SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 20

Jean-Claude Izzo, Total Cheops, Zürich (Unionsverlag) 2000;

ders., Chourmo, Zürich (Unionsverlag) 2000;

ders., Solea, Zürich (Unionsverlag) 2001, jeweils 8,90 Euro.

Wenn man gute Kriminalromane genussvoll lesen will, kann das teuer werden. Man braucht was Ordentliches zu trinken und gute Musik.
Der Unionsverlag gibt einem bei Izzos Trilogie um den (Ex-)
Kommissar Fabio Montale Hilfestellung bei der Musikauswahl. Im Anhang von Solea werden die Stücke in einer Diskografie vorgestellt, die Montale während seiner Auftritte hörte. Es ist Musik des guten Geschmacks, Blues, Jazz, Salsa, Rai, Chansons, Rap und Reggae vom Massilia Sound System aus Marseille.
Damit sind wir auch schon am Ort der Geschehnisse: Marseille, das Umland und die südfranzösische Gesellschaft in den 90er Jahren. Alles ist in Umstrukturierung begriffen. Wo modernisiert wird, werden gewachsene Sozialstrukturen zerstört. Le Pen ist im Aufwind, die Polizei wird von der Front National zersetzt, die italienische Mafia weicht nach Südfrankreich aus und trifft dort auf die alten Gangstrukturen, die wie überall mit dem Immobiliengeschäft die nächste Stufe der ursprünglichen Akkumulation erreichen wollen. Und dann sind da die Jugendlichen, die nicht wissen, was aus ihnen werden soll. Und die schnell anfangen können, zu spinnen.
Zu ihnen fühlt sich Fabio Montale hingezogen. Mit einer Vergangenheit als Kleinkrimineller, eher zufällig bei der Polizei. Mehr Sozialarbeiter als Bulle. Irgendwie ist er ein Linker und als solcher auf die gute französische Art militant. Aber vor allen Dingen ist er ein Romantiker, der an Freundschaft, Solidarität und Liebe glaubt. Und an der Zerstörung all dessen verzweifelt.
Total Cheops handelt von der Aufklärung des Todes zweier Jugendfreunde Montales und von Liebe — der er nicht gewachsen ist. In Chourmo spürt er dem plötzlichen Verschwinden zweier Jugendlicher nach, und in Solea versucht er, eine befreundete Journalistin zu schützen, die der Mafia zu nahe gekommen ist.
Dabei nimmt er immer mehr Abstand von seiner Polizistenrolle, will raus aus der Spirale von organisierter Gewalt und explodierender Wut. Und kann es nicht, weil Schwächere als er seine Hilfe brauchen. Daran geht er zu Grunde. Und hinterlässt dem Leser Bilder, die etwas vom guten Leben ahnen lassen: Freundschaft, Liebe, gutes Essen und Trinken. Und nicht zuletzt das Meer.
In diesen kalten Tagen sollte man sich alle 3 Bände kaufen, eine Flasche Rotwein aufmachen (Montales Rosé ist jetzt wirklich nicht passend) und anfangen zu lesen.
Zwei Wermutstropfen beeinträchtigen jedoch das Vergnügen: Jean-Claude Izzo starb vor genau zwei Jahren. Und seine Bücher werden mit dem Le-Pen-Freund Alain Delon verfilmt.

Udo Bonn

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