SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 7

Rettet die Sozialhilfe

Die Regierung Schröder bedient mit ihrem Kombilohnmodell nur bedingt die Interessen der Unternehmer: sie hat mit dem Mainzer Modell einen Weg gewählt, der die Unternehmer nicht direkt subventioniert, obwohl diese sicherlich Mittel und Wege finden werden, auch dieses Modell für sich nutzbar zu machen. Sie bedient aber auch nicht die Interessen der Gewerkschaften und noch weniger die der Erwerbslosen und der Sozialhilfe Beziehenden.
Die frühere HBV-Vorsitzenden, Margret Mönig-Raane, verweist zu Recht darauf, dass am ehesten Alleinerziehende und kinderreiche Familien auf das Angebot eingehen. (Das passt zur DGB-Studie, siehe Artikel auf dieser Seite.) Gerade diesen Haushalten wäre aber mit anderen Maßnahmen wie der Ausweitung von Kinderbetreuungseinrichtungen eher geholfen — das ist eine Barriere, die mit dem bisschen mehr Lohn allein, den das Mainzer Modell bereitstellt, nicht überwunden werden kann. Zu einem nennenswerten Rückgang der Erwerbslosenzahlen wird es gar nichts beitragen — soviel ist jetzt schon sicher.
Dafür ist es in anderer Hinsicht heimtückisch und indirekt doch ein Geschenk an die Arbeitgeber: Es übernimmt nämlich die Logik des Lohnabstandsgebots und betritt damit den Weg, der in die Absenkung der Sozialhilfe führt; und es stellt einen flächendeckenden Einstieg in die Subventionierung von Niedriglöhnen dar.
Gegen beides protestieren die Gewerkschaften immer wieder lautstark, aber nicht weniger inkonsequent. Denn auch sie verteidigen das Lohnabstandsgebot statt zu verstehen, dass es aus einer Zeit stammt, in der Erwerbslosigkeit eine vorübergehende Erscheinung war. Sie stellen nicht in Frage, dass die Arbeitsplätze, die die Regierung mit dem Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit (Jump) anbietet, höchst prekäre und befristete sind und den Jugendlichen keine greifbare Perspektive bieten. Sie transportieren häufig selbst das Bild von den faulen Arbeitslosen; sie haben das JobAqtiv-Gesetz mit unterstützt, das neben einem verschärften Arbeitszwang auch die Ausweitung der Leiharbeit vorsieht, die sich in Deutschland zu genau dem Niedriglohnsektor auswächst, den die Gewerkschaften angeblich verhindern wollen. Und es sieht auch nicht danach aus, als würden sie in der kommenden Tarifrunde den Kampf gegen Billigjobs zu einem gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Thema machen.
Heute, unter den Bedingungen, dass weder Regierung noch Unternehmer Arbeitsplätze anbieten, ist nicht das Beharren auf Unterschieden zwischen Erwerbstätigen (als "Leistende") und Erwerbslosen (als "Nicht-Leistende") angesagt, sondern der gemeinsame Kampf für ein existenzsicherndes Einkommen für alle. Wollen die DGB-Gewerkschaften das Lohnniveau ihrer Mitglieder halten, müssen sie das nicht nur in Tarifrunden durchsetzen, sie müssen auch gewerkschaftliche Aktionen für den Erhalt und die Aufstockung der Sozialhilfe führen.

Angela Klein

Zahlen zur Sozialhilfe

(Stand von Ende 1999 bzw. Ende 2000)
Nach Haushaltstyp
1452639 Millionen Haushalte bezogen Sozialhilfe. Die meisten (41,1%) weniger als ein Jahr; 13% mehr als 5 Jahre.
619307 waren alleinstehend; 332253 alleinerziehende Frauen; 406539 Ehepaare mit und ohne Kinder.

Nach Personen
2668000 Millionen Menschen bezogen Hilfe zum Lebensunterhalt. Davon waren:
989000 Minderjährige — Kinder in der Sozialhilfe machen mit 37% den größten Anteil aus!;
301000 Rentnerinnen und Rentner;
388000 Nichterwerbstätige, die zugleich nichterwerbsfähig sind; 140000 Erwerbstätig in Voll- und Teilzeit;
51000 in Ausbildung oder Fortbildung;
606000 erwerbslos; von diesen sind gut 60000 wohnungslos, überschuldet und suchtabhängig, weitere 80000 mit familiären Problemen belastet — sie gelten als schwer vermittelbar;
193000 sind aus sonstigen Gründen nicht erwerbstätig.
Das Arbeitskräftepotenzial in der Sozialhilfe besteht folglich rein rechnerisch aus 799000 Menschen (realistisch eher 659000) — das sind die 800000 (knapp 30% aller Sozialhilfe Beziehenden), die Gerhard Schröder versprochen hat, in Arbeit zu bringen, und auf die die Maßnahmen seiner Regierung abzielen.

Die Kosten
Gesamtausgaben der Sozialhilfe belaufen sich auf netto 40 Milliarden DM.
Für Hilfe zum Lebensunterhalt wurden knapp 17 Milliarden DM ausgegeben. 2 Milliarden DM davon gingen in die Hilfe zur Arbeit, also in arbeitsmarktpolitische Fördermaßnahmen der Sozialämter. Rund 5 Milliarden DM wurden zur direkten Existenzsicherung von arbeitsfähigen Sozialhilfebeziehenden ausgegeben — das ist gerade mal ein Achtel der Gesamtausgaben.

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