Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.22 vom 25.10.2001, Seite 8

Der 11.September war nur ein Auslöser

Die Gelegenheit ist zu gut

Ein Master Sergeant der US-Sondereinsatzkräfte und bekennender Linker meldete sich im Oktober im Internet mit folgendem Kommentar zu Wort (von der Redaktion zusammengefasst):

Von den 70 Beweispunkten, die die US-Regierung Tony Blair vorlegten, bezogen sich ganze neun auf die Angriffe auf das World Trade Center, und das waren nur Vermutungen. Es ist eine Lügengeschichte von Anfang bis Ende. Die offizielle Begründung der USA für den Krieg beruht auf zwei Prämissen, die beide einer Prüfung nicht standhalten. Prämisse 1 lautet: Der Krieg ist eine "Antwort" auf den 11.September. Prämisse 2 lautet: Die Angriffe auf das World Trade Center und auf das Pentagon gingen von Afghanistan aus. Für beide Prämissen stehen bis heute die Beweise aus.
Hingegen gibt es eine Reihe von Entwicklungen, die lange vor dem 11.September liegen, die geradewegs nach Afghanistan führen. Doch mit den Anschlägen haben sie nichts zu tun.
Zunächst sticht die Zusammensetzung des Kabinetts Bush ins Auge. Der Vizepräsident (Cheney) ist Vorstandsmitglied eines Ölkonzerns und ehemals Verteidigungsminister. Der Nationale Sicherheitsberater ist Direktor einer multinationalen Ölgesellschaft und ein Russlandexperte. Der Außenminister (Powell) war früher Generalstabschef. Der Verteidigungsminister (Rumsfeld) war Vorstandsmitglied der Searle Pharmaceuticals. Er und Cheney wurden im Mai 2000 zu Sprechern des Forums russisch-amerikanischer Wirtschaftsführer ernannt. Die hervorstechenden Säulen dieses Kabinetts sind also das Öl, die wirtschaftlichen Interessen in Russland und das Militär.
Man kann daraus schließen, dass die fossilen Brennstoffe im Mittleren Osten und in Südasien im Mittelpunkt des Interesses stehen. Nicht nur, weil es hier direkte Interessen gibt, sondern auch weil die Weltproduktion an fossilen Brennstoffen einen Höhepunkt erreicht hat und die Gefahr groß ist, dass sie abstürzt. Alternative Energien können diesen Rückgang nicht auffangen. Ein drastischer Rückgang aber würde den Charakter unserer Zivilisation vollständig ändern. Das macht aus Öl mehr als nur eine Ressource, und der Drang, seine Vorkommen zu kontrollieren, ist mehr als nur der Ausdruck wirtschaftlichen Wettbewerbs.
Ich schließe des weiteren daraus, dass die wirtschaftliche Kolonalisierung der früheren Sowjetunion wahrscheinlich ganz oben auf der Tagesordnung steht, und es gibt hier eine sehr mächtige Synergie mit der Kontrolle über die fossilen Brennstoffe. Russland ist nicht nur im Besitz großer ungenutzter Ressourcen, auf die die krisenhafte imperialistische Wirtschaft scharf ist, es bleibt auch eine ernstzunehmende militärische und atomare Herausforderung.
Wenn wir akzeptieren, dass es bereits vor dem 11.September eine ausgearbeitete Strategie gegeben hat, die Kontrolle über die Ölvorkommen im Mittleren Osten und in Südasien auszubauen und gleichzeitig die Sowjetunion einzudämmen und zu kolonisieren (man kann diese Strategie bis zur Amtszeit von Jimmy Carter zurückverfolgen), dann ist Afghanistan exakt der Ort, wo man hingehen musste, um das Ziel zu erreichen. Afghanistan ist notwendig als Operationsbasis, um die südasiatischen Republiken zu destabilisieren und unter Kontrolle zu bekommen, und als Durchgang für eine Ölpipeline zur Belieferung des asiatischen Markts.
Der pakistanische Außenminister Niaz Naik erklärte kürzlich gegenüber BBC, ältere amerikanische Politiker hätten ihn Mitte Juli gewarnt, für Mitte Oktober sei eine militärische Aktion in Afghanistan geplant. 1996 erstellte das amerikanische Energieministerium Berichte, die von der Wünschbarkeit einer Pipeline durch Afghanistan sprachen; 1998 bezeugte der Konzern Unocal vor dem Unterausschuss Asien-Pazifik des Repräsentantenhauses, diese Pipeline sei für den Transport von Erdöl aus dem Kaspischen Meer in den Indischen Ozean unerlässlich.
Angesichts der Fakten scheint es möglich, dass eine militärische Operation in Afghanistan bereits seit fünf Jahren in der Planung ist. Ich kann daraus nur schlussfolgern, dass die militärischen Aktionen, die wir heute erleben, lange vor dem 11.September geplant wurden. Ich bin mir dessen sogar sicher. Denn die Planungen für solche Operationen brauchen Monate. In drei Wochen kann man sowas nicht auf die Beine stellen…

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