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In Stuttgart hat sich Mitte Mai wieder eine Bewegung zu Wort gemeldet, um die es in der letzten Zeit still geworden war: Anti-AKW-Initiativen aus dem
gesamten Bundesgebiet protestierten mit Aktionstagen vom 11. bis zum 16.Mai gegen die vom Deutschen Atomforum organisierte "Jahrestagung Kerntechnik". Dort wird
alljährlich unberührt von rot-grünen Ausstiegsbeschlüssen für eine weitere Nutzung der Atomkraft geworben.
Anders als bei der AKW-Lobby machen sich bei den Gegnern, allen Durchhalteparolen zum Trotz, in der letzten Zeit
Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Manche Veteranen der Bewegung wie der langjährige Sprecher der Wendländer AKW-Gegner, Wolfgang Ehmke, ziehen sich aus
persönlichen Gründen zurück.
Doch abgeschaltet ist die Anti-AKW-Bewegung noch lange ist. Das machten die ca. 80 Aktivisten deutlich, die sich am
ersten Mai-Wochenende in Berlin zur bundesweiten Frühjahrskonferenz getroffen haben. Neben der Mobilisierung gegen die "Jahrestagung Kernenergie" will man
weiterhin Castortransporte blockieren, das nächste Mal im Juni unter dem Motto "Trainstopping 2002".
Von einer möglichen Abwahl der Bundesregierung und des grünen Umweltministers Jürgen Trittin hat
sich in Berlin niemand schrecken lassen. Im Gegenteil, ein Teil will sogar aus Enttäuschung über die mageren Ergebnisse rot-grüner Umweltpolitik und die zahlreichen
gebrochenen Versprechen im September zum Wahlboykott aufrufen. Allerdings ist diese Haltung nicht repräsentativ. "Wir sind der linke Flügel der Anti-AKW-
Bewegung" meinte eine Teilnehmerin.
Die politische Standortbestimmung beschäftigte die Konferenz für mehrere Stunden, als es um den Umgang
mit einem Delegierten der "oberösterreichischen Plattform" ging. Diese hatte sich an einem von der FPÖ initiierten Volksbegehren gegen das AKW Temelin
beteiligt, was auf der Berliner Konferenz auf heftige Kritik stieß. Kritisiert wurde auch, dass die "oberösterreichische Plattform" ihren Widerstand gegen Temelin
mit einer Blockade der tschechischen Grenze Nachdruck verleihen wollte, wo sich FPÖ-Chefideologe Jörg Haider mit einer persönlich vorgetragenen Grußadresse
in Szene setzen konnte.
Obwohl er sich davon distanzierte, betonte der österreichische Umweltschützer gleichzeitig, dass eine
intensive Diskussion über Haider die am Kampf gegen das AKW Temelin Interessierten abschrecken würde. Schließlich einigte man sich in Berlin auf eine
vorläufige Stornierung der Zusammenarbeit mit der "oberösterreichischen Plattform".
Die Diskussion über rechte Infiltrierungsversuche soll allerdings fortgesetzt werden. Viele Teilnehmer verwiesen
darauf, dass es als ein Erfolg des linken Flügels der Anti-AKW-Bewegung anzusehen sei, dass sich in Deutschland niemand mit einer NPD-Fahne auf Ökologie-Events wage,
es aber durchaus Einflüsse rechter und esoterischer Gruppen in der hiesigen Umweltbewegung gäbe.
Peter Nowak