SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2002, Seite 8

Die Sozialpolitik der neuen Mitte oder:

Vorwärts ins 19.Jahrhundert

Kanzler Schröder hat sich die Reduzierung der Erwerbslosigkeit auf die Fahnen geschrieben. Landauf landab ist inzwischen klar, dass das nicht gelingt. Im Gegenteil, die Zahlen steigen weiter. Denn heute ist man schneller draußen als drin. Da er aber seinen Thron daran geknüpft hat, werden die Schuldigen woanders gesucht. Es sind die Erwerbslosen selbst, die für ihre Situation verantwortlich gemacht werden. Damit werden alle Zwangsmaßnahmen begründet, die die Erwerbslosen — das zeichnet sich immer deutlicher ab — in Not und Armut treiben. Jeder, der mit dem Arbeitsamt oder dem Sozialamt zu tun hatte, kann davon ein Lied singen. Der Sozialstaat wird seit 16 Jahren systematisch abgebaut und zerschlagen. Wer einmal "von Amts wegen" ins Abseits getreten wurde, findet kaum noch heraus.
Im "Bündnis für Arbeit" wurde die Frage der Regulierung von Überstunden diskutiert, um sie dann eilig wieder in den Schubladen verschwinden zu lassen. Erwerbstätige wie Erwerbslose werden gleichermaßen verkauft. War man Anfang der 70er Jahre noch für die Dauer von etwa 15 Jahren in einem Betrieb beschäftigt, sind es heute weniger als 4 Jahre.
Einmal draußen, greift das "Job-Aqtiv-Gesetz". Damit sollen die Menschen in untertarifliche Arbeit und Tagelöhnerarbeit gezwungen werden, wo sie noch weniger Rechte haben. Wie in England und in den USA. Dort heißt das ganze "New Deal". Gerhard Schröder hat von Tony Blair abgeschrieben.
Den großen Deal machen die Unternehmen, während sich die Beschäftigen kaum über dem Existenzminimum halten können. "Job-Aqtiv" — das ist völlig klar — bürdet die Verantwortung allein den Erwerbslosen auf und schafft in den Arbeitsämtern einen riesigen Verwaltungsaufwand. Doch dafür gibt es weder mehr Geld noch mehr Stellen. Selbst in einer Fachzeitschrift für die Arbeitsämter heißt es: "Entgegen den Zielen des Bundes könnten dadurch Langzeitarbeitslose noch stärker ins Abseits der Sozialhilfe gedrängt werden." Und selbst die soll noch gekürzt werden, nachdem man sie seit 1990 nicht mehr erhöht hat. Durch all die Maßnahmen wird kein einziger Arbeitsplatz geschaffen, sondern das Elend bei den Betroffenen nur vergrößert. Ohne nennenswerte Aufregung ist dieses Gesetz, welches die Betroffen so arg drangsaliert, von des Kanzlers "Ruhige Hand" auf den Weg gebracht und verabschiedet worden.
Sogar der DGB — selbst an "Job-Aqtiv" beteiligt — distanziert sich von einigen Regelungen. Weder hätten die privaten Vermittler nennenswerte Erfolge erzielt, noch könnten die Leiharbeitsunternehmen große Erfolge nachweisen. Nach deren Dachverband wurden angeblich 30% der dort Beschäftigten an die Entleiher weiter vermittelt. Aber keiner weiß, wie viele davon in der Probezeit wieder rausgeflogen sind, weil die Verleiher sich dieser Methode bedienen, um ihr Personal, das fest eingestellt werden muss, wieder los zu werden.
Doch offensichtlich reicht dies noch nicht. Die beabsichtigte Zusammenlegung der Arbeitslosen- mit der Sozialhilfe wird die Arbeitslosen und deren Familienangehörige weiter belasteten und ins soziale Aus drängen.
Eine Vermittlerin aus dem Arbeitsamt Düsseldorf, die ihren Namen nicht genannt haben möchte, sagt dazu: "Diese Regelungen dienen allein dazu, die Arbeitslosen durch Repression aus der Statistik und damit aus der Sozialversicherung zu drücken." In der öffentlichen Diskussion ist man bemüht, die Kürzungen positiv darzustellen. Kritik ist nicht erwünscht.
Selbst die Masse der Medien hat das Problem nicht begriffen. Sie suchen sich ihre Gesprächspartner so aus, dass die Meinung der Mächtigen gut verkauft werden kann und Biertischmeinung gesellschaftsfähig wird. Auch Arbeitsminister Riester (IG Metall) lässt mit seiner Spieltruppe, die er auf dem TV-Sender Phönix vorgestellt hat, erkennen, dass man an einer Aufklärung über den Umfang des Sozialabbaus kein Interesse hat.
Wenn alle Empfänger von Arbeitslosenhilfe aus der Renten- und Krankenkasse herausfallen, dann steigen wieder einmal die Beiträge für die noch Beschäftigten. Für den betreffenden Personenkreis bleibt im Alter nur der Gang zum Sozialamt übrig.

Fazit

Alle Kürzungen, die in den letzten 16 Jahren im Bereich des Arbeitslosengeldes, der Arbeitslosenhilfe und des Unterhaltsgelds vorgenommen wurden, haben keine Änderungen auf dem Arbeitsmarkt gebracht.
Auch weitere Kürzungen werden dies nicht bewerkstelligen, weil die Arbeitgeber keine Arbeitsplätze zur Verfügung stellen wollen. Daran lässt Arbeitgeber Präsident Hundt keinen Zweifel, weil er landauf, landab die sog. Greencard für alle Berufe mit der Begründung fordert, dass es in Deutschland keine Arbeitnehmer für die unbesetzten Arbeitsplätze in Deutschland gibt. Mit dieser Aussage geben die Arbeitgeber endgültig zu, dass sie an der Einstellung arbeitsloser Arbeitnehmer gar kein Interesse haben.
Ziel und Ergebnis des Sozialabbaus ist nicht die Schaffung von Arbeitsplätzen, das haben 16 Jahre Kohl und 2 Jahre (Schröder) (= 18 Jahre) bewiesen. Im vergangen Jahrzehnt hat eine Rückführung der sozialen Standards stattgefunden, die uns in die Zeit vor Bismarck zurückführt.
Bismarck hat nämlich die Grundzüge der Sozialgesetzgebung gegen den Willen des Frühkapitalismus eingeführt. Bei dieser Rückführung sind alle Parteien dem Arbeitgeberpräsidenten zu Diensten.

>Aus einer Stellungnahme des Landesbezirkserwerbslosenausschusses von Ver.di/NRW.



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