SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2002, Seite 7

Gewerkschaften und Bundestagswahl 2002

Positionen werden festgeklopft

Die Rede von Klaus Lang von der IG Metall vor dem Bundesausschuss für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA) hat für Aufregung gesorgt — so als ob er die ganze IG Metall von der Unterstützung der rot-grünen Regierung abbringen wolle.
"Das zentrale Projekt ‚Konsolidierung‘ hat zu Arbeit und Innovation nichts beigetragen, auch wenn Hans Eichel seine Fiskalpolitik nachhaltig nennt", kritisierte der Metaller. Angesichts "rezessiver Entwicklung", "steigender Arbeitslosigkeit" "Finanznot der Kommunen", angesichts "des im europäischen Vergleich zu niedrigen Niveaus der öffentlichen Investitionen und des riesigen Infrastrukturbedarfs" sei es "für Arbeit und soziale Gerechtigkeit volkswirtschaftlich und sozial schädlich, an diesem Konsolidierungsziel festzuhalten".
Durch die Steuerreform seien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwar entlastet worden, räumte Lang ein. "Aber generell gilt: Die Verteilungsgerechtigkeit ist durch diese Steuerreform nicht vergrößert, sondern verringert worden."
Diese noch vergleichsweise moderaten Formulierungen haben in der SPD höhere Wellen geschlagen, als sie verdienen. Denn Lang ist keinen Schritt aus dem üblichen Fahrwasser herausgetreten, sondern hat seine Kritik mit Forderungen an eine zukünftige rot-grüne Regierung verbunden und lediglich die Beachtung ganz normaler gewerkschaftlicher Positionen eingefordert.
Auch seine Analyse des wichtigsten Projekts der Schröder-Regierung, an dem die Gewerkschaften teilgenommen haben, des Bündnisses für Arbeit, geht nicht über eine vage Kritik hinaus und kann kaum als linke Abrechnung bezeichnet werden.
Ursache für das Scheitern des Bündnisses ist seiner Auffassung nach, "dass es keine in den Grundsätzen gemeinsame Perspektive von SPD und Gewerkschaften über die Reform des Sozialstaates, mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft, die Zukunft der Erwerbsarbeit und die Erneuerung der Arbeitsgesellschaft" gebe.
Solche Ursachenforschung zeigt, dass sich Linke nicht all zu viele Hoffnungen auf eine Unterstützung kritischer Positionen durch die Führung der IG Metall machen sollten. Wie als Bestätigung — und als Abgrenzung gegen scheinbar zu linke Äußerungen von Klaus Lang — machte der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel wenige Tage später klar, dass er die SPD in den kommenden Wahlen selbstverständlich unterstützt.
Auf die Vorhaltungen des finanzpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Poß, die Kritik sei unbegründet, ging Klaus Lang auf die SPD zu. Er beharrte zwar auf seinen Zahlen, die die Schieflage der SPD-Steuerpolitik zuungunsten der Beschäftigten nachweisen, argumentierte dann aber:
"Der entscheidende Teil meines Vortrags sind die Projekte, die ich für ein künftiges SPD- Wahlprogramm aus der Sicht der Gewerkschaften vorschlage und zur Diskussion stelle. Es kommt darauf an, dass die Partei diese Punkte in einem konstruktiven Dialog aufgreift, um die Voraussetzung für eine überzeugte Zustimmung zur Erneuerung der rot-grünen Koalition als Träger eines Politikwechsels aus den Gewerkschaften heraus zu schaffen."
Die SPD müsse sich öffentlich als "Partei der Arbeitnehmerschaft" und "mit besonderen Beziehungen zu den Gewerkschaften" darstellen, ohne sich darauf zu begrenzen. Lang setzte jetzt auf einen "konstruktiven Dialog mit denen, die für das SPD- Wahlprogramm verantwortlich sind".
Unterbrochen wurde dieser "konstruktive Dialog" von der IG Bergbau, Chemie und Energie. Nach Langs Rede fühlte sich der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt bemüßigt, selbst in die Bütt zu steigen, um der Sozial- und Steuerpolitik der Regierung die Stange zu halten.
"Mit einiger Besorgnis beobachten wir, dass zurzeit durch Vertreter etlicher Gewerkschaften eine öffentliche Debatte geführt wird, die uns in einen massiven Gegensatz zur Politik der Bundesregierung zu bringen versucht", kritisierte der Gewerkschaftsfunktionär.
Der Regierungskoalition werde mit "undifferenzierten und teilweise ungerechtfertigten Vorwürfen" eine Politik mit neoliberaler Handschrift unterstellt. Schmoldt warf Lang außerdem Einseitigkeit vor, und dass dieser die Vorwürfe "mit wenig Realitätssinn und Fairness" vorgebracht habe.
"Es muss davon ausgegangen werden, dass diese Debatten nicht nur den Verlauf des DGB-Bundeskongresses mitbestimmen werden, sondern wohl den Auftakt für die anstehende Auseinandersetzung um die Bundestagswahl darstellen. Dies geht so weit, dass die kritischen Vorhaltungen mit dem Hinweis auf die Wahlenthaltung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verknüpft werden. Solche Bemerkungen halte ich schon deshalb für unerträglich, weil es eigentlich demokratische Pflicht der Gewerkschaften sein sollte, ihre Mitglieder zur Wahlbeteiligung aufzufordern, statt eine apolitische Verweigerungshaltung herbeizureden."
Einige Gewerkschaften, so Schmoldt, orientierten sich mehr an ihren Forderungen und Wunschvorstellungen gegenüber der Bundesregierung als an den Realitäten und am Machbaren. Nötig sei aber, mehr Verantwortung zu übernehmen. "An der Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme scheint es in einigen Gewerkschaften zurzeit offenbar eher zu mangeln. Unser Weg ist vielleicht ein unbequemer Weg, doch es gibt zu ihm keine Alternative."
Diese Antwort auf die wirklich zahmen Kritikpunkte von Klaus Lang macht deutlich, dass sich hier jemand für die Nachfolge von Walter Riester warmläuft und dabei seine Gewerkschaft einbinden will in eine Linie der Unterordnung von gewerkschaftlichen Positionen unter "Realitäten" und das "Machbare".
Schmoldt wies zwar auch darauf hin, dass nicht alles gut ist, was die Regierung gemacht habe, aber die Breitseite gegen Klaus Lang lässt erahnen, mit welchem Engagement der neoliberale Kurs Schröders und Eichels hier verteidigt wird.
Ein von Gewerkschaftern eingeforderter "Politikwechsel" ist mit diesem Vorsitzenden nicht zu machen. Die IG BCE sollte sich wirklich überlegen, ob sie immer den Steigbügelhalter für die Sozialpolitik von SPD-Koalitionen spielen will, zumal nach dieser Rentenreform und der drohenden Gesundheitsreform.
Schon einmal — in den 60er Jahren — wurde ein Vorgänger Schmoldts, der legendäre Walter Arendt, Sozialminister in einer SPD-Koalition. Das war, nachdem unter seinem Vorsitz der Hauptvorstand der damaligen IG Bergbau und Energie einen Streik der Bergleute entgegen dem 95%-Votum einer Urabstimmung absagt hatte. Soviel zu Traditionen.

Rolf Euler


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