Sozialistische Zeitung |
Während die US-Regierung den Krieg vorbereitet, sollte die Arbeiterbewegung Überlegungen über die Auswirkungen der Anschläge
anstellen und mit Umsicht vorgehen. Die Arbeiterbewegung hat in den vergangenen sechs Jahren nach und nach versucht sich zu reorganisieren, und die neue Situation stellt uns vor einen
Scheideweg: Werden wir den Kampf gegen die Globalisierung der Konzerne fortsetzen und die Verbindungen zu Werktätigen in anderen Ländern vertiefen oder werden wir in eine
"Amerika zuerst"-Haltung fallen? […]
Der [Gewerkschaftsdachverband] AFL-CIO erklärte schnell seine volle Unterstützung für alle Aktionen, die
Präsident Bush durchzuführen entschied, und die [Autogewerkschaft] UAW schloss sich an. Die Teamsters entdeckten ihren Eifer aus der Reagan-Ära wieder und riefen sofort
zum Krieg gegen alle Staaten auf, die Terroristen beherbergen. [AFL-CIO-Präsident] John Sweeney hatte Präsident Bush Unterstützung angeboten und geäußert:
"Wir stehen voll hinter dem Präsidenten und der Führung unserer Nation in dieser Zeit der nationalen Krise. Wir werden die angemessene amerikanische Antwort
vollständig unterstützen."
Die [Gewerkschaft der] Stahlarbeiter rief zur Vergeltung auf, aber fügte hinzu, dass die USA unschuldigen Zivilisten
nicht schaden sollen, und verwies auf die Armut und Ungerechtigkeit, die "Rekruten für die Armeen der Intoleranten" liefern.
Die SEIU, mit einem großen Immigrantenanteil unter den Mitgliedern, sprach sich dafür aus, alle passenden
Maßnahmen zu ergreifen, aber warnte deutlich davor, Immigranten und besonders Araber zu Sündenböcken zu machen. Die United Farm Workers riefen auch zur Vergeltung
auf, verwiesen dabei aber mäßigend auf die Erinnerung an Cesar Chavez und sein Erbe der Gewaltlosigkeit. […] UFW und SEIU haben zu Demonstrationen zur Bekämpfung
immigranten- und araberfeindlicher Maßnahmen aufgerufen.
Die vielleicht größte Gefahr für die Arbeiterbewegung in den kommenden Monaten wird der Versuch der
Regierung sein, um den Krieg und all die damit einhergehenden hässlichen Dinge herum einen Konsens herzustellen. In Kriegszeiten werden alle legitimen Forderungen der Arbeiterschaft
und jeder anderen Gruppe in der Gesellschaft (mit Ausnahme der Konzerne, die die Waffen herstellen) als selbstsüchtig betrachtet. […]
Diese Tragödie ist für die amerikanische Arbeiterbewegung eine Herausforderung, ihre internationalistische
Haltung zu vertiefen. Die AFL-CIO ist einzigartig unter den Gewerkschaften der industrialisierten Nationen in dem Maße, wie sie sich, wenn auch nicht immer konsequent, an der breiten
Bewegung gegen die Globalisierung beteiligt hat. […]
Die amerikanische Arbeiterbewegung hat große Fortschritte gemacht, als sie ihr Los mit dem von Arbeitern in aller Welt
verband. Kann sie nun einen neuen Anlauf machen oder werden dies nun nur noch Friedensaktivisten tun?
Teofilo Reyes
(Leitartikel der gewerkschaftlinken US-Zeitschrif Labor Notes, Oktober 2001.)
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