SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 7

Kombilohn

Ein Modell, das niemanden zufrieden stellt

Kombilöhne sind seit langem eine Forderung der Unternehmer. Sie begründen sie damit, es gebe für erwerbsfähige Sozialhilfe Beziehende zu wenig Anreize, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, weil der Abstand zwischen dem, was sie an Sozialhilfe erhalten, und dem was sie bei einer Erwerbsarbeit verdienen können, zu gering sei. Der Lohnabstand müsse vergrößert werden, damit sich "Arbeit wieder lohne".
Dieser Forderung kann — sofern man das Gebot des "Lohnabstands" prinzipiell akzeptiert — mit unterschiedlichen Maßnahmen nachgekommen werden: Es kann die Sozialhilfe gesenkt werden — in diese Richtung zielen die jüngst im Bundestag eingereichten Anträge der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion, aber auch Äußerungen von Vertretern verschiedener Wirtschaftsinstitute (ifo-München) sowie der bayrisch- sächsischen Zukunftskommission. Es können umgekehrt auch die Löhne erhöht werden. Damit dies jedoch für die Unternehmen keine Auswirkungen hat, muss der Staat einspringen — das tut er, indem er die Sozialbeiträge subventioniert, entweder auf der Arbeitnehmer- oder auf der Arbeitgeberseite. Das wird als Kombilohn bezeichnet.
Es geht immer darum, Erwerbslose, die gleichzeitig Sozialhilfe beziehen, aus dem Sozialhilfebezug zu entfernen — es geht nicht darum, sie in eine sinnvolle und Existenz sichernde Arbeit zu vermitteln. Zu diesem Zweck wird das Bild von den faulen Arbeitslosen gepflegt, die lieber in der sozialen Hängematte liegen, als sich auf dem Arbeitsmarkt zu verdingen. O-Ton N.Berthold, einer der Professoren in den Diensten der Wirtschaft, im Handelsblatt (23.8.01): "Wer bei uns bereit ist zu arbeiten, wird bestraft, wer sich in die soziale Hängematte legt, belohnt. Diese perverse Anreizstruktur gilt es zu verändern."
Ein Studie des DGB vom September 2001 deckt auf, dass diese Grundannahme in mehrfacher Hinsicht falsch ist und empirisch widerlegt werden kann.

Das Märchen vom Lohnabstand

Zunächst einmal ist der Einkommensabstand zwischen Sozialhilfe Beziehenden und Erwerbstätigen im Haushaltstyp "Ehepaar mit zwei bzw. drei Kindern" oder "Alleinerziehende mit zwei Kindern" viel höher als im Haushaltstyp "alleinstehend" oder "Ehepaar ohne bzw. mit einem Kind". Letztere haben viel mehr davon, wenn sie arbeiten gehen, als erstere; ihr verfügbares Einkommen erhöht sich in Westdeutschland dann um 1000—1400 DM, während es bei ersteren nur um 300—700 DM steigt. Das Schlusslicht bilden die Alleinerziehenden mit zwei Kindern. In Ostdeutschland liegen die jeweils um 100 bis 400 Mark niedriger.
Die Bezugsgröße für das gesetzliche Lohnabstandsgebot ist jedoch die Gruppe "Ehepaar mit drei Kindern", also ein Fünfpersonenhaushalt. Ist für diese Personengruppe kein "ausreichender" Einkommensabstand gegeben (derzeit liegt er bei 640 bzw. 425 DM), droht die Absenkung der Sozialhilfe. Die Diskussion konzentriert sich deshalb auf diese Personengruppe.
Von der Belastung der Sozialämter her gesehen, ist dies nicht gerechtfertigt:
Ehepaare mit drei Kindern stellen nur 2,5% aller Haushalte der Bevölkerung und nur 3% aller Bedarfsgemeinschaften der Sozialhilfe. Ende 1999 bezogen lediglich 43400 Ehepaare mit drei Kindern und mehr Hilfe zum Lebensunterhalt. Die zahlenmäßig größte Haushaltsgruppe unter den Sozialhilfe Beziehenden stellen die alleinstehenden Personen — 43%.
Für Ehepaare mit Kindern zahlten die Sozialhilfeträger knapp 2 Mrd. DM (von insgesamt 17 Mrd.), für Alleinstehende hingegen 5 Mrd., für Alleinerziehende 4 Mrd. DM. Alleinstehende waren auch im Schnitt fast doppelt so lang im Sozialhilfebezug wie kinderreiche Familien.
Abschließend zitiert die DGB-Studie eine Untersuchung aus Bremen, die zu folgendem Ergebnis kommt: "Der geringere Lohnabstand im Falle von Beziehern aus kinderreichen Haushalten wirkt sich nicht negativ auf deren Arbeitsaufnahmeverhalten aus."
Damit scheint das Märchen vom fehlenden Arbeitsanreiz, der für die anhaltend hohe Erwerbslosigkeit verantwortlich sei, eigentlich widerlegt. Derlei Zahlenspiel ficht die Arbeitgeber aber gar nicht an, denn sie wollen mit dieser Diskussion ja etwas ganz anderes. Sie haben zweierlei im Visier:
• Zum einen die Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung — es ist ihnen recht, wenn das der Staat übernimmt, deswegen sind sie für Kombilohn, aber lieber in der Saar- als in der Mainzer Variante.
• Zum anderen wollen sie die Sozialhilfe senken. Die Sozialhilfe steht stärker unter Beschuss als das Arbeitslosengeld (dessen Bezugsdauer auf 12 Monate zu kürzen ebenfalls Gegenstand der Debatte im Wahlkampf ist), und mindestens so stark wie die Arbeitslosenhilfe, weil sie eine Art Mindestlohn darstellt.
Fallen hier die Barrieren, können die Löhne weiter nach unten gedrückt werden. Dann gerät das ganze kompliziert verflochtene System von Erwerbsarbeit und sozialer Sicherheit ins Rutschen. Die DGB-Studie zitiert einen Freiburger Finanzwissenschaftler mit der Forderung nach Halbierung der Sozialhilfe, besagten Herrn Berthold mit der Forderung, sie auf ein Jahr zu befristen.
Das Sozialhilfeniveau hat aber auch für alle Steuerzahler eine wichtige Funktion, weil es den steuerfreien Grundbetrag definiert. Wird der Regelsatz in der Sozialhilfe gesenkt, sinkt auch der Grundbetrag.
Und schließlich definiert die Sozialhilfe die Armutsgrenze.

Angela Klein

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