SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2002, Seite 16

Philippinen

Die zweite Front im ‘Terror‘-Krieg

Von der bürgerlichen Presse eher unbeachtet, ist im Feldzug der Bush-Regierung gegen den "internationalen Terrorismus" in der südphilippinischen Provinz Basilan inzwischen eine zweite Front eröffnet worden. Mit der Begründung, die dort operierende Abu-Sayyaf-Gruppe habe Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk Osama Bin Ladens, wurden Anfang des Jahres Angehörige US-amerikanischer Spezialeinheiten im Südwesten Mindanaos stationiert. Ihnen folgten Mitte Februar weitere 660 US-Soldaten. Vor diesem Hintergrund führte die SoZ ein längeres Gespräch mit Felisa Sanchez, Mitglied der Revolutionären Arbeiterpartei Mindanaos, von dem wir hier den ersten Teil abdrucken.



Wie haben die Ereignisse des 11.September die Bedingungen für die Beendigung der bewaffneten Auseinandersetzungen im Süden der Philippinen beeinflusst?
Felisa Sanchez: Nach dem 11. September hat sich die Situation des Landes wirklich verändert. Die Regierung Arroyo plante zuvor, einen umfassenden Frieden für Mindanao zu vereinbaren. Sie führte Verhandlungen mit der Moro Islamic Liberation Front (MILF) und man war zu einer Vereinbarung über vertrauensbildende Maßnahmen gekommen. Der Hauptpunkt hierin war die soziale Entwicklung auf Mindanao. Wichtig war auch die Einbeziehung aller drei Volksgruppen, die auf Mindanao leben, die Moro, also die Muslime, das indigene Volk der Lumad und die christlichen Siedler. Zuvor hatte es immer nur Verhandlungen zwischen den Muslimen und der Regierung gegeben, aber aufgrund der starken Mobilisierung der Zivilgesellschaft konnte diesmal eine Beteiligung aller vom Krieg betroffenen Völker erreicht werden. Aber die Verhandlungen scheiterten an der grundlegenden Frage der Verwaltung der angestammten Gebiete der Moro. Die Regierung war nicht bereit, über die Forderung der MILF nach einer autonomen Region der Muslime zu reden. Nach dem 11.September dann, im Oktober, kamen die Gespräche völlig zum Erliegen, und bis heute gibt es keine neuen Verhandlungen.

Die Regierung Arroyo hat sich hinter die USA und ihren sogenannten "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" gestellt.
Den US-Truppen wurde erlaubt, den Luftraum unseres Landes und die Gewässer vor der philippinischen Küste für den Krieg gegen Afghanistan zu benutzen. Und jetzt hat Präsidentin Arroyo der Stationierung von US-Truppen in Basilan zugestimmt, um dort gegen die Abu-Sayyaf-Gruppe zu kämpfen. Hieran gibt es sehr viel Kritik. Zum einen bedeutet die Stationierung der Truppen eine Verletzung des Visiting Forces Agreement (VFA). Dieses wurde schon vor zehn Jahren von den sozialen Bewegungen angeprangert, weil es gegen die philippinische Verfassung von 1987 verstößt. Nun geht die Regierung noch über das VFA hinaus, denn gemäß dieser Vereinbarung dürfen sich US- Truppen nur vier Wochen auf philippinischem Territorium aufhalten, aber jetzt sollen sie sechs Monate bleiben. Zweitens verstößt die Stationierung gegen den Vertrag zur gegenseitigen Verteidigung ("Mutual Defense Treaty") zwischen den USA und den Philippinen. Drittens handelt es sich bei der Abu-Sayyaf-Gruppe um ein innenpolitisches Problem der Philippinen.

