Sozialistische Zeitung |
Als Harry Magdoff, der zusammen mit Paul Sweezy die älteste theoretische marxistische Zeitschrift der USA Monthly
Review herausgibt, gefragt wurde, wie eine sozialistische Vision aussehen könnte, antwortete er: "Eine solche Vision muss natürlich je nach Ort
und Zeit verschieden sein. Sie kann für die USA nicht so aussehen wie für Nigerien. Wenn aber heute über ‚Markt-Sozialismus geredet wird,
müssen wir doch zuerst danach fragen, wieviel und welche Art von Markt oder Plan nötig ist! Sowohl über die Ziele als auch über Methoden
müssen die Menschen selbst mitbestimmen könen, um auch selbst Fehlentscheidungen zu korrigieren."
Für eine sozialistische Vision in den USA müssten klare Prioritäten gesetzt werden. An
erster Stelle nannte Harry Magdoff das Wohnungsproblem. Hierbei gehe es nicht um Notbehelfe für Obdachlose. Es gehe um menschenwürdige, bezahlbare
Wohnungen für alle. Um die Umwandlung von Slums. Marktmechanismen können das aber nicht leisten, solange der Boden eine Ware ist und die Spekulation
den Preis bestimmt. Der Boden muss also "Gemeineigentum" etwa der Kommunen werden.
Diese Ansicht vertrat übrigens auch Hans-Jochen Vogel als er (von 1960 bis 1972)
sozialdemokratischer Oberbürgermeister von München war. Als er dann Bundesminister für Raumordnung und Bauwesen (19721974) wurde,
muss er das schlicht vergessen haben.
In Frankfurt am Main gibt es ein großes Gelände nicht weit vom Hauptbahnhof
entfernt , das der Eisenbahn-Immobilien-Management gehört, einer der Nachfolgefirmen der Deutschen Bundesbahn. Dort soll das neue Europaviertel
entstehen. Bei der Bevölkerung geht nun die Angst um, auch hier könnten moderne Glas- und Betonbauten hochgezogen werden.
100 Schülerinnen und Schüler der sechsten Klassen der Paul-Hindemith-Schule haben deshalb
das "Projekt Neuland" entwickelt. Die Elfjährigen dieser Gesamtschule im Gallusviertel, das mit sozialen Problemen zu kämpfen hat, wollen
"keine großen Parkplätze" und auch keine hohen Häuser auf dem Gelände, das sie täglich aus den Fenstern ihres
Klassenzimmers sehen. Sie wünschen sich, was in dem auch "Kamerun" genannten Viertel als Infrastruktur fehlt: Cafés, Kinos und ein Internet-
Café. Zudem viel Grün, "Parkbänke für ältere Menschen" und Wasser, Flüsse, Seen, ein Schwimmbad mit Becken im
Freien etwa, großzügig angelegt und behindertenfreundlich.
"Die Vorschläge sind ernst gemeint. Lange bevor die Kinder dieser sechsten Klasse geboren
wurden, suchten die Arbeiterfamilien aus dem ‚Kamerun auf den Quäkerwiese ein wenig Erholung. Doch die fiel einem Erweiterungsbau zum Opfer. Ein
kleiner Grünstreifen ist übrig geblieben für 27.000 Bewohnerinnen und Bewohner des Gallus." So die Frankfurter Rundschau.
Die Kinder haben mit Hilfe von Architekten der Technischen Universität Darmstadt ein Modellhaus
aus Ton auf Platten hergestellt: Bäume ragen in die Höhe, Spielplätze sind neben kleinen Häusern und Hütten, Badeseen und
Flussläufe zu sehen.
Nur wissen sie offenbar noch nicht, dass sie eine sozialistische Vision entworfen haben, die solange nicht
verwirklicht werden kann, wie der Boden kein kommunales Gemeineigentum, sondern eine Ware ist, deren Preis von der Spekulation bestimmt wird.
Ob es sie trösten wird, wenn wir ihnen sagen, dass eben nur Kinder und sozialistsiche Theoretiker die
Narren sind, die von solchen Visionen auch in Zeiten neoliberalen Profitdenkens zu träumen wagen…
Jakob Moneta
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