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Mit viel Tamtam wurde die letzte Runde des Bündnisses für Arbeit eingeläutet. Vor allem die Unternehmerseite pochte darauf, dass die
Lohnrunde 2002 ein wichtiger Gesprächsgegenstand sein solle, da erneut die Notwendigkeit bestehe, maßvolle Lohnabschlüsse zu tätigen, um die Beschäftigung
nicht zu gefährden. In die gleiche Kerbe, wenn vielleicht auch nicht ganz so offen, haute die Bundesregierung. Angesichts der zurückgehenden Konjunktur wäre es
nötig, der Lage der Unternehmen Rechnung zu tragen. Bundeskanzler Schröder, der schon in der Frage der Arbeitslosigkeit seine Wahlversprechen schwinden sah, musste
befürchten, dass sein Vorzeigeprojekt "Bündnis für Arbeit" sich als ebenso schwindsüchtig herausstellen würde.
Da im Vorfeld ebenfalls die neue Lohnrunde in der Öffentlichkeit hochgespielt wurde, hatten die beteiligten
Gewerkschaftsvorsitzenden keine große Wahl: entweder sie demontierten sich und ihre Gewerkschaftsarbeit nachdrücklich selber, oder sie stellten sich den Unternehmerforderungen
deutlich entgegen.
Dabei kam es zu einer deutlichen Unterscheidung zwischen dem Vorgehen von IGM und ver.di auf der einen, der IGBCE auf
der anderen Seite. Die gemeinsame Verhandlungsgrundlage, auf der Schröder, Riester und Schmoldt sich als zugänglich gegenüber den Unternehmensargumenten zeigten,
war die Formulierung, dass die "Tarifautonomie unangetastet" bleibe, aber die Lohnentwicklung "natürlich" zu den wirtschaftlichen Daten gehöre,
über die gesprochen werden müsse.
Der scheidende DGB-Vorsitzende Schulte machte sich diesmal entgegen seinem sonstigen Auftreten ebenfalls
für die Ausklammerung der Tarifpolitik aus den Bündnis-Gesprächen stark. Seine Formulierung, dass die Lohnrunde bis hin zu Streiks führen könne, wurde in
der Presse hochgespielt als "Verhärtung der Fronten". Was unterging, waren die kleinen Meldungen auf den hinteren Seiten, dass die Beschäftigten in den letzten Jahren
Reallohnverluste hinzunehmen hatten und die monatelangen Meldungen über Personalabbau und Entlassungen, Unternehmenswerte und Fusionen. Was noch stärker unterging,
waren Kurzmeldungen auf den Wirtschaftsseiten über Gewinne und Steuerersparnisse, die dazu beitrugen, dass z.B. die Deutsche Bank und die Allianz gestärkt und mit steigenden
Profiten in die Lage kommen, weiter unangefochten "Globalisierung" auf Kosten der Beschäftigten zu betreiben.
Was infolgedessen niemals Gegenstand der Gespräche war und auch diesmal nicht sein sollte, war die Frage, wer
für die Arbeitslosigkeit verantwortlich ist und welche Politik die Bundesregierung betreibt, um der Entwicklung Rechnung zu tragen. Stattdessen standen erneut die Gewerkschaften mit
ihren wahrlich niedrig angesetzten Lohnforderungen am Pranger.
Die Unternehmen lehnte weitere Absprachen über die Verringerung von Überstunden, die Beteiligung der
Unternehmen an Qualifizierung und sozialen Leistungen rundheraus ab. Ihre Forderungen lauteten: weitere Deregulierung des Arbeitsmarkts, Arbeitszwang für Bezieher von Sozial- und
Arbeitslosenhilfe Beziehende, Ausbau des Niedriglohnbereichs und weiteren Steuersenkungen. Taktisch beschränkten sie sich vor dem 25.Januar auf die Lohnrunde: so hofften sie, die
Regierung mit im Boot zu haben, die ebenfalls auf schnelle und niedrige Lohnabschlüsse setzt, um das alles aus dem Wahlkampf heraus zu halten. Am liebsten möchte
Schröder wie schon vor zwei Jahren mit der "Erfolgsmeldung" in den Wahlkampf gehen, er habe die Gewerkschaften zu maßvollen
Lohnabschlüssen gebracht.
Dass die Gespräche am letzten Freitag im Januar ergebnislos blieben, werfen sich beide Seiten gegenseitig vor. Die
scheinbare Radikalität der Gewerkschaftsseite mochte vor der Lohnrunde nötig sein, um sich nicht von vornherein gegen diejenigen Mitglieder zu stellen, die eindeutig mehr
erwarten. Aber es sollte nicht vergessen werden, dass ver.di erst nach den Wahlen zu Tarifverhandlungen kommen kann.
Nach dem Scheitern des Bündnis-Gesprächs stehen also vor allem die Lohnrunden der IG Metall und der IG
Chemie im Blickpunkt. Weit davon entfernt, die Bündnis-für-Arbeit-Gespräche dran zu geben, erklärte der IGBCE-Vorsitzende Schmoldt, es sei zwar wenig vereinbart
worden, aber man müsse weiter "im Gespräch" bleiben. Er forderte, die Politik aus den Gesprächen herauszulassen mit dem Hinweis, die Arbeitgeber
hätten sich erst richtig hartleibig gezeigt, nachdem Stoiber zum Kanzlerkandidaten geworden wäre, wohl um der CDU/CSU bei den Wahlkampfvorbereitungen zu helfen.
In Berlin protestierten linke Gewerkschafter gegen die Kamingespräche beim Kanzler und riefen zu einer Kundgebung
auf. Doch wenn diese Proteste nicht weitere Kreise ziehen und die Belegschaften nicht wirklich in Bewegung kommen, wird es wohl beim "Grundkonsens" zwischen den
Bündnis-Beteiligten bleiben die Herrenrunde hat sich offensichtlich nur vertagt.
Rolf Euler
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