Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.22 vom 25.10.2001, Seite 2

Berlin-Wahl - Buhlen um die SPD

Auch nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 21.Oktober hält sich die Spannung. Klaus Wowereit, Spitzenkandidat der SPD und kommender Bürgermeister, kann sich bei einer insgesamten Wahlbeteiligung von knapp 70% mit einem Wahlergebnis von 30% für die SPD zwischen verschiedenen Koalitionspartnern entscheiden: allein mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), die 22,6% der Stimmen bekommen hat, oder mit den liberalen Freien Demokraten Deutschlands (FDP) und den Grünen, die mit knapp 10 bzw. 9% als gemeinsame Koalitionspartner für den Berliner Senat in Frage kämen.
Die christdemokratische CDU hat mit mehr als 17% eine ihrer größten Wahlniederlagen erlitten und kommt für Wowereit ohnehin nicht als Partner in Frage, denn der Bruch der großen Koalition wegen eines CDU-Finanzskandals zu Beginn des Jahres hatte erst zu den Neuwahlen geführt. Größte Gewinnerin war die FDP, die mit einem Zugewinn von 7,7% — hauptsächlich auf Kosten der CDU - wieder ins Abgeordnetenhaus einziehen konnte. Zweite war die SPD, die ebenfalls einen Stimmenzuwachs von knapp über 7% hatte. Die PDS war dritte Gewinnerin und kam auf ein Plus von 4,9%. Sie erzielte in Ost-Berlin mit 47,6% (+8,1) nahezu die absolute Mehrheit und brachte es im Westteil der Stadt auf 6,9%, dass sind 2,7 Prozentpunkte mehr als zu den Berliner Wahlen 1999.
Nach Analysen des Meinungsforschungsinstitutes Infratest Dimap erhielt gerade die PDS einen zusätzlichen Schub durch die US-Angriffe gegen Afghanistan. Die PDS weckt in einigen Mileus Hoffnungen: Für sieben von zehn PDS-Wählern war das Image der Antikriegspartei ein ausschlaggebendes Motiv. Dies führte auch zu dem verhältnismäßig gutem Ergebnis im Westteil der Stadt, wo ehemalige Wähler der Grünen der PDS über die 5%- Hürde verhalfen. Die PDS hat vor allem auf junge Wähler unter 24 mit Hochschulreife eine große Ausstrahlung: mit 30% ist sie in dieser Wählergruppe stärkste Partei.
Gregor Gysi, der Spitzenkandidat der PDS, hat die SPD davor gewarnt, die Wähler im Osten abermals zu übersehen. Als einzige Bedingung für Verhandlungen mit der SPD nannte Gysi nach Angaben der Nachrichtenagentur Associated Press, dass bei Bildung und Kultur nicht gespart werde und die PDS eines der Schlüsselressort wie Inneres, Finanzen oder auch Stadtentwicklung erhalte. Er würde notfalls sogar ein rot-rot-grünes Bündnis akzeptieren, "auch wenn es keine Traumvariante ist", denn "natürlich ist es zu dritt immer schwieriger als zu zweit". Damit spielte er auch auf eine mögliche Ampelkoalition zwischen SPD, FDP und Grünen an, die es in der Vergangenheit in der Hansestadt Bremen und im Bundesland Brandenburg schon gegeben hatte — keine von ihnen hat auch nur eine Legislaturperiode überlebt.
"Es hat uns genutzt, dass wir eine klare Position zum Krieg in Afghanistan vertreten haben", bekundete Gysi, der sich noch auf dem Parteitag der PDS vor zwei Wochen in Dresden für "begrenzte militärische Aktionen" zur Ergreifung Ussama bin Ladens ausgesprochen hatte. Dennoch hatte die PDS auch nach dem Parteitag ihr Image als Anti-Kriegspartei festigen und ihr Zwischentief (14—15%) nach dem 11.September bei Wählerumfragen in Berlin mit den Bombenangriffen der USA auf Afghanistan überwinden können. Für Bundeskanzler Gerhard Schröder war die Haltung zur US-Militäroffensive Grund genug, die PDS von den Spitzengesprächen zu militärischen Fragen im Kanzleramt auszuschließen. Auch andere SPD-Politiker erklärten die PDS daraufhin als auf "Bundesebene nicht koalitionsfähig".
Dennoch will der Generalsekretär der SPD, Franz Müntefering, der Berliner SPD freie Hand lassen. Auch einige seiner Parteifreunde weisen darauf hin, dass Landesregierungen keine außenpolitische Kompetenz haben und eine Berliner Koalition keinesfalls ein Modell für die Bundesregierung sei, die im kommenden Jahr neu gewählt wird. Ein Ball, den auch Spitzenpolitiker der PDS gerne aufnehmen. Dabei lassen sie jedoch offen, was dies für die Bundesebene bedeuten würde.
Führende Manager und Chefs von Unternehmensverbänden in Berlin haben sich gegen eine Koalition von SPD und PDS ausgesprochen, weil sie u.a. die Konsolidierung des stark verschuldeten Landeshaushaltes gefährdet sehen. Dabei würde ein Blick in das 100-Tage Programm der Berliner PDS genügen, um ihnen die Angst zu nehmen. Die Haushaltskonsolidierung steht auch bei der PDS an erster Stelle. "Wer Arbeitslosigkeit bekämpfen will muss das Wirtschaftswachstum fördern", steht dort außerdem geschrieben. Die Lehrpläne an den Schulen sollen so gestrafft werden, dass schon nach zwölf Jahren die Hochschulreife erlangt werden kann und für die öffentliche Sicherheit sollen mehr Polizeibeamte auf die Straße und in die Bahnhöfe. Das sind keine originären Merkmale sozialistischer Politik.
Die Regierungsbeteiligung der PDS in Mecklenburg-Vorpommern lässt ebenfalls nichts gutes ahnen. Dort sind mit ihrer Zustimmung Einschnitte ins soziale Netz vorgenommen worden. Gysi hat schon vor seiner Wahl angekündigt, dass er in Berlin auch Privatisierungen nicht kategorisch ablehnen würde. Doch auch auf den Bänken der Opposition müsste sich die PDS zunächst von ihrer Fixierung auf die kommenden Wahlen lösen. Denn wirkliche Opposition geht nicht als Wahlpartei.

Gerhard Klas

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