Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.20 vom 27.09.2001, Seite 15

Dub Syndicate:

Acres of Space

Bevor er Dub Syndicate gründete, spielte Lincoln Valentine "Style" Scott auf Jamaika mit den Roots radics. 1978 lernte er Prince Far I kennen. Dieser suchte Ersatz für seinen Schlagzeuger und fragte Scott, ob er nicht Lust hätte, mit nach London zu gehen. Dort lernte Style Adrian Sherwood kennen, der damals Prince Far I produzierte und bereits einen großen Namen im Dub-Geschäft hatte. In dieser Zeit entstanden die ersten Sessions für Adrian, dem Style Scotts Stil gefiel. Daraus entwickelte sich eine Band namens Creation Rebel, die eine Zeitlang als Begleitband für Prince Far I fungierte.
Etwa zur gleichen Zeit gründete Style Scott auf Jamaika sein eigenes Label und nahm viele Sachen mit den unterschiedlichsten Musikern auf. Diese Tracks spielte er Sherwood vor. Um das Problem zu umgehen, diese Stücke immer unter verschiedenen Namen zu veröffentlichen, entschlossen die beiden sich, das Projekt Dub Syndicate zu gründen.
Die Hoch-Zeiten des Dub sind leider lange vorbei und in Deutschland ist er leider nie so richtig angekommen. Dies gilt natürlich nicht für seine Einflüsse, die heute aus vielen Produktionen von Pop über Electronic bis hin zum Jazz zu hören sind. Doch seit 1979 haben Dub Syndicate diese Musikrichtung nicht zuletzt durch ihre fünfzehn Alben maßgeblich beeinflusst. Zusammen mit Adrian Sherwood an den Reglern haben sie einige der absoluten Meisterwerke des New Dub vorgelegt. Seit dem "Mellow & Colly"-Album 1998 erscheinen die Produktionen auf dem oben erwähnten eigenen Label Lion & Roots und nicht mehr auf Sherwoods On U sound.
Mit Acres of Space legte Dub Syndicate in diesem Sommer ein Album vor, dass nicht mehr wie in den 80er Jahren durch besonders innovative Soundspielereien glänzt, sondern es wird versucht Erfahrungen aus den letzten zwanzig Jahren dieses Genres zusammenzufassen. Erstaunlich viele Lieder für diese Formation werden durch die Vokalisten geprägt. Nicht immer gelingt die Mischung aus typischen Dub-Syndicate-Sounds und Sängern wie auf "One in a billion" mit Luciano. Das Lied hat es eigentlich das Zeug zu einem richtigen Hit. Besonders als Version — die CD umfasst zehn Songs und zwei Versionen — ist das Lied ein Dub-Reggae- Leckerbissen. Der Einsatz von Alan Glen an der Mundharmonika in diesem und anderen Stücken zeigt wie ein Instrument, das wir einem ganz anderen Genre zuschreiben würden, im Dub eine Bereicherung darstellt und gleichzeitig so daher kommen kann, als hätte es seit jeher dazugehört. Es bleibt dabei im Übrigen offen, ob Style Scott mit der Verwendung des Begriffs Version darauf aufmerksam machen will, dass oft die B-Seiten die interessanteren Seiten der Singles waren, die im Reggae eben Version hießen.
In "Time" glänzt Capelton mit einer Mischung aus Raggamuffin Raps und Reggaegesang, dies in einen "Roots & Dub"-Style gegossen, der auch nach dem fünften Hören noch ungemein reizvoll daher kommt. Neben der bereits erwähnten Mundharmonika, ist es noch die Geige von Sovra, die als zusätzliches Element für Impulse sorgt.
Eingespielt wurden die Stücke auf Jamaika, wo Style Scott seit einigen Jahren lebt. Abgemischt wurde sie von Adrian Sherwood in London. Es ist genau dieser geografische Spagat, der die Produktion auch musikalisch prägt. Es ist einiges an Reggae auf der CD zu hören, aber die Samples und Beats des New Dub — oder auch London Dub — geben dem ganzen erst den letzten Schliff, der das besondere dieser Musik ausmacht. Vor allem welche Räumlichkeit Adrian Sherwood dem kongenialen Schlagzeugspiel Style Scotts zukommen lässt, ist einfach immer wieder erstaunlich. Dass vor allem die Bassdrum ungemein satt und fett aus den Lautsprechern kommt, kann vor allem all diejenigen erfreuen, die hart aufgehängte Basslautsprecher verfügen.
Die Lyrics zur Musik sind geprägt durch die Rasta-Religion, deren musikalischer Ausdruck Reggae eben ist. So ist halt viel von Negus über Jah bis Moses und Aaron zu hören und, dass das Gute schon über das Böse siegen wird und das einer zusammenlebenden Menschheit die Zukunft gehört. Aber es ist sowohl möglich, über diese weltanschaulich fragwürdigen roots hinwegzuhören, wie auch eine Erklärung in der Geschichte der Afrikaner Jamaikas und ihrer sozialen und kulturellen Situation zu suchen. Und dieser Geschichte der Unterdrückung haben Dub Syndicate sehr wohl im Blick. Die Message, die herüber gebracht werden soll, umschrieb Style Scott einmal folgendermaßen: "Reggae ist eine ursprüngliche Musik mit einem orthodoxen Beat. Sie erzählt viel von unserer Geschichte, von Unterdrückung und Depression. Reggae kann überall gespielt werden, wo die Menschen unterdrückt werden, ob in Asien, Amerika oder Europa. Es ist die Musik der kleinen Leute."

Tommy Schroedter

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