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Der US-General Douglas MacArthur soll in den 50er Jahren einmal gesagt haben: "Ich würde auch den Teufel unterstützen, wenn er auf die
Erde käme und seine Hilfe im Kampf gegen die Kommunisten anböte." Nach diesem Motto sind spätere US-Regierungen wiederholt verfahren: Man denke nur an die
Unterstützung für diverse faschistoide Diktatoren und Terrormilizen in Süd- und Mittelamerika.
Auch die Mudjaheddin-Milizen in Afghanistan wurden nur unter dem Aspekt wahrgenommen, dass sie eine prosowjetische
Regierung, und seit deren Einmarsch im Dezember 1979 auch die sowjetischen Truppen bekämpften. So wurden die Mudjaheddin massiv aus den USA via Pakistan mit Waffen beliefert.
Da störte es wenig, dass die Mudjaheddin die prosowjetische Regierung nicht deshalb bekämpften, weil sie nicht
demokratisch war, sondern z.B. weil sie versuchte, die Schulpflicht für Mädchen auch auf dem Lande durchzusetzen. Auch schien man sich nicht daran zu stören, dass die
Mudjaheddin die weltweit größten Heroinproduzenten darstellten; und auch nicht, dass sie bald begannen, ihren Terror zu exportieren: Viele Söldner, die in den Camps in
Afghanistan ausgebildet worden waren und sich eine Weile den Mudjaheddin angeschlossen hatten, setzten ihre Aktivitäten später in Indien, auf den Philippinen, in Algerien etc.
fort. Kürzlich erschien die deutsche Ausgabe des aus dem Französichen übersetzten Buchs Die verbotene Wahrheit die Verstrickungen der USA mit Osama Bin
Laden von J.Brisard und G.Dasquie, das zeigt, wie US-Regierungsstellen den islamistischen Terrorismus unterstützen, solange sie ihr eigenes Land durch diesen nicht bedroht sahen.
Im Vergleich zu den USA waren die deutschen Bundesregierungen der 80er Jahre außenpolitisch wesentlich
zurückhaltender. Dennoch haben prominente Politiker der Unionsparteien Kontakte zu extrem islamistischen Mudjaheddingruppen in Afghanistan unterhalten und diese wohl auch
finanziell unterstützt.
Unter den zahlreichen rivalisierenden Mudjaheddingruppen haben sich die Unionspolitiker ausgerechnet die "Hezb-e
Islami" ausgesucht, die als die radikalste islamistische Gruppierung galt. Ihr Anführer, Gulbuddin Hekmatyar, war schon in den frühen 70er Jahren in Afghanistan als Terrorist
gesucht, weil er Säureattentate auf nach seiner Ansicht zu westlich gekleidete Frauen verübt hatte. Während der Zeit der sowjetischen Besatzung (197989) hat sich
Hekmatyar mehr in Gefechten gegen verfeindete Mudjaheddinfraktionen hervorgetan, als dass er Erfolge gegen die Rote Armee hätte vorweisen können.
Als nach dem Sturz des prosowjetischen Staatschefs Nadjibullah im April 1992 die Mudjaheddin an die Macht kamen,
führten Rivalitäten zwischen verschiedenen Mudjaheddinführern, insbesondere zwischen Hekmatyar und Borhanuddin Rabbani, zu einem heftigen Bürgerkrieg mit
mehr als einer Million Todesopfern, in dessen Verlauf die Miliz Hekmatyars die Hauptstadt Kabul in Schutt und Asche legte. Damals spielte Hekmatyar auch eine Schlüsselrolle beim
Betreiben von Ausbildungslagern für islamistische Terroristen.
Dies sowie der endlos scheinende Bürgerkrieg und der ständig zunehmende Drogenanbau brachte die US-
Regierung dazu, die neu gegründete und mit pakistanischer Unterstützung erstarkte Bewegung der Taliban zu fördern, der es schon nach kurzer Zeit im Herbst 1996 gelang,
den größten Teil Afghanistans unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch entgegen den Erwartungen der US-Regierung änderte sich durch die Machtübernahme der Taliban
wenig außer der Tatsache, dass diese die Bevölkerung noch mehr terrorisierte als ihre Vorgänger. Obwohl der Bürgerkrieg in der Hauptstadt aufhörte und sich in
den Norden des Landes verlagerte, erwies sich der geplante Bau einer Pipeline durch den US-Konzern Unocal weiterhin als undurchführbar.
Im Februar 1981 besuchte Hekmatyar auf Einladung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung die BRD. "Als erster deutscher Spitzenpolitiker hat der baden-württembergische
Ministerpräsident Lothar Späth mit dem Chef der afghanischen Widerstandsbewegung, Gulbudin Hekmatyar, gesprochen. Späth empfing eine Delegation der
Freiheitskämpfer Freitag nacht in der Villa Reitzenstein." Späth zeigte sich "beeindruckt vom Freiheitswillen der Widerstandsbewegung". Es sei jedoch
"nicht über Waffen und Geld gesprochen worden". (Sonntag Aktuell, 8.2.1981) Danach traf Hekmatyar in Bonn mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, van
Well, zusammen.
