Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.23 vom 08.11.2001, Seite 4

Rechtsextreme

Zwischen Antiamerikanismus und rassistischer Hetze

Die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon in Washington und New York haben bei deutschen Rechtsextremisten gespaltene Reaktionen ausgelöst: Während NPD und militante Neonazis die Anschläge mit unverhohlener Freude begrüßten und sich damit nach Ansicht von Experten dem Parteiverbot wieder einen Schritt nähergebracht haben, sehen DVU und Republikaner sich in ihrer Ablehnung der "multikulturellen Illusion" bestätigt und fordern ein Ende des "unterschiedslosen Zusammenlebens von Menschen aller Kulturen".
Der Bundesvorstand der NPD verurteilte die Anschläge vordergründig, erinnerte aber gleichzeitig daran, dass die USA "seit ihrer Gründung eine imperialistische Politik betrieben" hätten und folgerte: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten". Die schleswig- holsteinische NPD sparte sich diese Zurückhaltung und begrüsste in einer Erklärung "jubelnd" den Terroranschlag. Ihr Chef, Jürgen Gerg, erklärte, jetzt sei "Schluss mit der amerikanischen Selbstherrlichkeit und dem One-World-Imperialismus" und setzt die Anschläge mit den alliierten Luftangriffen gegen Nazi- Deutschland gleich. Die NPD solidarisiere sich mit den "Völkern der freien Welt, zu denen wir insbesondere Afghanistan und auch den Irak zählen".
Auch Neonazi-Gruppen sympathisierten mit den Attentätern und bejubelten die Anschläge. Der "Nationale Widerstand Norddeutschland" verbreitete auf seiner Homepage: "Das Symbol der weltweiten Ausbeutung und Globalisierung ist gefallen". Das den freien Kameradschaften nahestehende "Aktionsbüro Norddeutschland" um Christian Worch bezeichnete die Anschläge als "Bushfeuer von Manhattan". Sie seien für die USA ein "Schluck von der eigenen Medizin", eine logische Konsequenz der Politik der USA.
Seit Beginn des Krieges gegen Afghanistan mobilisiert die NPD zu Friedensdemos und fordert die Auflösung der NATO. Auf einer "Friedensdemonstration" unter dem Motto "Deutschland ist mehr als die BRD — Frieden für Deutschland" marschierten etwa 1000 Neonazis durch die Berliner Innenstadt. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt erklärte dort Kriegsdienstverweigerung zur soldatischen Pflicht, wenn "deutsches Blut" für fremde Interessen geopfert werden solle.
Der ehemalige NPD-Landesvorsitzende Steffen Hupka widersprach noch einmal allen Bemühungen der Parteiführung, ein drohendes Verbot doch noch abzuwenden, als er während der Abschlusskundgebung erklärte: "Ich wünsche den USA den Tod als Macht in der Welt." Damit hatte er klar gegen die Auflagen verstoßen, denen die NPD für die Veranstaltung zustimmen musste: Die Terroranschläge gegen die USA durften weder in Reden und Sprechchören, noch auf Transparenten gerechtfertigt oder gebilligt werden. Die Polizei entschied sich jedoch dafür, die Veranstaltung nicht aufzulösen.
Dennoch könnten Hupkas Ausfälle für die Partei ein Nachspiel haben. Ein Verbot der NPD im anstehenden Verfahren scheint wahrscheinlicher geworden zu sein. In Anlehnung an das KPD-Verbot muss ihr hierzu eine "aktiv kämpferische, aggressive" Haltung gegenüber der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung nachgewiesen werden. Innenminister Otto Schilys gibt sich zuversichtlich; dazu dürften auch die Äußerungen des NPD- Rechtanwalts Horst Mahler beigetragen haben.
Mahler hatte kurz nach den Anschlägen eine Erklärung veröffentlicht, in der er die Angriffe als "eminent wirksam und deshalb rechtens" bezeichnete. Und Mahler zeigt exemplarisch, was deutsche Neonazis mit radikalen Islamisten verbindet: Antiamerikanismus und offener Antisemitismus, der in der Globaliserung ein jüdisches Projekt zur Unterjochung der Völker sieht. Die Angriffe markierten "das Ende des Amerikanischen Jahrhunderts, das Ende des globalen Kapitalismus und damit das Ende des weltlichen Jahwe-Kultes, des Mammonismus". Dem "Vernichtungskrieg der Globalisten gegen die Kulturen der Völker" sei "jetzt erstmals auf amerikanischem Boden eine militärische Niederlage beigebracht worden". Die Attentäter nannte der Mann, der sich selbst als "Gedankenkrieger" sieht, "opferbereite Krieger", die "die Macht des Geldes gebrochen hätten". Für die Opfer der Anschläge hatte er dagegen nur Hohn übrig — er bezeichnete sie als "Kollateralschäden".
Während die NPD die Solidarität mit Palästina und Afghanistan und das Selbstbestimmungsrecht der Völker beschwört, nutzten DVU und Republikaner die Anschläge für rassistische Hetze gegen Migranten muslimimischen Glaubens. Auch in der Bundesrepublik seien durch die multikulturelle Gesellschaft Gefahrenherde geschaffen worden, warnte der stellvertretender DVU-Vorsitzende Heinrich Gerlach in der Schlussphase des Hamburger Wahlkampfs. Auf einem Flugblatt der DVU hieß es: "Unkontrolliert Ausländer rein — das schleppt uns auch den Terror rein." Und in einem Brief an die Hamburger Haushalte erklärte der DVU-Spitzenkandidat: "Hätte man auf die DVU gehört! Dann wäre es nicht zu einer total verrückten Ausländerpolitik gekommen."
Auch Republikaner-Chef Rolf Schlierer setzt auf die Unterschiede zwischen den Kulturen: "Wer erkannt hat, dass wir in einem ,Kampf der Kulturen‘ zwischen einer ,zivilisierten‘ und ,unzivilisierten‘ Welt stehen, darf nicht länger das unterschiedslose multikulturelle Zusammenleben von Menschen aller Kulturen propagieren."

Patrick Hagen

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