SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2002, Seite 20

Der Coup der Berdache

Michael Roes, Der Coup der Berdache, München: Goldmann, 2001, 492 Seiten, 11 Euro.

In Michael Roes Roman Der Coup der Berdache unterstützt der schwarze Polizeipsychologe Thor Voelker die Untersuchung eines Überfalls auf einen FBI-Agenten. Der Ort der Tat, ein Nachtclub, die Unklarheit, ob das Opfer von einem Mann oder einer Frau angegriffen worden ist und die Art des Angriffs, nämlich Skalpieren bei lebendigem Leib, führen Voelker zu den beiden anderen Hauptpersonen: Joan Byou, eine indianische Ethnologin und die Drag Queen Elektra, um deren Hilfe er bittet. Tat und Konstellation der Personen hätte bei anderen Schriftstellern zu einem sexuell aufgeladenen Exotenthriller geführt, in dem, spektakulären Morden folgend, ein irritierter Held den Fall löst.
Roes durchbricht dieses Erzählmuster ziemlich gründlich. Alle drei Hauptpersonen berichten mit einer gewissen Ruhe von ihren Untersuchungen. In ihren mündlichen und schriftlichen Aufzeichnungen zeichnen sie den Gang der aktuellen Ereignisse auf, wie auch plötzliche Reflexionen über ihre eigene Vergangenheit. Eine hervorragende Bedeutung spielt dabei die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Geschlechterrolle, die bei Joan Byou durch indianische Tradition und Elektra durch ihre Berufstätigkeit geformt und ermöglicht wird. Und auch Thor Voelker ist sich seiner Männerrolle nicht allzu sicher.
Er ist es auch, dem die größte Gefahr droht, indem er eine historische Verschwörung von US- Sicherheitsdiensten aufzudecken beginnt (aktuelle Bilder von Guantánamo schieben sich beim Lesen automatisch über den Text).
Aus Auskunftspersonen entwickeln Joan und Elektra sich zu seinen Schutzengeln, die den Schützling verloren haben und zur Suche nach ihm aufbrechen. Der Weg führt von New York (das aus nicht verständlichen Gründen New Leyden genannt wird) ins Reservat nach St.Sebastian. Die Atmosphäre wird immer düsterer und das Unheil kommt als Bündnis von staatlicher Macht und weißem Farmermob.
Spezialistinnen für Transgenderfragen und ethnologische Experten haben in Besprechungen des Buches Detailunkorrektheiten des Romans kritisiert. Nichtexperten finden einen spannenden Krimi, in dem sie zusätzlich einiges über Geschlechterzuordnung und indianische Tradition erfahren können, ohne Winnetoukitsch und ABBA-Klamauk.

Udo Bonn

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