Könntest du etwas zu dieser Gruppe sagen? Über Abu Sayyaf ist in der europäischen Presse im Wesentlichen im Zusammenhang mit Touristenentführungen und Lösegeldforderungen berichtet worden.
Abu Sayyaf ist eine islamische Erneuerungsbewegung, sie rekrutieren junge Muslime in den Dörfern. Inzwischen haben sie sich als eine Gruppe von lokalen Banditen erwiesen. Es gibt also keinen Grund für die USA zu intervenieren. Doch die USA haben diese Gruppe in Verbindung zum Al-Qaida-Netzwerk gebracht.
Die Gruppe hat Unterstützung von der islamischen Bewegung, aber nach dem 11.September werden islamische Organisationen wie die MILF, Stiftungen oder auch NGOs, die mit Muslimen arbeiten, als terroristisch bezeichnet. Nach dem "totalen Krieg" des früheren Präsidenten Estrada gab es Wiederaufbauhilfe aus islamischen Ländern. Diese war aber nur für die vom Krieg zerstörten muslimischen Dörfer, ihre Moscheen und Schulen bestimmt. In den Zeitungen steht nun, die Gelder seien für die Vorbereitung von Terrorakten gedacht gewesen. Damit soll versucht werden, die revolutionäre Bewegung der Moro, die für das Recht auf Selbstbestimmung kämpft, mit dem Terrorismus in Verbindung zu bringen.

Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der Stationierung der US-Truppen?
Es gab massiven Protest aus allen Sektoren der Gesellschaft gegen die Stationierung, sogar aus dem Parlament. Präsidentin Arroyo bezeichnete diejenigen, die gegen die Stationierung sind, als antiphilippinische Terroristenfreunde. Tatsächlich hat Arroyo in den USA Zusagen für Entwicklungsprogramme in Mindanao in Höhe von mehreren Millionen Dollar erhalten. Aber diese Mittel sind mit Geldern für Militärhilfe zu einem Paket zusammengeschnürt. Die USA haben bereits Kampfausrüstung nach Basilan gebracht, z.B. Nachtsichtgeräte, fünfzehn Hubschrauber, Schnellboote, um von Basilan zu den umliegenden kleineren Inseln kommen zu können...
Einige Politiker, die für die US-Stationierung sind, versuchen, den muslimisch-christlichen Konflikt zu intensivieren, das ist eine sehr wirkungsvolle Vorgehensweise. Diese Politiker haben christliche Bürgerwehren organisiert, sie verteilen Munition oder verkaufen Waffen zum halben Preis an die christliche Zivilbevölkerung. In Zamboanga [wo die US-Truppen stationiert sind] wurden bereits viele Organisatoren der Moro-Bewegung getötet. Andererseits haben auch die Muslime Vorurteile gegenüber den Christen. All dies hat wirklich die Animositäten zwischen den Bevölkerungsgruppen geschürt. Wir von den sozialen Bewegungen in Mindanao organisieren zurzeit massive Proteste, und wir wollen auch jene Gemeinde- und Provinzparlamente mobilisieren, die sich gegen die Stationierung ausgesprochen haben.

Wenn wir davon ausgehen, dass der Kampf gegen die Abu Sayyaf-Gruppe nur einen willkommenen Vorwand darstellt, was sind die langfristigen Ziele der USA auf den Philippinen?
Das Interesse der USA ist es, ihre Militärbasen wieder aufzubauen. Basilan ist strategisch wichtig, weil von hier aus auf dem Seeweg andere Länder zu erreichen sind; es liegt nahe bei Indonesien und Malaysia. Es geht um den strategischen Einfluss auf andere Länder in Asien. Und es sind nur die Philippinen, die gegenüber den USA freundlich eingestellt sind. Die Militäraktion wird sich nicht auf Basilan beschränken. Abu Sayyaf gibt es nicht nur in dieser Provinz, sondern in ganz Mindanao. Dies wäre eine Rechtfertigung für die US-Truppen, auch an anderen Orten einzugreifen. Wenn die US-Truppen Abu Sayyaf angreifen, wird es ein Krieg zur Aufstandsbekämpfung werden, denn Abu Sayyaf ist, im Gegensatz zu den Taliban in Afghanistan, geografisch und politisch nicht von der muslimischen Bevölkerung getrennt. Ein solcher Krieg wird die soziale Krise verschärfen. Seitens der sozialen Bewegungen setzen wir uns für Friedensverhandlungen ein, weil militärische Lösungen keine Antwort auf die Bangsa-Moro-Frage sind.

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