SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2002, Seite 4

Frankreich

Die radikale Linke ist gefordert

von ANGELA KLEIN

Das Stimmergebnis für Le Pen bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen darf nicht überraschen: Bei einer Rekord- Wahlenthaltung von 28,5%, einer "Links"regierung aus SP, KP und Grüne, die zu Recht wegen ihrer unsozialen Politik abgewatscht wird, und einer radikalen Linken, die auf drei bis vier Listen zersplittert ist, muss man sich nicht wundern, dass die Alternative "links von der Regierungslinken" für die Masse der Wählerinnen und Wähler nur begrenzte Glaubwürdigkeit hat. Hinzukommt, daß die bürgerlichen Parteien wie auch die Regierung Le Pen noch in die Hände gearbeitet haben, indem sie "sein" Wahlkampfthema, die innere Sicherheit, hochgespielt haben.
Bei dieser Konstellation ist es eher bemerkenswert, dass die Kandidaten links von der Regierungslinken zusammengenommen einen Stimmenanteil von fast 11% auf sich vereinigen konnten — gerade mal 5 Prozentpunkte weniger als Premierminister Jospin. Die KP war die zweite Partei aus dem Regierungslager, die massiv Federn lassen musste: sie liegt mit 3,4% deutlich unterhalb des Stimmenergebnisses der trotzkistischen Organisationen LCR und LO. Und auch das Verhältnis zwischen diesen beiden ist nicht mehr wie früher: War es bisher so, dass die LCR in den sozialen Bewegungen stark verankert war, aber LO bei den Wahlen die Stimmen holte, so scheint sich dies erstmals grundlegend geändert zu haben. LO hat ihren Stimmenanteil gegenüber vor fünf Jahren kaum verbessert (knapp einen halben Prozentpunkt mehr), die LCR hingegen hat einen richtigen Sprung gemacht, von etwa 1% bei früheren Wahlen auf jetzt 4,3%. Dies liegt sicher daran, dass sie — anders als LO — ihren "ewigen Kandidaten" und Vertreter der 68er Generation, Alain Krivine, in den Schrank gestellt und den Mut aufgebracht hat, den 27-jährigen Olivier Besancenot aufzustellen, der bislang in der Öffentlichkeit unbekannt war. Ihm ist es gelungen, als Vertreter der jungen Generation aufzutreten, der die Opposition gegen die verschiedenen Facetten der neoliberalen Politik und ihre Hoffnungen auf "Eine andere Welt ist möglich" ausdrückt. Die LCR hat damit den Generationswechsel geschafft; das war riskant, es hätte auch in ein sehr niedriges Stimmenergebnis münden können. Es hat sich ausgezahlt.
Das Stimmenergebnis auf der Linken im breitesten Sinne wird in allen Parteien ein Umdenken in Gang setzen müssen: Die Sozialdemokraten müssen überlegen, ob sie — bei Strafe weiterer Verluste — bei ihrem neoliberalen Kurs bleiben wollen; die KP wird wohl weitere Krisen und Abspaltungen erleben. LO wird sich überlegen müssen, ob sie es sich weiter leisten will, Wahlbündnisse abzulehnen. Auf die LCR kommt die schwierige Aufgabe zu, alles zu unternehmen, damit auf der radikalen Linken ein gemeinsamer, starker Pol entsteht. Die Einheit der Linken um ein klares antikapitalistisches Programm herum ist die Voraussetzung, Le Pen zu schlagen.


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