Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.18 vom 31.08.2001, Seite 12

Indonesien

‘Die alten Kräfte sind wieder an der Macht‘

Der Sturz von Indonesiens Präsident Abdurrahman Wahid und seine Ersetzung durch Megawati Sukarnoputri hat eine neue und wahrscheinlich kurzfristige Ära in Indonesien eröffnet. Das folgende Interview mit Budiman Sudjatmiko, einem Führer der radikalen linken Demokratischen Volkspartei (PRD) Indonesiens über die Perspektiven des Landes wurde von dem PRD-Bulletin Our Tasks geführt.

Wie schätzt du die neue Regierung von Megawati ein?
Die neue Regierung ist Frucht des Konflikts innerhalb der bürgerlichen Elite. Das Wesen dieses Konflikts ist der Kampf um die Kontrolle der Wirtschaft, aber er äußert sich als politischer Konflikt.
Megawati wurde Präsidentin, nachdem sie sich mit den überlebenden Kräften der "Neuen Ordnung" [des früheren Diktators Suharto] — Golkar [Suhartos Partei], die Streitkräfte und die Polizei (TNI/Polri) — sowie [der rechten Moslem-Partei] "Zentrale Achse" arrangiert hatte.
Wir wissen, dass diese Kräfte niemals für die vollständige Gesellschaftsreform gekämpft haben und Golkar und die TNI das Hauptwerkzeug der Unterdrückung des Volkes unter dem Suharto-Regime waren.

Somit könnte der demokratische Spielraum enger werden?
Genau. Die jetzige Regierung beruht auf einer kriminellen Verbindung der Elemente, die gegen die vollständige Reform sind. Die repressiven Methoden der Neuen Ordnung werden wieder angewandt.
Ich habe Berichte unserer Genossen in Ostjava erhalten, nach denen man jetzt eine Erlaubnis vom regionalen Militärkommando haben muss, um normale Gebetsversammlungen abhalten zu können. Religionslehrer in Pasuruhan und Problinggo wurden vom Militär terrorisiert.
Wir können von der herrschenden Elite nicht viel erwarten. Megawati wird niemanden von Golkar, der für wirtschaftliche und politische Verbrechen verantwortlich war, vor Gericht bringen. Alle für Massaker verantwortliche Generäle fühlen sich sicher. Megawati steht in der Schuld von Golkar und der TNI.
[Megawatis Vizepräsident] Hamzah Haz hat in Yogyakarta seine zivile Miliz, die Kabah- Jugendbewegung, benutzt, um die Demokratiebewegung zu terrorisieren, und dabei mit Golkar zusammengearbeitet. Von diesen Leuten Demokratie zu erwarten ist Tagträumerei.

Aber warum unterstützen unter diesen Umständen die USA und die EU die neue Regierung?
Es ist alles leeres Gerede seitens dieser kapitalistischen Länder. Sie sind nur um die politische Stabilität besorgt. Sie brauchen sichere und stabile Länder, wo sie ihr Kapital investieren können. Sie werden auch einen Militärputsch unterstützen, wenn er ihrem Kapital nützt.
Megawati hat ihnen diese Stabilität angeboten. In ihrer Einführungsrede betonte sie, dass Stabilität nötig sei, um die nationale Integrität zu bewahren, aber sie sprach überhaupt nicht von der Stärkung der Menschenrechte und der Demokratie. Das bedeutet, dass sie die Armee einsetzen wird, um die nationale Stabilität zu verteidigen.
Megawati passt sich sehr dem internationalen Kapital an. Das internationale Kapital wird über den Internationalen Währungsfonds und seine Agenten seine Pläne für Indonesien leicht durchsetzen können: die Kürzungen der Subventionen der Konsumentenpreise, die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Man sollte nicht überrascht sein, wenn die Benzinpreise wieder steigen.

Welche Perspektiven für die Menschenrechte und die Demokratie gibt es in den Unruhegebieten wie Aceh und Westpapua?
Natürlich sind auch sie bedroht. Schon vor Wahids Sturz hat die Armee in Aceh massiven Terror ausgeübt, mit dem Verlust vieler Menschenleben.
Unter Megawati mit ihrem engstirnigen nationalistischen Diskurs werden die repressiven Aktionen des Militärs zunehmen. Die Bevölkerung Westpapuas und Acehs, die die Unabhängigkeit fordern, werden von Megawati unterdrückt werden und dabei wird die Armee ihr Hauptwerkzeug sein.

Welche Aufgaben stellen sich nun für die demokratische Bewegung?
Zunächst muss ich noch einmal betonen, dass die Kräfte der Neuen Ordnung wieder an der Macht sind.
Zweitens müssen die demokratischen Kräfte ihren Widerstand verstärken. Dies ist entscheidend, wenn die Kräfte der Neuen Ordnung vernichtet werden sollen. Wir müssen dies dem Volk erklären. Der Widerstand des Volkes muss durch Organe des Widerstands gefestigt werden, von der Nachbarschaft bis zur nationalen Ebene.
Warum nicht poskos [Sicherheitsposten] gegen die Neue Ordnung an strategischen Plätzen wie Märkten, Fabriken, Bushaltestellen organisieren? In der Zukunft könnten solche poskos die Basis für alternative Institutionen sein, die die verrotteten staatlichen Institutionen ersetzen.
Die Protestaktionen der Bevölkerung müssen fortgesetzt werden. Golkar-Büros, Parlamentsgebäude, Armeehauptquartiere, Regierungsämter müssen ihre Zielscheibe sein. Denn dort hocken immer noch die Kräfte der Neuen Ordnung.
Das Volk muss seine Souveränität erobern. Es müssen frühzeitig Wahlen stattfinden. Diese sollten von einer provisorischen Regierung durchgeführt werden. Es gibt keine Möglichkeit, dass wir der heute existierenden Exekutive oder Legislative trauen, da sie von den Kräften der Neuen Ordnung dominiert wird.
Eine provisorische Regierung muss von allen Kräften gebildet werden, die konsequent für die Zerstörung der Macht der Kräfte der Neuen Ordnung gekämpft haben. Und damit Wahlen wirklich demokratisch sind, muss zunächst Golkar der Prozess gemacht werden. Diese Partei muss für all ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.

Aus: Green Left Weekly (Sydney), Nr.459, 8.8.2001.

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