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Nach nur drei Wochen Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer Landesregierung einigten sich die Berliner SPD und PDS auf einen Koalitionsvertrag. Das
Herzstück der Einigung ist die Haushaltskonsolidierung, und zwar härter als es eine Berliner CDU-SPD-Regierung in den letzten Jahren gewagt hatte. Schon im Wahlkampf im
letzten Herbst waren sich alle etablierten Parteien im Grundsatz einig gewesen, nicht die Richtung, sondern nur das Tempo der Sparpolitik zu verschärfen. Jetzt wird die Sparpolitik rot
eingepackt.
Die Berliner SPD hatte mit der PDS leichtes Spiel. Diese hatte schon im Wahlkampf klar gemacht, dass sie zum Mitregieren um
jeden Preis bereit ist. Von Berlin aus erhofft sich die PDS-Führung Ausstrahlungskraft in die westlichen Bundesländer und eine feste Etablierung als politische Kraft auch im
Bundesrat. Das in der PDS weitverbreitete Gefühl "Wir sind jetzt wieder wer" lässt so manches Unwohlsein mit einer antisozialen Politik besser verdauen.
Bis 2006 ist geplant, allein die Personalkosten um über eine Milliarde Euro jährlich zu kürzen, gleich 50
Millionen Euro mehr als es eine Ampelkoalition beabsichtigt hatte. Das sind über 14% der Personalausgaben. Die eine Hälfte soll über einen altersbedingten Abbau von
15000 Stellen erbracht werden, die andere durch Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich und weiteren Gehaltsverzicht der Beschäftigten.
SPD-Landeschef Peter Strieder droht mit betriebsbedingten Kündigungen im öffentlichen Dienst, sollten die
Gewerkschaften nicht kooperieren, und auch Gysi hat angekündigt, sich zur Not auch mit den Gewerkschaften anzulegen. Die Gewerkschaftsspitzen von ÖTV und GEW haben trotz
Unmut und Druck ihrer Basis signalisiert, konstruktiv mit dem neuen Senat verhandeln und einen "solidarischen Beschäftigungspakt" schmieden zu wollen. Die Hoffnungen,
die Gewerkschafter in die PDS gesetzt haben, damit sie das Schlimmste verhindere, wurden bitter enttäuscht. Die PDS verfolgt nur ein Ziel: an die Regierung zu kommen, kosten was es
wolle. Der Fraktionschef und Finanzexperte der PDS, Harald Wolf, hat die Parole ausgegeben, die PDS sei die Partei der "besseren Konsolidierer".
Der öffentliche Dienst wird weiter in Richtung "Effizienz" und "Bürgerfreundlichkeit"
reformiert werden. Jeder Bürger weiß, dass diese Politik in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Schlangen länger, die Gebühren höher und der
Service schlechter wurde. Dazu passt auch, dass noch mehr Kindertagesstätten an freie Träger übergeben, das heißt privatisiert werden sollen.
Die Arbeitsmarktpolitik von "Rosa-Rot" unterscheidet sich nicht von der Politik von "Rot-Grün"
auf Bundesebene. PDS und SPD wollen bei der Sozialhilfe mehrere hundert Millionen Mark sparen. Nach dem "Kölner Modell" soll in den Sozialämtern das
Fallmanagement eingeführt werden, d.h. jedem "arbeitsfähigen" Antragsteller auf Sozialhilfe wird ein persönliches Jobangebot unterbreitet, das er annehmen
muss ungeachtet der Qualifikation und der Lohnhöhe. Das ist zum einen der Einstieg in den Niedriglohnsektor, öffnet die Türen für Kombilohn, wie ihn Schröder
wieder als Mittel gegen die steigende Erwerbslosigkeit gepriesen hat, und zum anderen bedeutet es Zwangsmassnahmen gegen Erwerbslose. Den "Investoren" hingegen soll
"der rote Teppich ausgelegt werden" (SPD-Bürgermeister Wowereit).
Weiter wurde vereinbart, landeseigenes Eigentum weiter zu privatisieren, 13 Schwimmbäder zu schließen, den
Flughafen Schönefeld, gegen den sich die PDS immer gewandt hatte, zum Großflughafen auszubauen. Die weitere Schließung und Privatisierung von Krankenhäusern
ist kein Tabu. Im sowieso schon maroden Bildungsbereich sollen weiter Lehrerstellen gestrichen werden, der Kulturetat wird nicht erhöht. Fortschrittliche Reformen, auch im Bereich
innere Sicherheit, muss man im Koalitionsvertrag mit der Lupe suchen. Im Bildungsbereich wurde vereinbart, mehr Ganztagsschulen einzurichten. Bei sinkenden Schülerzahlen sollen
jetzt nur noch 835 statt 2100 Lehrertellen gestrichen werden. Die Kitagebühren werden nicht erhöht. Im Kulturbereich gibt es keine nennenswerten Verschlechterungen. Keine
einzige Einsparung oder Steuererhöhung auf Kosten der Reichen, Unternehmen oder Banken ist vorgesehen.
Für eine Haushaltspolitik nach neoliberalem Muster gibt es in Berlin jetzt eine Ganz Große Koalition. Einmal mehr
bewahrheitet sich, dass nur mit konsequenter außerparlamentarischer Opposition von links Veränderungen möglich sind. Will die antikapitalistische und revolutionäre
Linke in Deutschland eine Zukunft haben, muss sie die Herausforderung bewältigen, die sich mit der Entwicklung der PDS nach rechts auftut.
Sascha Kimpel
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