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Kaum hatte der eintagsfliegige Nachfolger von Hugo Chávez im Präsidentenamt, der Unternehmerverbandschef Pedro Ramono, der
Öffentlichkeit seine abstoßende Visage gezeigt, kamen Glückwünsche zuerst aus Washington. Der Spiegel triumphierte über "das Ende von
Südamerikas letztem Autokraten". Pech gehabt: Kurz nach Redaktionsschluss trugen Massenproteste Chávez wieder ins Amt.
Was hatte der eigentlich verbrochen? Ein bisschen Widerstand gegen das Ausbluten des Landes, gegen IWF und
Weltbank, ein bisschen Aufmüpfigkeit gegen die Kapitalisten und Großgrundbesitzer (die die Massenmedien kontrollieren), ein paar Maßnahmen zugunsten der armen
Bauern und der verarmten Stadtbevölkerung immerhin. Man muss sich Hugo Chávez im Fernsehen vorstellen, auf dem einzigen Sender, der ihn
regelmäßig live auftreten lässt. Er begnügt sich nicht damit, die Feinde des Volkes herauszufordern und die mit dem Kapital der Metropolen verfilzten
Vorstände der venezolanischen Erdölgesellschaft Petróleos zu feuern er demütigt sie. Hinter sich wie immer das Bild von Simon Bolivar, verliest er
einzeln die Namen der Vorstandsmitglieder, streckt den Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger zur Seite und befiehlt mit sonorer Stimme: "Raus!" Das war zuviel; man
beschloss ihn wegzufegen vergeblich.
Die linksbolivaristische Pose ist sympathisch. Doch eins haben die jüngsten Erfahrungen wieder einmal bewiesen:
Auf die Stimmungen und Schwankungen in den Spitzen von Armee und Verwaltung ist kein Verlass. Darum hat Hugo Chávez alles Interesse, auf diejenigen zu setzen, die seinen
Sturz verhindert haben, auf die Masse der Armen in Stadt und Land. Um einen Kurs in deren Interesse durchzusetzen, muss er diese Massen ermutigen, sich selbst zu organisieren, sich
eigene Massenmedien zu schaffen und sich selbst zu bewaffnen. Und die Armee? Auch das ist einfach. Es genügt die Einführung einer einfachen neuen Regel: Die Soldaten
bilden Komitees und diskutieren über alle Befehle, vor allem, wenn die sich auf Einsätze im Landesinneren beziehen. Nichts ist menschenfreundlicher als eine Armee, deren
Soldaten diskutieren: Bald stellt sie, wie in Portugal 1974, die Offiziere an die Wand, die befehlen, aufs Volk zu schießen.
Das bewaffnete Volk könnte noch betrogen werden, wäre aber unbesiegbar. Natürlich könnte
der US-Imperialismus ein paar seiner "Mini-Atombomben" drauf werfen. Aber dann würde sein eigenes System über Nacht zusammenbrechen, und das
weiß er.
Eine weitere bedingte Prognose sei erlaubt: Wenn dies bewaffnete Volk eines schönen Tages das widerliche
Kompradoren-Gesindel zum Teufel jagt, dann wird sich unter den Revolutionsliedern, die sich bekanntlich von selber dichten und komponieren, auch zumindest eines über jenen
tapferen kleinen Luftwaffenoffizier finden, der auszog, die Herrschenden das Fürchten zu lehren.