Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 07.06.2001, Seite 4

Weltbank

Freiheit in Gefahr

Nachdem die Welthandelsorganisation (WTO) bereits vor einigen Monaten beschlossen hatte, ihre für kommenden Herbst geplante Konferenz im Golfemirat Qatar vor den zu erwartetenden Protesten zu "verstecken", erwischte es nun die Weltbank. Am 19.Mai hat sie ihre in Barcelona vom 25. bis 27.Juni geplante Konferenz abgesagt.
"Eine Konferenz zur Reduzierung der Armut sollte in einer friedlichen Atmosphäre stattfinden, frei von Gewalt und Einschüchterung", begründete Caroline Anstey, Pressesprecherin der Finanzinstitution, mit Blick auf angekündigte Proteste diese Absage. "Trotz unserer Versuche mit den Gruppen, die Demonstrationen planen, ins Gespräch zu kommen und sie in die Konferenz zu integrieren", wollten "viele der Gruppen nicht mit der Absicht nach Barcelona kommen, um an der Debatte teilzunehmen oder konstruktive Beiträge zu leisten, sondern um das Treffen zu sprengen", erklärte Anstey.
Die Weltbank wolle den zahlreichen Wissenschaftlern, die an der Konferenz über Entwicklung und Wirtschaft teilnehmen sollten, "eine solche Situation nicht zumuten", behauptete ausgerechnet die Pressesprecherin jener Institution, die nach Aussagen ihres ehemaligen Chefökonomen, Joseph Stiglitz, Volksaufstände in von ihren Strukturanpassungsprogrammen betroffenen Ländern durchaus in Kauf nimmt. Um dann im Namen der Bretton-Woods-Institutionen demokratische Grundrechte einzuklagen: "Es ist an der Zeit, gegen die Bedrohung der freien Meinungsäußerung Stellung zu beziehen", meint Anstey.
Die Pressesprecherin beteuerte, dass sie volles Vertrauen in die spanischen Sicherheitskräfte und Behörden hätte. Dennoch sei der Preis, der mit den zu erwartenden Störungen einher ginge, zu hoch für diesen wissenschaftlichen Austausch. Nun sei geplant, die Konferenz online zu führen.
"Vor Jahren haben die Menschen Bücher verbrannt und wollten so gegen die akademische Freiheit vorgehen — nun wollen sie Wissenschaftler davon abhalten, ihre Konferenzzentren zu erreichen", klagt Anstey in Anspielung auf die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten. Aber zum Glück gebe es das Internet, wo heute die akademischen Debatten geführt werden könnten.
Das freilich sehen Aktivisten in diversen Internetforen anders: Eine Online-Konferenz wäre eigentlich einfacher zu hacken als ein Konferenzzentrum zu stürmen, so der Tenor zahlreicher Wortmeldungen. Globalisierungsgegner sprechen im Zusammenhang mit der Absage von Barcelona ohnedies von einer "gewonnenen Schlacht, ohne dass sich auch nur ein Demonstrant gezeigt hätte".
Angeblich sei das Treffen aus Sicherheitsgründen abgesagt worden, heißt es im Informationsbulletin des internationalen Netzwerks von ATTAC, "doch in Wirklichkeit haben sie nichts zu sagen und zu diskutieren als die alten Rezepte, die wir schon längst kennen". Die Absage der Konferenz sei ein Beweis für die "politische Leere" dieser Institution.
Die nächste internationale Massenmobilisierung wird es laut ATTAC zum Treffen der G7 Ende Juli im italienischen Genua geben, zu dem das Netzwerk mehr als 100.000 Demonstranten erwartet. Mittlerweile ist sogar die Rede von einem "europäischen Seattle". Und in Österreich läuft die Mobilisierung für die Anti-WEF-Proteste in Salzburg vom 30.Juni bis 3.Juli ebenfalls bereits auf Hochtouren.

Gerhard Klas

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