SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 8

Bildung ist keine Ware

Erste Schritte zur europaweiten Vernetzung von Studierenden

Im Rahmen der Proteste gegen den EU-Gipfel in Brüssel kam es im letzten Dezember zum einem europaweiten Vernetzungstreffen von Studierenden. Unter dem Motto "Public Education is not for sale" (Bildung ist keine Ware) wurde der Protest über nationale Grenzen hinaus enger koordiniert. Das Treffen mit etwa 50 Teilnehmenden leistete einen kleinen, aber wichtigen Beitrag. In der Woche davor war es in mehreren Ländern im Rahmen einer gemeinsamen Aktionswoche an den Unis zu Protesten und Streiks gekommen. In Deutschland fanden Aktionstage, Vollversammlungen und befristete Streiks u.a. in Berlin, Köln, Halle und Augsburg statt.
Der Umbau der Universitäten wird momentan europaweit in erstaunlich hohem Maße mit der gleichen Zielrichtung betrieben. Studiengebühren, Begrenzung der Zugangsmöglichkeiten, Privatisierung und Budgetkürzungen sind die Stichwörter, unter denen der neoliberale Umbau des Bildungswesens betrieben wird. Bildung wurde bereits bei den Verhandlungen der WTO-Runde in Seattle im Rahmen der Liberalisierung des Handels thematisiert. Staatliche Interventionen im Bildungsbereich sollen als Wettbewerbsverzerrung verstanden werden.
Im Vordergrund stand das Interesse, private multinationale Bildungsanbieter, die über nationale Grenzen hinweg Bildung als kapitalistische Ware anbieten, zu fördern. Nach dem Scheitern dieser Runde kam es im Rahmen des GATS (General Agreement on Trade and Services) zu einem neuen Schub von Umstrukturierungsversuchen in diesem Bereich. Das GATS soll verschiedene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens verstärkt zur Privatisierung zwingen. Öffentliche Bildung steht explizit im Fadenkreuz. Nach dem grundsätzlichen Beschluss zur Einführung des GATS auf dem G8-Gipfel in Genua wurden auf dem EU-Gipfel in Brüssel schon die Weichen für eine konkrete europaweite Ausgestaltung gelegt.
Es war also nicht überraschend, dass die Berichte der Vertreter der Studierenden über die Privatisierung der Bildung und den Abbau studentischer Rechte einander sehr ähnlich waren. Aus allen Ländern wurde auch über Proteste der Studierenden berichtet. Am stärksten waren die Proteste in Spanien, wo im letzten Wintersemester wochenlang Besetzungen und Streiks organisiert wurden. Den Höhepunkt bildeten zwei Demonstrationen in Madrid mit 100000—200000 Teilnehmenden. In Sevilla belagerten die Studierenden das Rathaus über Weihnachten mit einem Camp, dem sich Kollegen eines Metallbetriebs anschlossen, die von Entlassungen bedroht waren. Wenn auch nicht in diesem Ausmaß, so wurden doch die Kürzungsmaßnahmen in allen Ländern von Protesten begleitet.
Die Wirkung der Proteste leidet allerdings unter zwei Problemen: Die traditionellen linken Strukturen an den Hochschulen sind seit mehreren Jahren in der Krise und verlieren an Schlagkraft. Viele wichtige ASten sind in den vergangenen Jahren an rechte oder unpolitische Listen verloren gegangen. Im Zuge der globalisierungskritischen Bewegung sind zugleich viele neue Strukturen entstanden. Neben Attac-Hochschulgruppen, die an vielen Universitäten großen Zulauf haben, sind auch andere Initiativen wie z.B. Antikriegsgruppen entstanden. Diese neuen Strukturen müssen sich formieren, um in einem relevanten Ausmaß den Protest an den Unis tragen und stabilisieren zu können.
Der Versuch, eine neue europaweite Gewerkschaft der Studierenden zu gründen, geht in die richtige Richtung. Die Realisierung liegt jedoch in weiter Ferne. Es gilt daher, den Vernetzungsansatz von Brüssel zunächst auf nationaler Ebene voranzutreiben. Am 26.Januar fand in Wuppertal ein weiteres Treffen der Initiative "Bildung ist keine Ware" statt. Für den 16.Februar lädt der Arbeitskreis der Protestinitiative der Freien Universität Berlin alle engagierten Studierenden zu einem bundesweiten Vernetzungstreffen ein. Hier sollen die Proteste für das kommende Sommersemester und die Mobilisierung gegen den nächsten EU-Gipfel in Sevilla koordiniert werden.
Um neue Schlagkraft an den Unis zu entwickeln, muss sich die Protestbewegung als Teil des gesamtgesellschaftlichen Widerstands gegen den Neoliberalismus verstehen und aktiv die Brücke zu anderen Protesten und ihren Akteuren suchen. Die Gewerkschaften und vor allem ihre lokalen Gliederungen sind hier der wichtigste Ansprechpartner einer studentischen Protestbewegung. In Deutschland ist das aufgrund der langen sozialpartnerschaftlichen Tradition und der trägen, bürokratisierten Gewerkschaften keine leichte Aufgabe. Es ist jedoch ein notwendige Arbeit, die wir konsequent und langfristig angehen müssen.

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