SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2002, Seite 5

Die Stadt, der Müll und die Partei

In Köln werden das Öffentliche und das Private immer mehr verwischt

Die letzte Bundestagswahl hatten die Sozialdemokraten in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen gewonnen. Die nächste könnten sie dort verlieren. Die Entwicklung im Kölner Spenden- und Korruptionsskandal öffnet Edmund Stoiber die Türen zum Kanzleramt.
In Köln, wo die SPD seit 1945 den Oberbürgermeister gestellt hatte, etablierte sich nach dem ersten großen Skandal Ende der 90er Jahre um den wegen Aktieninsidergeschäften verurteilten ehemaligen SPD-Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters, Klaus Heugel, ein neuer hegemonialer Bürgerblock aus CDU, Grünen und FDP und beförderte die verbrauchten Exponenten einer vergangenen fordistischen Epoche auf die harten Oppositionsbänke im Kölner Rathaus.
In Köln gibt es im Gegensatz zu Berlin durchaus Strukturwandel. Zwar können in Köln die insbesondere im Medien- und Werbebereich neu entstandenen Arbeitsplätze die massiven Arbeitsplatzverluste im rechtsrheinischen Industriegürtel bei weitem nicht wettmachen. Aber immerhin gibt es neue Arbeitsplätze für einige gutausgebildete Junge aus der ganzen Republik und Frührente für die verschlissenen Alten von der Ecke.
Die alten Hochburgen der Kölner SPD zeichnen sich heute neben einer hohen Arbeitslosigkeit und einem hohen Ausländeranteil vor allem durch eine massive Wahlabstinenz aus.
Rutscht die Wahlbeteiligung in den verslumten Gebieten "op de schäl Sick" (wie in Köln die Stadtteile auf der rechten Rheinseite heißen) auf unter 30% wie bei der letzten Kommunalwahl, reicht ein mäßig hohes CDU-Votum in einigen wohlhabenderen Vororten vollkommen aus, um eine Kommunalwahl zu entscheiden.
Ehrenamtliche Kommunalpolitik ist chronisch unterfinanziert. In Köln hat die SPD deshalb einerseits versucht, ihre Arbeit über Landtags- und Bundestagsmandate zu finanzieren. Andererseits wurde das private Kapital in Raubrittermanier erpresst bzw. erhielt umgekehrt die Gelegenheit, die SPD zu bestechen, um öffentliche Bauaufträge zu erhalten bzw. Privatisierungen durchzusetzen. Das Ergebnis ist die vieldiskutierte "Krise der Repräsentanz".
Das bürgerliche Feuilleton, allen voran der Chefredakteur des örtlichen Monopolblattes Kölner Stadtanzeiger, Franz Sommerfeld, in den 70er Jahren noch als Chefredakteur der Roten Blätter, des Theorieorgans des MSB Spartakus tätig, sieht im Kölner Korruptionsskandal vor allem eine Verkettung individuellen moralischen Fehlverhaltens. Dabei boten erst die großen Privatisierungsprojekte der 90er Jahre (Müllverbrennungsanlage und Müllabfuhr) der Kölner Kommunalpolitik die Chance auf materielle Teilhabe.
Der naheliegenden Frage, ob und inwieweit die Privatisierungspolitik der SPD in Köln käuflich war, verweigert sich Franz Sommerfeld. Kein Wunder, profitiert doch sein Herausgeber, der Verleger Alfred Neven DuMont (FDP), als Anteilseigner des Oppenheim-Esch-Fonds, einem Zusammenschluss der einflussreichsten und vermögendsten Kölner, vom Bau der "KölnArena" im rechtsrheinischen Deutz. Die Renditen dieses exklusiven Fonds stammen aus den marktunüblich hohen Mieten des in den "KölnArena"-Komplex integrierten neuen technischen Rathauses.
