Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.18 vom 31.08.2001, Seite 13

(K)ein Abgesang

Die Zukunft der SoZ war schon...

Unter den MacherInnen und UnterstützerInnen der SoZ gibt es verschiedene Arten von Optimismus - den wir auch dringend brauchen! Die SoZ ist in der Krise: die Auflage sinkt, das Spendenaufkommen geht zurück, die Qualität der Artikel lässt nach, die Vielfalt der behandelten Themen nimmt ab, die Kräfte der Mitarbeitenden schwinden. Es handelt sich um einen Zustand extremen und sich immer noch weiter verschärfenden Mangels.
Die einen hoffen, die Krise durch noch (ein klein wenig!) mehr Anstrengung zu überwinden, durch mehr Mobilisierung (von Kräften, von materiellen Ressourcen). Der lang erhoffte und erarbeitete Aufschwung "der" Bewegung, der derzeit wahrzunehmen ist, soll uns wieder mehr Lesende, Mitarbeitende und Geld bringen und so den Niedergang unseres Druckerzeugnisses stoppen. Nicht nur ich, sondern auch Christoph Jünke, Manuel Kellner und andere kritisieren, dass diese Position den Ernst der Lage verkennt und sich an den nötigen grundsätzlichen Änderungen vorbeimogelt. Ich befürchte außerdem, dass die Auszehrung schon zu weit fortgeschritten ist, als dass solcherart Mobilisierung reichen könnte, um wieder regelmäßig eine gute SoZ zu machen. Die Krise der SoZ ist ja gerade eine Krise des "weiter so" — und wenn Krise immer die Situation kurz vor oder auch während der Änderung ist, so haben wir diese Chance seither nicht angemessen genutzt.
Was ist die Alternative zu dieser Vogel-Strauß-Politik? Der Erscheinungsrhythmus sei nicht das Wesentliche, was die beiden Konzepte voneinander unterscheide. Also die Frage, ob die SoZ mehr eine "Zeitung für AktivistInnen" oder eher ein "Theorieorgan" sein soll? Das kann doch nicht unser Ernst sein, das Verhältnis zwischen theoretischer Arbeit und Aktivismus dermaßen undialektisch als ent- oder —weder zu beschreiben!?
Nein, wir brauchen eine viel radikalere Form des Optimismus, um die Krise zu überwinden!
Es gibt (und ist in vielen "Anfängen" bereits heute zu erkennen) ein sinnvolles feministisches, linksradikales, internationalistisches, revolutionäres... publizistisches Projekt. Dieses Projekt (oder sind es mehrere?) ist grundlegend anders als die sonstige Medienlandschaft. Der dort betriebene Journalismus unterscheidet sich nicht nur im Anspruch, sondern auch in der Praxis von der bürgerlichen Presse mit ihrem verlogenen Objektivitätsanspruch. Die SoZ berichtet nicht, "wie es wirklich ist". Spannender sind andere Fragen: welche von uns erlaubt sich und ihren LeserInnen einen Blick auf die Wirklichkeit, der zuweilen näher, zuweilen distanzierter ist als anderswo? Wer erlaubt sich, diese Gesellschaft und den alltäglichen Wahnsinn, in dem wir leben, kritisch zu hinterfragen oder auch nur Situationen, Menschen, Themen zu behandeln, die sonst nicht zum Thema gemacht werden und dadurch oft in unserer von der Allgegenwart der Medien geprägten Welt gar nicht als existent wahrgenommen werden?
Genau das könnte die Qualität dieses Projekts ausmachen — und seine Existenzberechtigung: Berichterstattung, Kommentierung, Meinungsmache, Mobilisierung usw. in der ersten Person. Subjektiv, parteilich, engagiert, offen und durchschaubar Interessen vertretend. Und weil gerade in dieser Frage die Entsprechung von Form und Inhalt essentiell ist, wäre es keine stilistische, sondern vor allem eine politische Frage, dass zukünftig weit mehr Artikel, in denen "ich" steht, akquiriert und auch gedruckt werden.
