Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.23 vom 08.11.2001, Seite 2

Hamburger Koalition

Widerstand gegen Gruselkabinett

Widerstand: Mit Sicherheit", unter diesem Motto demonstrierten am Mittwoch mehr als 3000 Menschen durch die Hamburger Innenstadt. Aufgerufen dazu hatten Organisationen aus allen Bereichen: Antirassistische Gruppen, Antifa, Bürgerinitiativen, Rote Flora, Gewerkschaftsmitglieder, Autonome. Anlass für den Protest war die Konstituierung des neuen Senats, des sogenannten Bürgerblocks aus CDU, Partei der Rechtsstaatlichen Offensive (PRO) und FDP.
Zum "Puscheln gegen Law and Order" forderte eine Gruppe von pink und silbern gekleideten Frauen auf. Gut 150 Gartenzwerge waren auf der Suche nach dem Großmufti aller Spießer, dem Obergartenzwerg Ronald Barnabas Schill (PRO). Als Symbol für die restriktive Ausgrenzungspolitik des neuen Senats hatten sie einen Jägerzaun auf ein Transparent gemalt. Rednerinnen und Redner kritisierten die Politik des neuen Senats.
Sie wiesen aber auch darauf hin, dass die reaktionäre Politik von SPD und Grünen Schill überhaupt erst möglich gemacht habe. Dadurch sei der Boden für die im neuen Koalitionsvertrag festgeschriebene Politik der sozialen Ungleichheit bereitet worden. Auch wurde im Zusammenhang mit dem Abbau demokratischer Rechte darauf verwiesen, dass Otto Schily mit seinem sogenannten Anti-Terror-Paket und dem geplanten Zuwanderungsgesetz Politiker jedweder Couleur in den Schatten stelle.
Trotz des großen Widerstandspotenzials liefen die Dinge im Rathaus wie geplant: Ole von Beust (CDU) und sein Gruselkabinett wurden vereidigt. Seine Truppe ist angetreten, das Volk das Fürchten zu lehren. Schill alls Innensenator, ein Berufssoldat als oberster Chef der Schulbehörde und ein Manager als Wissenschaftssenator lassen nichts Gutes ahnen. Nicht nur sie stehen für das Prinzip "Leistung soll sich wieder lohnen".
Eliteförderung und Einwerben von Drittmitteln für Bildung und Forschung sind die vorgegebenen Stichwörter. Sozialhilfe gibt es für "adäquate Gegenleistung", wenn möglich sogar nur in Form von Sachmitteln.
Verkehrspolitisch wird die neue Landesregierung das Prinzip Tabula Rasa anwenden. Getreu dem Motto "Freie Fahrt für freie Bürger" wird die Verkehrssicherheit nach den Maßstäben von Autofahrern definiert. Alle "Verkehrsschikanen" sollen beseitigt werden: Tempo-30-Zonen, verkehrsberuhigte Wohngebiete, Busbuchten und was dem "freien Bürger" sonst noch im Wege ist. Wegbegrenzungen, sog. Poller, sind anscheinend ein rotes Tuch für den neuen Senat.
Zur Finanzierung seiner Pläne hat der neue Senat allerdings nur ein Rezept parat: Privatisierung staatlichen Eigentums. Von den Gewerkschaften ist nicht allzuviel Widerstand zu erwarten. DGB-Vorsitzender Erhard Pumm, der dieser Tage auf dem Hamburger Gewerkschaftstag wiedergewählt wurde, sagte dazu in den Medien der Hansestadt, Privatisierung sei nicht der Streitpunkt, es komme darauf an, wie dabei mit den Beschäftigten verfahren werde.
Vor allem aber dürfte die Verkehrspolitik einer der Kristallisationspunkte in der politischen Auseinandersetzung werden. Die Stresemannstraße wird dabei zur Nagelprobe im Machtkampf zwischen Protestbewegung und Senat werden.
Nachdem vor zehn Jahren eine Neunjährige bei einem Autounfall auf der Stresemannstraße ums Leben kam, konnten durch anhaltende Protestaktionen Tempo 30 sowie Zweispurigkeit für einen wesentlichen Teil dieser ehemals vierspurigen Ausfallstraße durchgesetzt werden.
Diese verkehrsberuhigenden Maßnahmen waren ein großer Erfolg für die Protestbewegung — das einzige, was in Hamburg in den vergangenen Jahren durchgesetzt werden konnte. Die Verkehrsinitiative will hier nichts zurückdrehen lassen. Derzeit wird ein Bürgerbegehren gegen die Rückwandlung der Stresemannstraße in eine innerstädtische Rennstrecke vorbereitet.

Birgit Gärtner (jW)

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