SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 10

Lohnrunde 2002

Einstieg missglückt

Die Vorbereitungen für die diesjährige Lohnrunde konnten seitens der Gewerkschaften kaum ungünstiger gestartet werden. Während das nächste Bündnis für Arbeit Ende Januar vorbereitet wurde, kamen die Tarifforderungen der IG Metall auf den Tisch: zwei Landesbezirke forderten 6,5%.
Dabei wurde bekannt, dass die Beschäftigten im letzten Jahr Reallohnverluste hinnehmen mussten. Die Preissteigerungsrate lag über den Tariflohnerhöhungen. Die Umverteilung zugunsten der Gewinne ist also weitergegangen. Diese Tarifvereinbarungen hatten diesmal eine Laufzeit von zwei Jahren und waren ausgehandelt worden, als die Preise noch nicht so stark stiegen.
In dieses Jahr gehen die Beschäftigten also mit einem großen Nachholbedarf, aber es ist Wahljahr, die Wirtschaftsentwicklung stagniert und die Unternehmer sprechen von "maßlosen" Forderungen der IG Metall. Unter diesen Umständen wollte die Regierung die Bündnis-für-Arbeit-Gespräche Ende Januar auf jeden Fall dazu verwenden, den Gewerkschaften den Schneid abzunehmen, der sich im Vorfeld verbal andeutete.
Die Erwartung, Lohnzurückhaltung schaffe mehr Arbeitsplätze, habe sich im letzten Jahr nicht erfüllt, sagte IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gegenüber dem Handelsblatt. Deshalb werde man in diesem Jahr die Forderungen zur Not per Streik durchsetzen. Die Beschäftigten hätten es satt, erneut Maß zu halten.
Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie und Energie Schmoldt sah hingegen seine Zeit gekommen, sich von der IG Metall und ver.di abzugrenzen, indem er betonte, die Forderung der IG Metall könne selbstverständlich nicht für andere Branchen gelten.

Minusrunde für Bergleute

Der Vorlauf seiner Gewerkschaft bestand in einer Minusrunde für die Bergleute. Vor allem auch wegen des massiven Arbeitsplatzabbaus hatte die Deutsche Steinkohle ihre Förderziele nicht erreicht und zog die Lohnverhandlungen vom August letzten Jahres bis in den Dezember hinein.
Der Abschluss sah so aus, dass die Kumpels für die tariflose Zeit von fünf Monaten 250 Mark Einmalzahlung bekamen, und vier Freischichten aus dem Zeitkonto "zurückgekauft" wurden, was 2% Erhöhung der Schichtlöhne ab 1.Januar bedeutet, aber nur für ein Jahr und ohne Folgewirkung — mit anderen Worten, es war gar keine echte Lohnerhöhung.
Der zweite Vorsitzende der IG BCE, Südhofer, der für den Bergbau zuständig ist, legte im Januar noch nach, indem er erklärte, bei Einschnitten in die Sozialleistungen des Bergbaus gebe es "keine Tabus". Das betrifft insbesondere die Deputatleistung der DSK, bei der aktive Bergleute bis zu 7 Tonnen Kohle pro Jahr, Rentner bis zu 2,5 Tonnen beziehen können. Da es schon lange kaum noch Kohleöfen in den Wohnungen gibt, wird der Deputatanspruch in der Regel abgegolten. Das war dem Bergbau schon immer ein Dorn im Auge, aber dass diese Regelung von Gewerkschaftsseite nun ebenfalls zum Abschuss freigegeben wird, ist für die Kumpel schwer verdaulich.
Schmoldt sprach sich schon recht früh gegen Störungen im Bündnis für Arbeit aus. Er wies die von den beiden größeren deutschen Gewerkschaften ver.di und IG Metall geforderte gesetzliche Begrenzung von Überstunden zurück. Das Problem werde so im Kern nicht gelöst, sagte er. Damit reagierte er auf die Forderung des DGB, die Überstunden, die nach seinen Berechnungen im letzten Jahr nochmals angestiegen sind, zum Thema im Bündnis zu machen.
Schon beim Lipobay-Skandal, aber auch bei Forderungen aus SPD-Kreisen nach einer Begrenzung der Arzneimittelkosten, wies Schmoldt auf die Rolle der Pharmaindustrie als großen Arbeitsplatzgeber hin. Damit wollte er andeuten, dass es keine Beschneidung der wirtschaftlichen Tätigkeit von Pharmaunternehmen geben dürfe — sie würden sonst Arbeitsplätze vernichten. Die notwendige Reform des Gesundheitswesens dürfe nicht auf Kosten der Pharmaunternehmen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Hubertus Schmoldt sich für "höhere Aufgaben" aufbaut. Nachdem sich Walter Riester mit der Rentenreform fast verbrannt hat, soll sich wohl ein anderer Sozialminister an den weiteren Einschnitten ins soziale Netz versuchen, die für die Zeit nach den Wahlen geplant sind.

Adam Reuleaux

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