Manuel fordert in seinem Beitrag, in der SoZ sollten (wieder) die Orientierungsdebatten der Linken geführt werden. Wenn wir davon ausgehen, es gäbe so etwas wie eine "Überproduktionskrise" auf dem linksradikalen Zeitungsmarkt und wenn wir zweitens die "Debattenlinke" als Kundschaft gewinnen und dadurch die Position der SoZ auf diesem umkämpften Markt konsolidieren wollen, ist das gar keine so schlechte Strategie. Sie greift aber zu kurz. Nicht nur, dass die "Debattenlinke" zum größten Teil aus den GenossInnen besteht, die Christoph die "zynische linke Intelligenz" nennt und zu Recht argumentativ bekämpft. Vor allem geht es nicht um ein mehr oder weniger großes Marktsegment — sondern darum, was wir in einem umfassenderen Sinne wollen. Das von Manuel skizzierte Blatt ist ausschließlich für die in engerem Sinne "politischen" Menschen — und auch da lehnen viele dankend ab: "da wir schon die ak haben (is ja irgendwie ähnlich wie die SoZ...), denken wir, dass sich die SoZ nicht lohnt. auch zum weiterverkaufen machts im infoladen überhaupt keinen sinn." (so jüngst die Einschätzung potentieller WiederverkäuferInnen). Darüber hinaus: wo bleibt da die strubbelige Wagenbürgerin, die alleinerziehende Politschlampe, was ist mit Theaterleuten, MusikerInnen, KünstlerInnen usw.? Die folgenschwerste Spaltung der "neuen Linken" ist nicht die in Kleingruppen mit verschiedenen politisch-ideologischen Schwerpunkten — sondern dass der Wirtschaftsteil und das Feuilleton völlig verschiedene Welten sind. Dass Fragen der Kultur, der Reproduktion, der Organisation des Alltags von ganz anderen Menschen diskutiert und organisiert werden als Betriebsratsarbeit, Wahlkämpfe und internationale Solidarität. Hier die biedere, spießige Politlinke, da eine bunte, aber tendenziell entpolitisierte Subkultur — so macht das doch keinen Spaß! Und so können sich die verschiedenen Bewegungen auch kaum sinnvoll verbünden.
Das Geheimnis liegt — wie so oft — in Kommunikation: Es gibt ein sinnvolles feministisches, linksradikales, internationalistisches, revolutionäres... publizistisches Projekt — das ist mein Optimismus. Zu behaupten, die SoZ sei dieses Projekt, hielte ich allerdings für vermessen. Die Frage ist, ob sie sich daran beteiligen will.
Was also ist zu tun? Zuallererst: raus aus dem Hamsterrad! Weg vom Aktualitätszwang, den Produktionsrhythmus deutlich verlangsamen (vorerst sollte die SoZ allerhöchstens alle vier Wochen erscheinen), damit Zeit und Kraft frei werden für Diskussion, Neuorientierung, Artikelakquise, AutorInnen"pflege". Eine zukünftige Redaktion wird deutlich mehr soziale, koordinierende, kommunikative Kompetenzen einbringen müssen. Das verlässliche Engagement (Arbeit und Geld) der GenossInnen aus der isl ist wichtig und wertvoll für die SoZ. Gleichwohl sollten sie im Interesse einer breiten Beteiligung verschiedenster MitstreiterInnen (dieses richtige Ziel haben wir von der VSP "geerbt") dafür sorgen, dass sie in der Redaktion und im HerausgeberInnenkreis der SoZ stets deutlich in der Minderheit sind.
Dann muss aufgearbeitet werden, warum die Kooperation mit der ak damals versandet ist. Es sind ja auch andere sinnvolle Formen der Zusammenarbeit außer einer Fusion denkbar.
Wir brauchen eine ehrliche (auch selbstkritische) Bestandsaufnahme: was für Zeitung(en) brauchen wir? Für welche politischen Projekte setzen wir Ressourcen ein, wo fehlen sie dadurch andererseits, können wir das politisch vertreten?
Das publizistische Projekt, das ich entstehen sehe, ist nicht nur "Papier mit Buchstaben drauf" — mir fallen spontan noch Radio und Internet ein. Welches Medium eignet sich wofür - das sollten wir nicht alleine am "grünen" Tisch diskutieren, sondern bspw. auf die Menschen vom BFR (dem Bundesverband Freier Radios) und von AMARC (dasselbe in international: Association mondiale des radiodiffuseurs communautaires) zugehen. Ähnliches gilt fürs Internet: da gibt es doch indymedia, das labour.net — und sicher noch einige andere GenossInnen, die ich übersehen habe.
Es geht um weit mehr als um "linke Debatte" — es geht darum, wie wir leben wollen, überhaupt um alles! Vor allem geht es um ein publizistisches Projekt, dessen Unterhaltungswert so groß ist wie sein Gebrauchswert (und über den Tauschwert diskutieren wir ein anderes Mal!).

Dorothea Mann

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