Weitere Gespräche führte Hekmatyar in Bonn mit den CDU-Politikern Mertes und Heck, in München traf er
mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß zu einer fast zweistündigen Unterredung zusammen. Die CSU-Wochenzeitung Bayernkurier (21.2.1981)
präsentierte Hekmatyar und seine Hezb-e Islami als "Freiheitskämpfer", die "in den Bergen des Hindukusch auch unsere, der Völker Europas Freiheit
verteidigen".
Am 15.5.1985 empfing der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht den Mudjaheddinführer
Younos Khalis. Dieser führte eine Miliz, die sich von Hekmatyars Hezb-e Islami abgespalten hatte, aber weiterhin den gleichen Namen trug. Aus Khalis Miliz stammen zahlreiche
hohe Taliban-Funktionäre wie z. B. Mullah Mohammed Rabbani und Jalaludin Haqqani.
Dr. Jürgen Todenhöfer, der in den 80er Jahren als CDU-Abgeordneter den Wahlkreis Tübingen in Bonn
vertrat, engagierte sich wohl mehr als alle anderen seiner Kollegen für die Sache der Mudjaheddin. Noch während der Regierung Schmidt trat Todenhöfer mehrmals mit der
Anregung an die Bundesregierung heran, sie möge die sog. Freiheitskämpfer direkt mit humanitärer Hilfe unterstützen. Die damalige Bundesregierung lehnte dies mit
dem Hinweis ab, sie leiste humanitäre Hilfe an Flüchtlinge und die notleidende Zivilbevölkerung.
Mindestens dreimal besuchte Todenhöfer die Mudjaheddinmiliz von Hekmatyar. In seinem Buch Ich denke deutsch
berichtet er, wie er im April 1989 in der afghanischen Provinz Urgun den "Premierminister" der Mudjaheddin, Abdul Rasul Sayyaf, traf. Sayyaf führte damals die
Mudjaheddinmiliz Gebheh-ye islami (auch unter dem Namen Ettehad-e islami bekannt), die als klein, aber gut bewaffnet galt; Tausende arabische Freischärler kämpften als
gutbezahlte Söldner für Sayyaf.
Einige davon gründeten später auf den Philippinen die nach ihrem afghanischen Anführer benannte
Terrorgruppe "Abu Sayyaf", die hierzulande erstmals in die Schlagzeilen geriet, als sie eine aus Göttingen stammende Familie und weitere Urlauber entführte. Sayyaf
selbst gehörte später der afghanischen Nordallianz an, die im Krieg der USA gegen die Taliban die Dreckarbeit erledigen durfte. Auch andere wichtige Vertreter der Nordallianz
hatten gute Kontakte zu bin Laden und anderen islamitischen Terroristen gehabt. Was dies nach dem Sieg der Nordallianz über die Taliban für die Zukunft des Landes bedeutet,
bleibt abzuwarten.
Es bleibt wohl das Geheimnis der genannten deutschen Politiker, warum sie nicht gemäßigtere Mudjaheddingruppen, sondern ausgerechnet die extremsten islamistischen Terroristen
zu Gesprächspartnern wählten und zum Teil auch unterstützten, die zum unmittelbaren Umfeld des Osama bin Laden zählten. Die Person Osama Bin Laden war
freilich im Westen noch unbekannt. Der schwerreiche Sohn eines saudischen Bauunternehmers war um die Jahreswende 1979/80, wenige Tage nach dem sowjetischen Einmarsch, nach
Afghanistan gekommen, um die dortigen Gotteskrieger zu unterstützen. Mit Hekmatyar hatte er häufiger Kontakt, Sayyaf hat er mindestens einmal besucht.
Auch ohne Bin Laden persönlich zu kennen, durfte man sich über die Ziele der Mudjaheddin keine Illusionen
machen. Doch viele Unionspolitikern müssen da blind gewesen sein; sie interessierte in erster Linie das antisowjetische und antikommunistische Bekenntnis. Die islamistischen Ziele hat
man, getreu dem Motto von MacArthur, geflissentlich übersehen.
Bei genauerem Hinsehen konnte man sich leicht ausmalen, was passieren würde, wenn die Mudjaheddin an die Macht
kämen. Der afghanische Staatschef Nadjibullah hat noch kurz vor seinem Sturz an die USA appelliert, eine solche Entwicklung zu verhindern, weil sonst der Krieg für viele Jahre
weitergehen werde und das Land sich ein Zentrum des Drogenhandels und des Terrorismus verwandeln werde (International Herald Tribune, 11.3.92). Leider hat er Recht behalten.
