur Bestärkung der Glaubwürdigkeit dieser Aussage legten die Anwälte die Aussagen eines ehemaligen FBI-Agenten vor, der zu diesem Zeitpunkt die Korruption der Polizei in Philadelphia untersuchte. Auch die Prostituierten, die zuerst gegen Mumia ausgesagt hatten, waren in diese Korruptionsfälle verwickelt und aus dieser Sicht erscheint die Aussage der Verteidigung glaubwürdig, dass die Frauen ihre Aussage unter erheblichem Druck gemacht hatten.
Die Staatsanwaltschaft von Philadelphia hat in einer ersten Stellungnahme bereits reagiert. Die Sprecherin erklärte, die eidesstattliche Erklärung von Beverly sei lächerlich und erfunden.

Tommy Schroedter

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