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Vor kurzem wurden die Verhandlungen über die Zusatzversorgung des Bundes und der Länder zwischen der Gewerkschaft ver.di und den
öffentlichen Arbeitgebern beendet. Das Ergebnis hat Bedeutung für rund zehn Millionen Menschen, und die Zusatzversorgung wurde für sie weitgehend gekürzt.
Die Zusatzversorgung ist eine weitere Rente für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes im Bund,
in den Ländern und kommunalen Verwaltungen. Angehängt sind Beschäftigte z.B. bei Kirchen und Wohlfahrtsverbänden und anderen Einrichtungen, die sich an die
Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anlehnen. Die Zusatzversorgung sollte diesen Beschäftigten eine den Beamten vergleichbare Altersversorgung sichern. Sie stockte die
jeweilige gesetzliche Rente soweit auf, dass eine der Beamtenpension vergleichbare Gesamtsicherung für die Rentnerinnen und Rentner des öffentlichen Dienstes erreicht wurde.
Dieses oberste Ziel wurde nun aufgegeben. Schon seit längerem haben die Länder und Gemeinden über die
auf sie zu kommende Last der Alterssicherung ihrer Beschäftigten geklagt. Der massive Personalabbau und die Ausgliederung und ungebremste Privatisierung im öffentlichen Dienst
hat die Zusatzversorgungskassen zum Teil in eine erhebliche Schieflage gebracht: Zwar blieben die Rentnerinnen und Rentner mit ihren Versorgungsansprüchen davon verschont, aber die
Basis der Beitragszahlenden, um die fälligen Renten aufzubringen, schrumpfte bedrohlich. Die Arbeitgeber zahlen bislang zwischen 4,8 und 6,5% des Bruttoverdienstes in die
Zusatzversorgungskassen ein. Nur Beschäftigte der Länder mussten neuerdings selbst auch zusätzlich 1,2% beitragen.
Da die Zusatzrente eine Umlageversicherung wie die gesetzliche Rente ist, richteten sich alle Blicke der Kämmerer und
Finanzminister auf dieses Einsparpotenzial. In den jüngsten Verhandlungen gelang es ihnen, die vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ins Boot der maroden Staatsfinanzen zu holen. Es
wurde behauptet, die Kassen gingen in naher Zukunft pleite, wenn das Versorgungsniveau so wie bisher bliebe. Diese Argumentation hat ver.di übernommen.
Der Bruch mit der bisherigen Zusatzversorgung betrifft alle unter 55 Jahre alten Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes. Sie erhalten in Zukunft keine Gesamtversorgung mehr, die sich an den entsprechenden Pensionen der Beamten orientiert. Auch wird nicht mehr das Durchschnittseinkommen der
letzten drei Berufsjahre zu Grunde gelegt.
Stattdessen wird umgestellt auf eine beitragsbezogene, nach Alter, Beschäftigungszeit und Durchschnittsverdienst
gestaffelte Rentenanwartschaft, die in Zukunft regelmäßig auch für langjährig Beschäftigte deutlich niedriger sein dürfte als die Gesamtversorgung nach
altem Recht.
Ob das überaus komplizierte Zusatzversorgungssystem damit wirklich einfacher und "gerechter" wird, bleibt
abzuwarten. Ein Punktesystem für Beschäftigungszeiten, ein zunächst nur fiktives Kapitaldeckungssytem mit einem rechnerischen Zinssatz, ein leicht erhöhter
Eigenbeitrag der Landes-Beschäftigten, eine Senkung der Ansprüche... Selbst diejenigen, die bereits in Rente sind, werden nicht ausgespart: Ihre Rente steigt in den kommenden
Jahren lediglich um magere 1% jährlich. Die so neu aufgerissene Versorgungslücke im Alter soll nun jede und jeder individuell schließen, durch die Steuerzahler
gefördert. Diese Möglichkeit, eine "riesterfähige" Zusatzversicherungen abzuschließen, war bisher für den öffentlichen Dienst nicht gegeben.
So soll erst mit zusätzlichen Eigenbeiträgen der alte Versorgungsstand wieder erreicht werden.
Wer zukünftig im öffentlichen oder kirchlichen Dienst in Rente geht, muss mit Einbussen von etwa einem
Fünftel ihrer bisherigen Zusatzansprüche rechnen! Damit könnten vor allem ältere Beschäftigte, die noch nicht 55 Jahre alt sind, und diejenigen, die nur einen
kleineren Teil ihres Berufslebens im öffentlichen Dienst verbracht haben, sowie Teilzeitbeschäftigte also in der Regel eher Frauen die am meisten negativ
Betroffenen dieser Neuregelung sein. Denn sie können gar nicht mehr so viele Punkte in der Zusatzversorgung und erst recht nicht ausreichende Zusatzversicherungen in der Riester-Rente
erreichen.
Die Verhandlungsführer von ver.di betonten nach dem Abschluss ebenso wie die Gegenseite, dass angesichts leerer
öffentlicher Kassen die alte Zusatzversorgung unbezahlbar geworden wäre eine zumindest strittige Behauptung der öffentlichen Arbeitgeber, die von
Gewerkschaftsseite übernommen wurde. Mit dem Ergebnis dieser Tarifverhandlungen ist politisch gesehen ein erneuter Dammbruch zuungunsten einer großen Zahl von
Beschäftigten erfolgt, der zu einer weiteren Unterminierung der sozialen Systeme führt. Es ist einigermaßen empörend, diese weiteren Einschnitte als
"Erfolg" den Beschäftigten weiterzugeben, wo ver.di im Moment anderes zu tun hätte als oben zu zahlen und unten zu sparen...
Rolf Euler/Tobias Michel
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