Sozialistische Zeitung |
Unser erstes Interesse bestand im Aufbrechen der eingeschliffenen Arbeitsteilungen in der antirassistischen Arbeit selbst. So gibt es zwischen Gewerkschaftern,
die sich täglich mit der rassistischen Segmentierung der Erwerbsarbeit auseinandersetzen, entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen, die in der Schuldenproblematik die
aktuelle Gestalt neokolonialer Ausbeutung der südlichen Länder erkennen, und MigrantInnen, die sich selbstorganisiert gegen rassistische Praktiken des deutschen Staates wehren,
keinen regelmässigen Kontakt und erst recht keine übergreifende Zusammenarbeit. Um diese Trennungen zu überwinden , wollten wir uns über die Rassismen
austauschen, mit denen wir es in unserer Arbeit jeweils zu tun haben, und über die Widerstandsformen, die wir dabei erproben.
Zusammengekommen sind wir unter dem Eindruck der UN-Konferenz gegen Rassismus, die im August/September diesen
Jahres in Durban (Südafrika) stattfand, der Terroranschläge in den USA und des Krieges, den die USA und ihre Verbündeten gegen Afghanistan führen. Wir waren uns
einig in der Ablehnung des Krieges. Für ihn gibt es ebenso wenig eine Rechtfertigung wie für den Terrorismus. Wir halten es für notwendig, weiter über die
Zusammenhänge von weltweiter wirtschaftlicher, sozialer und politischer Ungerechtigkeit, von Gewalt und Rassismus in seinen unterschiedlichen Formen zu diskutieren, um gemeinsame
Gegenstrategien zu entwickeln. Hier zeichnen sich folgende Problemkreise ab:
Die Mächte der selbsternannten Antiterrorallianz bombardieren eines der ärmsten Länder der Welt mit dem
Anspruch, auf diesem Weg weltweit Frieden und Sicherheit herzustellen. Frieden und Sicherheit wird es aber nur geben, wenn sie für alle gilt. Ohne ein Ende neokolonialer Ausbeutung
wird es kein Ende militärischer Auseinandersetzungen und auch keine Sicherheit vor Anschlägen der Art geben, denen am 11.9. Tausende unschuldiger Menschen zum Opfer fielen.
Das ökonomische und soziale Elend der südlichen Länder reicht lange in die Geschichte zurück, ihr Anspruch auf Entschädigung ebenfalls. Deshalb
unterstützen wir die Forderungen nach Entschädigung und bedingungsloser Entschuldung der südlichen Länder. Sie wäre ein wichtiger Schritt zur notwendigen
weltweiten Umverteilung von Reichtum und Einfluss. Zur Solidarität aufgefordert sind hier auch und besonders die Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und sozialen
Bewegungen des Nordens.
Der Krieg gegen Afghanistan wird innenpolitisch von einem rasanten Abbau demokratischer und sozialer Rechte begleitet. Die
Repression trifft zuerst nicht-deutsche Menschen. So führt die Rasterfahndung zur vermehrten Verhaftung illegalisierter MigrantInnen, und die Abschaffung des Religionsprivilegs sowie
der neue §129b trifft zuallererst nichtdeutsche politische und kulturelle Organisationen. Der Repression offensiv zu begegnen, heisst deshalb, gerade jetzt für die Legalisierung der in
die Illegalität abgedrängten MigrantInnen einzutreten.
Die ökonomische Krise trifft alle, deren Überleben von Erwerbsarbeit abhängt. Doch sie trifft nicht jede und
jeden in gleicher Weise. Der Widerstand gegen die rassistischen Spaltungen der Erwerbsarbeit ist deshalb für die Schaffung eines breiten Widerstandes gegen die Krise von zentraler
Bedeutung. Hier wiederum sind nicht allein die Gewerkschaften, sondern auch antirassistische Initiativen gefordert.
Die Forderungen nach Entschädigung und bedingungsloser Entschuldung der südlichen Länder, nach
Legalisierung der in die Illegalität gezwungenen Menschen und nach Abbau rassistischer Spaltungen in der Erwerbsarbeit fallen nicht unmittelbar zusammen. Doch sie fordern einen
breiten Dialog derjenigen, die sich für ihre Durchsetzung einsetzen. Das Bewusstsein dafür zu stärken, ist die Übereinkunft, mit der wir jetzt auseinandergehen, um
wieder zusammen zu kommen.
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