SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2002, Seite 8

Washington — Halabdsha — Kabul

Am 29.Januar hielt US-Präsident Bush vor dem Kongress eine Rede, die vergleichbar programmatisch war wie diejenige vom 20.September 2001. Damals hatte er zum "Krieg gegen den Terrorismus" aufgerufen und den kommenden Krieg gegen Afghanistan gemeint.

Nunmehr rief Bush zum "Krieg gegen die Achse des Bösen" auf und meinte den kommenden Krieg gegen den Irak. Bush, die hinter ihm stehende Öllobby und der die US-Politik maßgeblich bestimmende militärisch-industrielle Komplex machten nach der Rede vom 20.9.2001 ernst. Und sie werden nach der Rede vom 29.Januar ernst machen, zumal es in Afghanistan "nur" um Energiversorgungswege ging, wohingegen es im Irak um die zweitgrößten Ölvorräte der Welt geht. Bush: "Unser Krieg gegen den Terror hat sehr gut begonnen, aber er hat erst begonnen."
Eine Passage in der Rede des US-Präsidenten erregte weltweit Aufmerksamkeit. Nach der Nennung der drei "Schurkenstaaten" Nordkorea, Iran und Irak führte Bush aus: "Staaten wie diese bilden eine Achse des Bösen." Bush setzte damit eine Tradition der Dämonisierung fort, mit der die jeweiligen US-Präsidenten den jeweiligen aktuellen ideellen Gesamtterroristen mit Hitler gleichsetzten und damit die Verbrechen des Nationalsozialismus relativierten.
Noriega in Panama-Stadt, Ghaddafi in Tripolis, Saddam Hussein in Bagdad, Milosevic in Belgrad und Bin Laden in Kabul — sie alle wurden zunächst dämonisiert und dann bombardiert.
Bush drohte den genannten drei Staaten mit Krieg, weil diese "sich bewaffnen, um den Weltfrieden zu bedrohen". Nordkorea scheidet im Augenblick als Aggressionsziel der US-Politik aus, auch weil es dort nichts zu holen, aber viel zu verlieren gibt (etwa die Stabilität Südkoreas). Der Iran kommt eher als das übernächste Aggressionsziel in Frage, auch weil es dort zwar viel (Öl) holen, aber derzeit noch ähnlich viel zu verlieren gibt (etwa die Stabilität in Afghanistan, die auch von dem Warlord Ismail Khan abhängt, der wiederum eng mit Teheran verbunden ist). Bleibt "die Achsenmacht Irak". Dazu Bush: "Das irakische Regime entwickelte mehr als ein Jahrzehnt lang in verschwörerischer Weise Nervengas. Es handelt sich um ein Regime, das schon einmal Giftgas einsetzte, um Tausende der eigenen Bürgerinnen und Bürger zu ermorden — zurück blieben die Leichen der Mütter, die über ihren toten Kindern lagen." Bush spielte auf das Massaker im kurdisch-irakischen Halabdscha im März 1988 an, als rund 5000 Kurdinnen und Kurden bei einem Giftgasangriff der irakischen Armee getötet wurden.
Wie in einem Hollywood B-Movie kopieren die CIA- und Pentagon-Strategen gerne ihre Kriegsszenarien, zumal das zuletzt verwandte zweimal Erfolg brachte. Demnach wird derzeit im Irak angestrengt nach einer Truppe Ausschau gehalten, welche die Drecksarbeit am Boden (Provokation & Massaker) übernimmt — siehe die U€K 1999 im Kosovo, siehe die Nordallianz 2001 in Afghanistan.
Im neuen Drehbuch stehen mögliche Aufstände von Kurden im Norden oder von Schiiten im Süden des Irak. Womit wir beim Drehbuch-Sujet "Menschenrechte" wären, deretwegen der Krieg geführt werden könnte: nationale Selbstbestimmung und Religionsfreiheit.
In der Rolle des irakischen Karzai wird derzeit ein gewisser Nisar al-Chasradshi gesehen. Der Mann war bis 1996 persönlicher Berater Husseins im Rang eines Generals und lebt heute in Dänemark. Im Spiegel durfte al-Chasradshi bereits Worte sagen, die U€K-Thaci kurz vor den Bombenangriffen auf Belgrad mit vergleichbaren Worten vortrug: "Die Menschen im Irak warten auf eine Erlösung. 95% der Bevölkerung sind gegen Saddam. Alle warten auf ein Signal der internationalen Gemeinschaft."
Nisar al-Chasradshi war zur Zeit des ersten Golfkriegs, den der Irak 1980—1988 gegen den Iran führte, irakischer Generalstabschef. Er trägt damit maßgeblich Verantwortung für den erwähnten Giftgasangriff auf Halabdsha. Vor allem aber waren Saddam Hussein und Nisar al- Chasradshi bis 1990 die Verbündeten des Westens, die für ihn den Krieg gegen das "fundamentalistische Regime in Teheran" führten.
Die industrielle Ausrüstung zur Giftgasproduktion des Irak stammte aus dem Westen, vor allem von bundesdeutschen Unternehmen. Nicht anders im Fall Afghanistan: Die Taliban waren Verbündete des Westens. Ihre Waffen stammten aus CIA- und pakistanischen Quellen. Karzai war Berater des US- Ölkonzerns Unocal und verhandelte für diesen mit den Taliban über den Bau der Erdgaspipeline.
Rückblende ins Jahr 1988, kurz nach dem Massaker in Halabdsha. Der irakische Außenminister Tariq Aziz stattet dem sommerlichen Bonn einen offiziellen Staatsbesuch ab. Auf der Pressekonferenz wird Aziz auf die Giftgaseinsätze der irakischen Armee angesprochen. Seine zynische Antwort: "Sie leben hier in einem zivilisierten friedlichen Kontinent und Sie haben Ihre eigenen Wertmaßstäbe."
Die Bundesregierung gewährte bei dieser Gelegenheit Bagdad einen weiteren 300-Millionen-Mark Großkredit. Hussein, Aziz und al-Chasradshi konnten damit den Krieg gegen den Iran und die Kurden verlängern.

Winfried Wolf

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