Der Kalte-Kriegs-Reflex, unbesehen jeden zu unterstützen, der sich als antikommunistisch ausgab, wirkte nicht nur in
Afghanistan. 1986 setzte sich die FAZ für die Freilassung des serbischen Nationalisten Vojislav Seselj ein; er war inhaftiert worden, weil er die Zerschlagung der Republik Bosnien-
Hercegovina gefordert hatte. Wenige Jahre später war Seselj frei, Parlamentsabgeordneter und Kommandant einer berüchtigten Tschetnik-Miliz, die für zahlreiche
Kriegsverbrechen verantwortlich ist. Einer der größten kroatischen Kriegsverbrecher, Dobroslav Paraga, wurde 1989 (nachdem er in Jugoslawien wegen neonazistischer
Aktivitäten inhaftiert gewesen war) von Bundespräsident Richard von Weizsäcker empfangen und durfte sich in der Taz als verfolgter Oppositioneller bemitleiden lassen.
Nach dem 11.September 2001 verfiel die Bundesregierung in Aktionismus, eine ebenso aufwendige wie unergiebige Rasterfahndung wurde gestartet, die pauschal jeden verdächtigt, der als
Moslem ein technisches Fach studiert. Andererseits gewinnt man den Eindruck, dass die Bundesregierung wenig über das Treiben islamistischer Afghanen in Deutschland weiß und
es auch gar nicht wissen will. Eine von Winfried Wolf eingebrachte Kleine Anfrage im Bundestag (BT-Drucks. 14/8252) wurde von der Bundesregierung dahingehend beantwortet, dass man
über die Kontakte deutscher Politiker zu islamistischen Afghanen und über die Tätigkeit islamistischer Exilafghanen in Deutschland nichts wisse und dass für
umfangreiche Recherchen keine Zeit sei.
In dem Buch Krieg und Widerstand in Afghanistan von 1992 hatte Michael Pohly behauptet, die CSU-nahe Hanns-Seidel-
Stiftung habe die Mudjaheddin-Gruppe von Hekmatyar finanziell unterstützt (S.154). Die Bundesregierung sah jedoch keinen Anlass, dies zu überprüfen oder zu bewerten.
Ob die Bundesregierung selbst Kontakte zu Hekmatyar hatte, ist angeblich nicht mehr feststellbar, und dass Hekmatyar im Februar 1981 vom Staatssekretär im Auswärtigen Amt,
Günther van Well, empfangen wurde (FAZ, 11.2.1981), konnte die Bundesregierung weder bestätigen noch dementieren; offenbar war man zu faul, die Aktenordner der 80er Jahre
aus den Umzugskartons zu nehmen.
Angeblich weiß die Bundesregierung nichts darüber, dass laut einem Artikel von Matin Baraki ihre
Vorgängerregierung afghanische Propagandapublikationen finanziert haben soll. Von den Söldneranwerbestellen der von Osama Bin Laden mitgegründeten Organisation Al
Kifah, die auch in Deutschland islamistische Kämpfer rekrutierte, hatte die Bundesregierung offenbar noch nie gehört, so dass man sich fragen muss, ob man im Auswärtigen
Amt nicht einmal in der Lage ist, sich aus Büchern und Zeitungen über den Sachverhalt zu informieren. Die Söldner kämpften damals nach ihrer Ausbildung
hauptsächlich in der Miliz von Hekmatyar.
Vielleicht ist aber auch nicht Unfähigkeit, sondern der zunehmende Geheimhaltungswahn der Bundesregierung für
die nichtssagenden Antworten der Bundesregierung verantwortlich; vielleicht fürchtet man Fragen nach dem Sinn einer sich ständig wiederholenden kurzsichtigen
Außenpolitik, mit der man ständig neue Schurken schafft, mit deren Hilfe man die letzten Schurken bekämpft, die man im Kampf gegen die vorletzten unterstützt hatte.
Das würde jedenfalls zu der Geheimniskrämerei um den Einsatz jener deutschen Spezialkräfte passen, die in
Ostafghanistan an der Seite von US-Soldaten gegen angebliche Al-Qaida-Mitglieder kämpfen. Angeblich würde die Preisgabe näherer Informationen das Leben deutscher
Soldaten gefährden. Dieses Argument ist aber offensichtlich unsinnig, denn diejenigen, gegen die sich die Militäraktion richtet, dürften die Anwesenheit der westlichen
Soldaten bereits bemerkt haben, und es dürfte ihnen wenig nützen, wenn sie wüssten, wie viele Deutsche sich darunter befinden und welche Aufgaben diese haben.
Für die deutsche Öffentlichkeit wäre es aber um so interessanter zu erfahren, gegen wen genau die
Bundeswehr dort kämpft. In einem Spiegel-Interview in der Woche nach dem 11.September hatte Hekmatyar bewaffneten Widerstand angekündigt, falls die US-Regierung in
Afghanistan einer ihr freundlich gesinnten Regierung an die Macht verhelfen sollte. Ob er diese Drohung wahr gemacht hat und die Bundeswehr nun gegen den früher in der BRD hofierten
Milizenchef kämpfen muss, werden wir wohl so schnell nicht erfahren.
Ebenfalls interessant wäre zu erfahren, wie viele zivile Opfer dieser Kampf fordert. Man hat der Sowjetunion
früher völlig zu Recht die hohe Zahl ziviler Opfer zum Vorwurf gemacht. Je länger der Krieg nun andauert, um so mehr besteht die Gefahr, dass die westlichen Truppen in die
gleiche Sackgasse geraten.
Martin Jung
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