Sozialistische Zeitung |
Zu einem "informellen Gipfel" traten die Staats- und Regierungschefs der EU am 19.Oktober in Gent zusammen. Oberster Tagesordnungspunkt: die
Erneuerung der "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA und der "unmissverständlichen Zustimmung" zu ihren Kriegseinsätzen.
Das oberste Gremium der EU hat sich damit offiziell zur Kriegspartei an der Seite der USA erklärt. In die weltweite
Allianz eingebunden sind nun auch die EU-Staaten, die nicht der NATO angehören. Mit Ausnahme Großbritanniens besteht für die meisten EU-Regierungen das
Hauptproblem ohnehin darin, dass sie gern als militärisch gleichberechtigter Partner in diesem Krieg mitmischen möchten, dafür aber nicht gefragt sind. Noch holen sich die
USA Truppenunterstützung lieber aus der Türkei und Tschechien, als aus Deutschland und Frankreich.
Erklärtes Ziel des Kriegs in Afghanistan ist für die EU nicht nur die "Beseitung der terroristischen
Organisation Al Qaida", sondern auch die Bildung einer "stabilen legitimen Regierung" unter der Ägide der UNO, die "die gesamte afghanische
Bevölkerung" repräsentieren soll. "Sobald dieses Ziel erreicht wird", heißt es in der Erklärung weiter, werde sich die EU "zur Stabilisierung
der Region" in einem "umfassenden und ehrgeizigen politischen und humanitären Hilfsprogramm für den Wiederaufbau Afghanistans engagieren". Das Modell
Balkan lässt grüßen!
Zweiter Schwerpunkt war der Ausbau der EU-Polizei. Gemäß dem "Aktionsplan zur Bekämpfung des
Terrorismus" seien 79 Maßnahmen eingeleitet worden. Sie reichen von der beschleunigten Einführung eines europäischen Haftbefehls, der Beschleunigung von
Entscheidungen über Auslieferungsanträge und der Verstärkung der Zusammenarbeit der "operativen Dienststellen" (Europol, Geheimdienste usw.) über
die gemeinsame Erstellung einer "Liste terroristischer Organisationen" und die Erleichterung des "Einfrierens von Vermögensgegenständen" bis zu
"Richtlinien über Geldwäsche". Auch die stärkere Zusammenarbeit der für den Katastrophenschutz und die Gesundheit zuständigen Stellen und die
Ernennung eines "europäischen Koordinators für Katastrophenschutzmaßnahmen" gehören dazu. Die EU übernimmt damit eine treibende Rolle auch
beim europaweiten Ausbau des Überwachungsstaats. Eine erste Kostprobe davon konnte man auf der Fahrt nach Genua im Juli dieses Jahres gewinnen.
Im Kapitel "Terrorismusbekämpfung" fordert die EU auch die "Wiederaufnahme des Nahost-
Friedensprozesses" auf der Grundlage der UN-Resolutionen 242 und 338 sowie die Schaffung eines palästinensischen Staates. Doch scheint ihre Diplomatie hier wie im Krieg gegen
Afghanistan auch ganz im Windschatten der USA zu verharren.
Wirtschaftlich sehen die EU-Chefs die Lage in der Union glänzend. Zwar habe sich das Wirtschaftswachstum
verlangsamt, doch seien diese Schwächeanfälle angesichts der "gesunden wirtschaftlichen Grundlagen der Union" begrenzt und vorübergehend: "Es ist
wichtig hervorzuheben, dass die Aussichten weiterhin positiv sind und dass von der wirtschaftspolitischen Strategie der EU nicht abgewichen wird." Allerdings versäumten es die
EU-Chefs nicht, in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Bedeutung "weiterer Lohnzurückhaltung" hinzuweisen.
Weiter auf der Tagesordnung stand die Zukunft der Union, d.i. die Vorbereitung einer Regierungskonferenz in 2004, die
über die Fortsetzung der Strukturreformen und die künftige Kompetenzverteilung in der EU mit Blick auf die dann hoffentlich mindestens in der ersten Etappe abgeschlossenen
Osterweiterung befinden soll. Dieser Auftrag wurde im letzten Dezember in Nizza nur höchst unvollkommen angegangen. Die weiteren Besprechungen sollen wohl unter dem Siegel der
Verschwiegenheit gehalten werden, jedenfalls wurde über ihre Behandlung in Gent nicht das Geringste verlautbart.
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