Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 11.10.2001, Seite 11

Aktionen zum EU-Gipfel in Belgien

Was passiert wo?

Der EU-Gipfel im Dezember wird den Prozess der Revision des Vertrags von Nizza in Gang setzen. Er findet am Vorabend der Einführung des Euro und der EU-Osterweiterung statt und wird daher eine Menge an politischer Energie mobilisieren. Er wird zu einem wichtigen Treffpunkt für Gegnerinnen und Gegner der EU innerhalb und außerhalb Europas werden. Das wird durch die geographisch zentrale Lage von Brüssel noch begünstigt. Die Mobilisierungen im Vorfeld von Brüssel (wie die in Lüttich am 19. und 20.September), sind nach Göteborg und Genua ein wichtiger Test für das Verhältnis zwischen Demonstrierenden, Polizei und Behörden.
Es gibt drei größere Kräfte, die Gegeninitiativen ergreifen:
die Gewerkschaften (der EGB und die beiden großen belgischen Gewerkschaften FGTB und CES). Sie haben am 21.9. in Lüttich eine Demonstration mit 12.000 Teilnehmenden organisiert. Am 19.10. planen sie eine öffentliche Aktion in Gent und am 13.12. eine Großdemonstration in Brüssel mit mindestens 60.000 Teilnehmenden. Ihr Aufruf ist sehr zurückhaltend, es gibt keine konkreten Forderungen an die EU.
Alles was Rang und Namen hat, ruft zu diesen Demonstrationen auf, aber mit unterschiedlichen Aufrufen. Ahnlich wie auf der EGB-Demo in Nizza werden die radikaleren Kräfte, die im Bündnis D14 zusammengeschlossen sind, einen eigenen Block darin organisieren. Darüberhinaus gibt es eine Vielzahl weitere Aktivitäten:
Die NGOs planen für den 7. und 8.Dezember einen Gegengipfel in Brüssel. Er wird von der Regierung finanziert, aber das bedeutet nicht, dass er nicht kritisch Position beziehen wird.
D14 will am 14.12., dem Tag der Eröffnung des EU-Gipfels, eine eigene Demonstration nach Laeken organisieren. Geplant sind Aktionen des zivilen Ungehorsams, um zu verhindern dass auf dem Gipfel einfach business as usual getrieben wird. D14 ist ein Bündnis, das die EU-kritischen Kräfte sammelt. Es hat eine Plattform, die sich gegen die EU in ihrer jetzigen Form ausspricht und ein "anderes Europa" fordert — sozial, ökologisch, demokratisch und antimilitaristisch. Es lehnt die EU in ihrer bestehenden Form ab. Bisher setzt sich D14 vorwiegend aus Kräften der radikalen Linken zusammen — aber es strebt ein breiteres Bündnis an.
Attac hat am 20. und 21.September in Brüssel zusammen mit belgischen NGOs und den belgischen Gewerkschaften einen "BürgerInnenkongress" organisiert, an dem gut 150 Menschen teilgenommen haben. Auf dem Kongress hat Attac Europa bekanntgegeben, dass es am 14. und 15.Dezember in Brüssel im Rahmen eines breiteren Bündnisses, das am 19.Oktober gleichfalls in Brüssel gebildet werden soll, einen Gegengipfel organisieren will. Es will mit diesem Gegengipfel den Rahmen für ein breites Programm bieten, das auch vielfältige Straßenaktionen, Aktionen des zivilen Ungehorsams u.a. vorsieht. Genaueres wird Ende Oktober zu erfahren sein.
Eine übergreifende Struktur wie das Genoa Social Forum gibt es in Belgien nicht. Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen:
Viele Kräfte, die gegenüber der Globalisierung "im allgemeinen" kritisch eingestellt sind, sind dies gegenüber der EU nicht;
die Gewalttätigkeiten von Göteborg und Genua haben Spuren hinterlassen;
es gibt ein Misstrauen gegenüber Kräften der extremen Linken, die in D14 aktiv ist.
Von Stadt zu Stadt ist die Situation unterschiedlich. In Brügge wurde die Demonstration am 6.9. von einem sehr breiten Bündnis vorbereitet, das auch Regierungsparteien umfasste (Sozialdemokraten und Grüne). Brügge ist die einzige Stadt, in der sich Sozialdemokraten und Grüne an der Demonstration beteiligten.
In Lüttich gab es ebenfalls ein breites Bündnis, das auf der Demonstration von den Gewerkschaften, auf dem Kongress von Attac dominiert wurde.
In Gent beteiligen sich die NGOs am lokalen Bündnis. Die Gewerkschaften dagegen haben es nach Genua verlassen und ihre Zusagen für die Demo gestrichen. Nachdem die Mobilisierungen in Lüttich jedoch von allen sehr positiv beurteilt wurden, scheint es eine Chance zu geben, dass die Gewerkschaften auch in Gent wieder mit von der Partie sind.
Während des EU-Gipfels in Brüssel/Laeken im Dezember wird es eine Vielzahl paralleler Initiativen geben: Nach der Demonstration will sich die radikale antikapitalistische europäische Linke treffen, die zum erstenmal vor einem Jahr in Paris zusammengekommen war. Parallel dazu soll es ein breites Treffen der europäischen sozialen Bewegungen geben. Vorgeschlagen wird ein Internationaler Marsch der Ausgegrenzten von Brüssel nach Sevilla, wo der EU-Gipfel im Juni 2002 stattfinden wird.
Die europäische Erwerbslosenversammlung wird am 12. und 13.Dezember tagen. Einige hundert Teilnehmende werden dazu erwartet. Ihr Ziel ist, eine europaweite soziale Bewegung der Erwerbslosen und ungeschützt Beschäftigten aufzubauen, gemeinsame Forderungen zu entwickeln und Kontakte zu anderen sozialen Bewegungen (Frauen, Bauern, Migranten usw.) aufzubauen.

Frank Slegers

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04


LeserInnenbrief@soz-plus.de
zum Anfang