SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2002, Seite 16

US-Drohungen gegen den Irak

‘Krieg der Sterne‘ demnächst über Bagdad?

Zwar sind die äußeren Zeichen, die von den USA in Hinblick auf einen möglichen Militärschlag gegen den Irak und eventuell andere "üble Achsenmächte" gesendet werden, unveränderlich widersprüchlich. Während Präsident Bush in Asien tourt, um Nordkorea in den Schwitzkasten zu nehmen, und sich der Vorsitzende des gemeinsamen Generalstabs der Streitkräfte in Indien in unmittelbarer Nähe weiterer Konfliktherde (Kaschmir, Nepal, Sri Lanka, Xinjuan) bewegt, bereitet sich der Vizepräsident zusammen mit führenden Militärs und CIA-Leuten auf eine Tournee durch fast ein Dutzend Länder vor, die den Irak umschließen.
Demgegenüber wies die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice am 18.2. darauf hin, dass die Regierung gegenüber dem Irak eine ganze Palette von Optionen erwäge und eine unmittelbare militärische Aktion noch keineswegs entschieden werden müsse.
Möglicherweise ist diese Verzögerung einer Entscheidung und vielleicht auch der Aktion in erster Linie Ergebnis der Tatsache, dass den USA ihre Hightech-Cruise-Missiles fast ausgegangen sind und nun zunächst einmal die Rüstungsindustrie auf volle Touren gebracht werden muß, um an allen Enden der Welt ein Freund und Feind gleichermaßen beeindruckendes Feuerwerk veranstalten zu können. Gleichermaßen zur Befriedigung der Gewinnerwartungen des militärindustriellen Komplexes in den USA wie auch zur Vermeidung eines gewissen Gewöhnungseffekts bei der interessierten Öffentlichkeit beschränkt sich die US-Regierung nun aber keineswegs darauf, neue Mengen von bereits bekannten Waffen zu ordern.
Der Londoner Telegraph berichtet, nunmehr werde der Kampfhubschrauber AC-130 Spectre, der wegen der hohen Zerstörungskraft seiner konventionellen Bewaffnung seit dem Vietnamkrieg Legende ist, mit Laserkanonen ausgestattet, die Teil des Star-War-Programms sind. Die nächste Generation des Kampfhubschraubers mit dem Codenamen AC-X wird zusätzlich einen Sauerstoffjodidlaser mit sich führen, der tödliche und nicht tödliche Angriffe ausführen kann. Der Vorteil der Laserwaffe besteht darin, dass sie mit Lichtgeschwindigkeit schießt und solange ihre Kraftquelle intakt ist, ohne Unterlass weiterschießen kann.
Das Pentagon hat noch nicht offiziell mitgeteilt, wann die neue Waffengeneration einsetzbar ist. Es wird aber von einem Zeitraum von maximal zwei Jahren ausgegangen. Nach Einschätzung von Rob Hewson, dem Chefredakteur der Fachzeitschrift Jane‘s Air Launched Weapons, werden Laserwaffen die Atomwaffen des 21.Jahrhunderts sein.
Wie die International Herald Tribune bereits Anfang Februar schrieb, bedroht der immer rapider wachsende Vorsprung der USA in der Rüstungstechnologie, wie er sich im Afghanistankrieg wieder gezeigt habe, die bisherige Solidarität unter den NATO-Verbündeten. Deren militärische Beiträge werden immer mehr verzichtbar, und die USA seien deshalb immer mehr bereit, ohne Rücksicht auf ihre Belange zu agieren. Die Kritik an der Selbstherrlichkeit der USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, die dieser Tage sowohl von Bundesaußenminister Fischer als auch von EU-Kommissar Chris Patten zunächst im Guardian, dann in der Financial Times geäußert wurde, verdankt ihre unverkennbare Hilflosigkeit diesen objektiven Gegebenheiten.
Selbst ein bis dahin so "gemäßigtes" Mitglied der US-Regierung wie Außenminister Colin Powell hat die Bemerkungen aus der EU mit dem herablassenden Spruch quittiert: "Mein Freund Chris hat sich wohl ein bisschen aufspielen wollen."
Vor dem Hintergrund einer langfristig fallenden Profitrate und der konjunkturellen Depression scheint die US-Regierung wild entschlossen, den "Kampf gegen den Terrorismus" und die "patriotischen" Reflexe der US-Bevölkerung dazu zu nutzen, dieser die Lasten für ein beispielloses Aufrüstungsprogramm im Interesse der Gewinne eines strategisch zentralen Sektors der US-amerikanischen Industrie aufzuerlegen. Das neue Verteidigungsbudget sieht Zusatzausgaben in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar vor. Der Generalsekretär der NATO, der Brite George Robertson, stellte das Problem besonders plastisch dar. Er warnte vor einem Zerfall der Nordatlantischen Solidarität, "wenn die Amerikaner zuschlagen und die Europäer bluten, wenn die Amerikaner aus den Wolken heraus und die Europäer im Matsch kämpfen".
Diese Kritik zielt weniger auf eine — unerreichbare — Eindämmung der Amerikaner als darauf, dass die Europäer es den USA in der Rüstung gleich tun sollten. Lord Robertson betonte, die Europäer könnten nicht erwarten, politischen Einfluss auf Washington auszuüben, wenn sie keine effektive Militärmacht hätten, die sie in die Koalition einbringen könnten.
Der "Krieg gegen den Terrorismus" erfüllt viele Funktionen, u.a. ist er ein Mittel zur Bekämpfung der Rezession in den USA. Und er kennt viele Leidtragende: er geht gleichermaßen auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung in den USA wie auf Kosten der Völker, die mit Regimen bestraft sind, die den USA zurzeit unliebsamen sind; wie auch auf Kosten der europäischen Staaten, die zwar Verbündete sind, aber auch als Konkurrenten betrachtet werden können. Die EU könnte so nach den Warschauer-Pakt-Staaten das nächste Opfer des Rüstungswettlaufs werden.

Anton Holberg

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