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Baltasar Garzón, spanischer Untersuchungsrichter, beantragte am 6.Februar 2002 in den Niederlanden die Auslieferung von Juán Ramón
Rodríguez Fernández, dem linken Aktivisten und Sänger aus Barcelona, der am 16.Januar in Amsterdam festgenommen wurde.
In dem Auslieferungsantrag wurden die Vorwürfe aus dem Festnahmeersuchen vom Januar verschärft: Wurde er
zuerst der Unterstützung beschuldigt, ist nun von "Zugehörigkeit zur ETA und Verschwörung zum Begehen von Mord" die Rede. In nur zwei Wochen wurde die
Beschuldigung willkürlich aufgebauscht, um das Auslieferungsverfahren zu forcieren.
Die Solidaritätsgruppe Free Juanra (www.freejuanra.org) aus Amsterdam erklärte dazu: "Der Vorwurf ist
völliger Unsinn und wird auf keine einzige Art und Weise durch die angeführten 'Tatsachen bestätigt. Diese sind ein Sammelsurium absolut unkontrollierbarer
Behauptungen und einer Erklärung, die unter Folter zustande gekommen ist, wobei die Erklärung von dem Aussagenden schon lange wieder zurückgezogen worden
ist." Trotzdem sitzt Rodríguez in Abschiebehaft.
Die niederländische Polizei hatte zu seiner Verhaftung eine Antiterrorspezialeinheit aufgeboten. Der Festgenommene
wurde ins Hochsicherheitsgefängnis Vught gebracht. Während des Transports hatte er die ganze Zeit einen Sack auf dem Kopf, in Vught kam er zuerst in Isolationshaft.
Der spanische Richter Garzón hat im letzten Jahr durch das Verbot mehrerer vermeintlicher Vorfeldorganisationen der
ETA wesentlich mit dafür gesorgt, dass es über 140 Festnahmen angeblicher ETA-Mitglieder gab ein Rekord. Die Anschläge der ETA gehen zwar unvermindert
weiter, aber die Vorstände mehrerer linksnationalistischer baskischer Verbände hätten letztes Jahr in Untersuchungsgefängnissen tagen können
wären sie nicht getrennt voneinander inhaftiert gewesen. Neben der linksnationalistischen baskischen Bewegung wurden im letzten Jahr auch Aktivisten der linken Szene in Madrid und
Barcelona als vermeintliche Unterstützer der ETA kriminalisiert unter ihnen Rodríguez.
Nach einem Artikel in der niederländischen Tageszeitung NRC Handelsblad vom 20.Januar ist die spanische Polizei
Rodríguez auf die Spur gekommen, als sie einigen Leuten aus Barcelona Anfang Januar nach Amsterdam folgte. Direkt nachdem er lokalisiert wurde, wurde um seine Festnahme ersucht.
Die Umsetzung ging ungewöhnlich schnell laut NRC ein Verdienst des am 1.Januar in Kraft getretenen europäischen Zusammenschlusses Eurojust.
"Kern von Eurojust ist die Koordination: Die Staatsanwaltschaften sprechen untereinander über laufende
Angelegenheiten in den Mitgliedstaaten, selbstverständlich mit der Betonung auf grenzüberschreitende Angelegenheiten, um zu sehen, ob eine koordiniertere Aktion möglich
und notwendig ist", erklärt Jelle van Buren von der niederländischen Stiftung Eurowatch. "Wenn bspw. der spanische 'Eurojuster den niederländischen
'Eurojuster davon überzeugt, dass dies ein wichtiger Fall ist, der keinen Aufschub duldet, sorgt der niederländische 'Eurojuster dafür, dass Menschenkraft, Zeit
und Material freigesetzt wird für eine gute und schnelle Zusammenarbeit in dieser Angelegenheit."
Die Einrichtung von Eurojust wurde auf dem letzten EU-Gipfel in Brüssel im Dezember 2001 beschlossen. Der
konservativen spanischen Regierung kommt die verstärkte "Antiterroraktivität" der EU sehr gelegen. Während der turnusmäßigen EU-
Präsidentschaft Spaniens im ersten Halbjahr 2002 will Ministerpräsident Aznar weiter an der Repressionsschraube drehen: Der Kampf gegen den Terror hätte "die
Priorität aller Prioritäten", erklärte er. Aznar erhofft sich die Unterstützung der EU für die verstärkte Bekämpfung der ETA. Dabei versteht
die spanische Regierung auch gleich die Verfolgung alles Linksradikalen in ganz Spanien.
Im Rahmen der Kriminalisierungswelle gegen die Besetzer- und die Antiglobalisierungsbewegung wurden in den letzten
Monaten verstärkt Häuser geräumt. Barcelona soll "sauber und ordentlich" präsentiert werden.
Damit der EU-Gipfel Mitte März in Barcelona reibungs- und protestlos hinter sich gebracht werden kann, sollen bereits
im Vorfeld gerade die potenziellen Protestler an den Rand gedrängt und kriminalisiert werden. "Das Innenministerium befürchtet, dass mehr als 4000 Linksradikale nach
Spanien kommen", titelte El Mundo am 25.Januar.
Bereits seit sechs Monaten trainieren die Sondereinheiten der Nationalpolizei Polizeitaktiken für "mögliche
Zusammenstöße mit Radikalen" während der wichtigsten Gipfeltreffen der nächsten sechs Monate. Im Zentrum der Polizeivorbereitung stehen die
"heißen Punkte", d.h. der EU-Gipfel im März in Barcelona und die EU-Ministertreffen in Madrid und Sevilla. El Mundo schreibt: "Die Polizeifunktionäre
weisen darauf hin, dass in den radikalsten Antisystembewegungen auch linksnationale baskische Jugendliche teilnehmen."
Mit Antisystembewegungen sind dabei Hausbesetzer und Globalisierungsgegner gemeint, die kurzerhand zum "ETA-
Umfeld" erklärt werden. Was die Repression angeht, will Spaniens Regierung offensichtlich während der EU-Präsidentschaft am liebsten die ganze EU zum
Baskenland machen.
Gaston Kirsche
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