So finanzieren die Kölner Bürger über ihre Steuern die hohen Mieten im technischen Rathaus und wiederum die Profite der "KölnArena"-Betreiber. Maßgeblicher Initiator dieser aktiven Umverteilung von Volksvermögen war der ehemalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD), der, ohne eine Schamfrist abzuwarten, nach Ausscheiden aus dem öffentlichen Amt als Manager ausgerechnet zu dem Fonds wechselte, mit dem er vorher als Vertreter der Stadt handelseinig geworden war.
Im Prozess der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge und der Etablierung undurchsichtiger halbstaatlicher bzw. halbprivater Betriebe des "public-private-partnership" sind in den 90er Jahren auf der kommunalen Ebene die Grenzen zwischen "öffentlich" und "privat" immer mehr verwischt worden.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kölner Stadtrat und Kandidat für den Deutschen Bundestag im Norden der Stadt, Rolf Bietmann, ist seit Jahren als Anwalt für die von der Staatsanwaltschaft beschuldigte RWE-Mülltochter Trienekens tätig. Der CDU-Kandidat für den Süden ist ihr Prokurist. Das macht auch Sinn. Denn so können unnötige Reibungsverluste zwischen Stadtverwaltung, Kommunalpolitik und Kapital vermieden werden: Alles aus einer Hand.
Im Verein mit dem damaligen Geschäftsführer der Gewerkschaft ÖTV, Peter Meyer (SPD), hatten die beiden umtriebigen Christdemokraten erfolgreich verhindert, dass die westfälische Müllfirma Rethmann dem rheinischen Müllmogul Trienekens in die Quere kommen konnte. Rethmann hatte zwar mehrere Millionen Mark mehr für die Hälfte der Anteile an der Kölner Müllabfuhr geboten, aber trotzdem den Zuschlag nicht erhalten.
Dafür erhielt dann Heinz Schürheck (SPD), ehemaliger Bezirksleiter der Gewerkschaft ÖTV in Nordrhein- Westfalen den Zuschlag als Geschäftsführer der privatisierten Müllabfuhr. Vorher hatte sich die Gewerkschaft ÖTV allerdings noch erkenntlich gezeigt (keine Leistung ohne Gegenleistung) und einen Überleitungstarifvertrag für die Beschäftigten der Müllabfuhr abgeschlossen, der das Lohnniveau um bis zu 30% absenkt und die bisherige Arbeitsplatzsicherheit des öffentlichen Dienstes kassiert.
Besonders bizarr geriet die Verabschiedung des ehemaligen Kassierers der Kölner SPD, Manfred Biciste. Der sympathische Mathematiklehrer musste, nachdem die Staatsanwaltschaft ihm auf die Schliche gekommen war, auch seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der Kölner Verkehrsbetriebe räumen. Dort war man dennoch voll des Lobes. Hatte Biciste doch, kurz zuvor er die Titel der überregionalen Zeitungen und die Fernsehshow von Harald Schmidt als "Manfred Bischiste" eroberte, noch die Privatisierung der Busse und Bahnen auf den Weg gebracht.
Der erst 27-jährige neue Vorsitzende der Kölner SPD, Jochen Ott, geriert sich als "oberster und brutalstmöglicher Aufklärer" (Roland Koch). Der Aktivist der katholischen Jugend war in den 90er Jahren das Ziehkind der beiden tief in den Korruptionsskandal verstrickten ehemaligen Paten des rechten Flügels der Kölner SPD, Klaus Heugel und Norbert Rüther.
Während sich bei den Kölner Jungsozialisten in dieser Zeit Poststalinisten, Undogmatische und die beiden trotzkistischen Fraktionen Voran und Linksruck bis auf das Messer bekämpften, entschieden sich die SPD-Rechten Heugel und Rüther dafür, das "Red-Sox- Team" als neue parteitreue Jugendorganisation zu installieren und machten Ott zum Chef.
Jetzt mutmaßen Frankfurter Rundschau und Süddeutsche Zeitung, dass Otts damalige Aktivitäten in Wirklichkeit aus den schwarzen Kassen Rüthers und Heugels finanziert worden waren.

Jendrik Scholz

Der Autor ist Vorstandsmitglied der Kölner Südstadt-SPD.


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