SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 21

Wenig innovativ

2raumwohnung: Kommt Zusammen, Remix Album (Goldrush/BMG)r

Sicherlich ist der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen und politischen Situationen sowie den Entwicklungen in der Popmusik alles andere als geradlinig. Dennoch ist offensichtlich, wie wenig innovative Einflüsse zur Zeit in der Popmusik zu verspüren sind. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die Musikindustrie Experimente scheut, da die Konkurrenz von privat gebrannten CDs und aus dem Internet heruntergeladenen MP3 in den letzten Jahren spürbar wurde.
Auf der anderen Seite sind die an dieser Musikindustrie vorbeiführenden Wege (noch) nicht in der Lage, eine Alternative zu präsentieren, die ihre Produkte über einen sehr begrenzten Kreis von Menschen hinaus vertreiben kann. Bezeichnenderweise präsentierte der Musiksender VIVA II kurz vor seiner Abschaltung einen zweistündigen Bericht über die Entstehung von HipHop und Graffities und ihr Zusammenschmelzen zu einer Kultur vor mehr als zwanzig Jahren. Heute dagegen präsentiert sich Kid Rock als Super-US-Patriot mit schmierigen Macho-Sprüchen und der Aussage, dass er Country-Music mit RAP mischen würde und dies das Innovative sei.
In der BRD ist es nicht anders: Im letzten Jahr besannen sich immer mehr Musikerinnen und Musiker auf die 80er Jahre, anstatt nach vorn zu blicken. Konnten Element of Crime mit ihrer Produktion Romantik darauf verweisen, dass ihre Texte noch immer weit über das hinaus reichen, was ansonsten an deutschem Liedgut derzeit so geboten wird. So machte ihr Sänger Sven Regner im Film über "Ton Steine Scherben" bspw. deutlich, wie noch heute aus der innovativen Zeit Ende der 70er Jahre geschöpft wird.
Ein Beispiel für den derzeitigen Stand der deutschen Pop-Musik lieferten 2Raumwohnung im letzten Juli mit Kommt zusammen. Bereits im jetzigen Januar veröffentlichten sie eine CD mit Remix-Versionen jener Aufnahmen.
Inga Humpe und Tommi Eckart sind keine Neulinge in der Popmusik. (Inga Humpe sang schon bei den Neonbabies, DÖF und Humpe & Humpe; Tommi Eckart schrieb z.B. die Filmmusik zu Lola rennt.) Wie Element of Crime kommen sie aus Berlin. Wie dort die Texte Sven Regners im Mittelpunkt der Produktionen stehen, sind es hier die Texte von Inga Humpe. Sie scheint dabei zum Teil nahtlos an ihre Zeit bei DÖF anzuknüpfen. Dass die beiden dann in einem Interview sagen: "Wir glauben, dass es Zeit für ungewöhnliche Musik ist. Die Clubs brauchen neue Ideen, ebenso die Radios. Der Musiklandschaft tun ein paar ungehörte Klänge gut", kann ich nur als Selbstironie verstehen.
Bezeichnenderweise liefen "Nimm mich mit" und "Wir trafen uns in einem Garten" im letzten Jahr in den Berliner Lokalsendern am laufenden Band. So ist es nicht verwunderlich, das die beiden eine Remix-Fassung der CD produzierten. Doch anders als Alpha & Omega, die eine CD mit zwölf Versionen eines einzigen Stücks ("Show me a purpose") produzieren können, und jedes Stück mehr als nur eine neu abgemischte Version des Originals ist, bewegen sich Humpe und Eckart nicht in einem Umfeld einfallsreicher kreativer Dub-Musiker. Ihres ist eher das Berliner Techno-Club-Leben. Entsprechend wird mit elektronischen Beats gespielt. Im Grunde triffen hier die Musik der 80er und der 90er Jahre aufeinander, ohne dass sich daraus eine Perspektive ergäbe. Es sei denn, die Perspektive läge in jenen Spruchbändern, wie sie nun bei VIVA Plus einen Teil der Musik-Videos überdecken und in denen neben SMS, die keinen interessieren, auch noch Infos über Konzerttermine und ähnliches abgerollt werden, die sich kein Mensch merken kann.
Wir werden also noch warten müssen, bis erneut Musikerinnen und Musiker an den Festungen der Popmusik rütteln und sie mit Ideen konfrontieren, die Konflikte und Brüche entstehen lassen, durch die diese Musik wieder spannend wird. So lange können wir uns etwa an Fettes Brot erfreuen, die den Zustand bundesdeutscher Popmusik sicherlich treffend beschreiben: "Ich bin ein Großer, ich bin ein Spinner, ich häng das Poster in dein Zimmer."

Tommy Schroedter

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