Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.22 vom 25.10.2001, Seite 15

Woody Guthrie:

Till we outnumber them

Es war eine bunte Schar von Künstlerinnen und Künstlern, die sich im September 1996 in Cleavland versammelt hatten, um in Gesprächen, Vorträgen und Konzertbeiträgen einem ihrer großen Vorbilder zu gedenken. Woodrow Wilson Guthrie, geboren 1912 in Okemah (Oklahoma), gestorben 1967 in New York, gehörte sicherlich zu den einflussreichsten Folkmusikern des 20.Jahrhunderts. So unterschiedliche Musikerinnen und Musiker, wie Ani Di Franco oder Bruce Springsteen, Dave Pirner von Soul Asylum und Billy Bragg, oder Bono von U2 und die Indigo Girls; sie alle nennen ihn, wenn es um wesentliche Einflüsse auf ihre Musik geht.
Es ist der Ausdauer Ani Di Francos zu danken, dass in diesem Jahr endlich eine musikalische Zusammenfassung des Abschlussfestes dieser Veranstaltung auf ihrem Label Righteous Babe Records erscheinen konnte. Schier endlos mussten die Verhandlungen mit den Plattenfirmen der einzelnen Künstlerinnen und Künstler erschienen sein.
Den Titel hat diese CD nach einer Geschichte Woody Guthries, die dessen Sohn Arlo zum Ausklang dieser Produktion vorträgt, während im Hintergrund Woody Guthries wohl bekanntestes Lied, "This land is your land" von den anderen Teilnehmenden gesungen wird. Diese Geschichte ist kennzeichnend für den pazifistischen Humor Guthries, den die CD ansonsten leider kaum widerspiegelt. Ein Hasenpärchen flüchtet vor zwei geifernden Hunden in eine kleine Höhle. Die Häsin äußert die Befürchtung, dass sie nicht mehr lebend davon kommen. Darauf der Hase: "Mach dir keine Sorgen, wir bleiben hier, bis wir mehr sind als sie — till we outnumber them."
Die CD ist eine klassische Folk-Produktion, lediglich Ani Di Franco glänzt bei ihrer Version von Do Re Mi mit einigen innovativen Gitarrenpassagen. In der Originalfassung setzt Guthrie eine lustige Melodie der Geschichte über den unmenschlichen Zynismus der kalifornischen Grenzpolizei entgegen, die landlose Bauern aus Oklahoma an der Grenze zurückweist. Ani Di Franco interpretiert den Text viel düsterer und lässt damit ahnen, wie viel brutaler das Grenzregime heute gegen die Latinas und Latinos ist, die versuchen über die Grenze zu kommen.
Dass Woody Guthrie als Schöpfer des Talking Blues in seiner Zeit innovative Herangehensweise an die Folk Musik seiner Epoche bewies, hätte eigentlich nach einem zeitgemäßeren Gewand für eine solche Produktion verlangt, als diese, oft bieder erscheinende Interpretation seiner Lieder. Dennoch gefällt mir vor allem Bruce Springsteens Fassung von "Deportee".
In dem Lied geht es vordergründig um einen Flugzeugabsturz, bei dem mexikanische Landarbeiter 1948 nach Mexiko abgeschoben werden sollten. In einem Abkommen zwischen den USA und Mexiko von 1947 wurde die Abschiebung von Saisonarbeitern aus Mexiko geregelt und es war ein Flugzeug in dem sich genau solche Saisonarbeiter befanden. Damit ist dies wohl das älteste Lied gegen Abschiebung. Gleichzeitig ist sie ein Beweis über die Aktualität der Themen in vielen der wohl über 2000 Lieder, die der Songwriter der Nachwelt überließ.
Die Lieder dieser CD stellen sicherlich keinen repräsentativen Querschnitt des Gesamtwerks von Woody Guthrie dar, es wird jedoch deutlich, wie stark Guthrie mit den verschiedenen Schichten der US-Arbeiterklasse verbunden war. Jack Elliots Interpretation von "1913 Massacre" bspw., in der es um die Ermordung einer Gruppe von Bergarbeitern durch ihre Bosse ging, gehört zu denen die der späte Weggenosse Guthries nah am Original interpretiert. Eine Zeitungsmeldung über die Ermordung von Facharbeitern ließ Guthrie genauso so zum Stift greifen, wie die täglich erlebte Situation der "Landstreicher".
Guthrie, der von seinem 18. Lebensjahr an als sog. Hobo auf Güterwagen der Eisenbahn, zu Fuß oder auf einem Lkw durch die USA zog, mal als Gelegenheitsarbeiter, mal in Kneipen mit seiner Musik ein paar Cent verdiente, war gerade deswegen für die Jugend der 60er ein Vorbild. Er hatte bereits mit "This land is your land" oder "Bound for Glory" die Hymnen geschrieben, für die Jugend der McCarthy-Ära der 50er, die anfing, sich an den Colleges der USA gegen die Zwänge dieser repressiven Gesellschaft zu wehren. Ob Pete Seeger, Joan Baez oder Bob Dylan, alle haben sie mit den Liedern von Guthrie begonnen.

Tommy Schroedter

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